30.05.2019
72. Filmfestspiele Cannes 2019

Filme­ma­cher, Parasiten, Kritiker

Leid und Herrlichkeit
Penélope Cruz in Leid und Herrlichkeit
(Foto: Studiocanal Filmverleih)

Der parasitäre Siegerfilm aus Korea, Almodóvars Schmerz und Ruhm und Nachdenken über Filmkritiker – Cannes-Notizen, 12. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Hier ist jede magische oder poetische Aktivität verschwunden: kein Karneval mehr, man spielt nicht mehr mit den Wörtern: Ende der Metaphern, Herr­schaft der Stereo­typen, die die klein­bür­ger­liche Kultur ihr aufzwingt. ... Also: Auflösung der Gemein­sam­keiten, der Empathien.«
Roland Barthes: »Die Lust am Text«

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Mein Verhältnis zur eigenen Profes­sion und vor allem ihren Akteuren, also weniger zur Film­kritik als zu den Film­kri­ti­kern, ist ohne Frage gerade in einer Krise. Natürlich gibt es viele Einzelne, die ich achte, schätze, gerne lese, als Gesprächs­partner wert­schätze. Trotzdem ist der Gesamt­ein­druck verhee­rend.
Und wen lese ich wirklich gern, als Autor? Also den Text nicht um seines Inhalts willen, sondern für den Stil? Wo ist die Lust am Text erkennbar?

Diese Zweifel gelten der deutschen Situation. Das hat auch alles nichts mit der ökono­misch ungüns­tigen Lage zu tun. Denn die ist woanders noch viel schlechter. Wie glücklich aber macht da im Vergleich der Blick aufs Ausland. Vor allem auf Spanien und Latein­ame­rika, auf Italien. Man muss ja bei der Lektüre der eindi­men­sio­nalen deutschen Urteile und der Einsei­tig­keit des öffent­lich geäußerten Geschmacks auf den Gedanken kommen, man könnte nicht alles auch ganz anders sehen.

Diese Einsei­tig­keit wird im deutschen Sprach- und Kultur­raum von niemandem infrage gestellt. Oder genau genommen eben nur von sehr wenigen und meist margi­nalen Stimmen. Ich kann also nur jedem raten, nicht nur deutsche Texte über Cannes zu lesen, auch nicht nur meine hier, sondern möglichst viele andere. Und ich rate auch jedem, Kritik der Kritik zu üben, bloß nicht alles zu glauben, was da geschrieben und behauptet wird, und auch die Kriterien infrage zu stellen, nach denen überhaupt ein Urteil entsteht. Manche soge­nannten Kollegen wissen ja gar nicht, was ein ästhe­ti­sches Argument überhaupt ist. Sie beur­teilen einen Film nach seiner poli­ti­schen Agenda, oder danach, ob sie die Geschichte inter­es­sant finden. Ob der Film »spannend« oder »unter­haltsam« ist, ob er »zu blutig« ist, oder – sehr selten – »nicht blutig genug«. Dass ein Filme überhaupt eine Geschichte habe, wird sowieso voraus­ge­setzt.

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Film­kri­tiker sind längst nicht so inter­es­sant, wie man von außen viel­leicht denken könnte. Jeden­falls nicht in der Masse. Bei genauerer Betrach­tung sind sie viel­leicht sogar viel unin­ter­es­santer, als andere Berufs­gruppen, denn die Fallhöhe zwischen mediokrer Persön­lich­keit und dem hoch­wer­tigen Gegen­stand ist viel größer. Vor allem bei den Deutschen.
Es geht jetzt ums Generelle. Klar, dass Einzelne natürlich auch unter den Deutschen sehr sympa­thisch sind. Mit manchen deutschen Kollegen bin ich befreundet, oder gehe zumindest gele­gent­lich gern was trinken. Aber in gar nicht so wenigen Fällen versuche ich dann, möglichst über andere Dinge zu reden als übers Kino. Bei auslän­di­schen Kollegen ist es um einiges besser. Sie sind mindes­tens mal kulti­viert, gebildet, haben meist studiert und nehmen in jedem Fall Film als Kunst ernst. In Deutsch­land stehen solche Annahmen unter Verdacht. Lieber wird »Unter­hal­tung« und »Gefühl« einge­for­dert, oder mindes­tens »Bedeutung«. Alles Codeworte der Ignoranz.
Wer sich dem verwei­gert, bekommt zu hören, man sei zu intel­lek­tuell, man sei elitär und arrogant, man wolle wohl die Unter­hal­tung abschaffen. Wenn man dann noch ein Wort wie »Cine­philie« in den Mund nimmt, oder offen Godard-Filme liebt, dann ist es nicht mehr weit bis zum Verdacht des kultu­rellen Landes­ver­rats.

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Eigent­lich dürfte das alles auch nicht über­ra­schen – warum sollten Film­kri­tiker bessere Menschen sein als der Durch­schnitt? Man erwartet halt naiver­weise von Menschen, die sich mit Kunst beschäf­tigen, dass diese Beschäf­ti­gung nicht komplett folgenlos bleibt und die Menschen, die viel mit Kunst zu tun haben, mögli­cher­weise etwas besser werden – aber das ist eine totale, ziemlich blöd­sin­nige Fehl­an­nahme. Tatsäch­lich ist es im Gegenteil umgekehrt, tatsäch­lich färben schlechte Menschen und Geschmack­lo­sig­keit immer auf die Kunst ab und das ist ja gerade in der deutschen Kino bzw Film­land­schaft täglich zu beob­achten. Beim Redakteur eines soge­nannten Bran­chen­ma­gazin ist es zum Beispiel so, dass mir, immer wenn ich in Hörweite komme, auffällt, dass in jedem dritten seiner Sätze das Wort »Scheiße« vorkommt. Und zwar offenbar andauernd. Was für ein unan­ge­nehmer Typ. Was für eine krasse Energie, die der ausstrahlt. Wie soll so einer auch nur ange­messen über Filme urteilen können, geschweige denn mit beson­derer Sensi­bi­lität?

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Zu den Freunden zähle ich critic.de. Hier schon mal ein erster Hinweis auf den inzwi­schen tradi­tio­nellen critic.de-Abschluss-podcast, zu dem auch ich wieder einge­laden war. Es gab viel zu reden, auch zu streiten und trotz Zwei­tei­lung hätte es noch lange weiter­gehen können. Erst später fiel uns auf, dass wir gar nicht über den späteren Sieger, den korea­ni­schen Film »Parasite« gespro­chen hatten. Ebenso, wie wir zu wenig über den Film geredet haben, der einer unserer Lieb­lings­filme war: Rebecca Zlotow­skis Une fille facile. Immerhin habe ich ihn in der 8. Folge dieses Tagebuchs bespro­chen. Jetzt hat Frédéric Jaeger auch auf critic.de eine sehr schöne ausführ­liche Kritik zu dem Film geschrieben, der für ihn »der Film des Festivals« war.

Was mich zu einer öffent­li­chen Frage an die Freunde von critic.de reizt: Dass die Kapa­zi­täten beschränkt sind, selbst wenn man zu dritt ist und diesen – auf einem Festival! – Wahn­sinns­an­spruch an sich hat, gesehene Filme auch mit einer »richtigen« Film­kritik zu würdigen, ist klar.
Warum aber wird, wenn das so ist, ausge­rechnet der Wett­be­werb komplett unter einer Art von Volls­tän­dig­keits­zwang abgedeckt, umgekehrt aber die Neben­reihen weit­ge­hend vernach­läs­sigt?
Warum bestätigt man damit auch noch indirekt die Konkur­renz unter den Film­fes­ti­vals, und den von uns allen auch ein bisschen verach­teten, voll­kommen unan­ge­mes­senen Hang (gerade der oben erwähnten Klein­bür­ger­klasse der Kollegen), öffent­lich die Qualität eines Festivals ausschließ­lich an der Qualität des Wett­be­werbs zu messen?

So landen doch einige inter­es­sante Filme unter der Wahr­neh­mungs­schwelle, wo doch ein Festival gerade für Entde­ckungen da ist, und zwar nicht zum Entdecken der besten Filme, der wich­tigsten, sondern der über­ra­schenden, unfer­tigen. Das führt dann zudem noch dazu, in den Neben­reihen vor allem jene Filme­ma­cher zu bespre­chen, die eigent­lich die bekann­testen sind: Honoré, Dumont, Serra, Bonello, Zlotowski. Schon Miike fehlt dann, wie überhaupt asia­ti­sche Filme, wie die Russen. Das müsste man mal für die nächste Dekade über­denken.

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»It turned out, that Germans eat more, than sausage and beer«.
Aus: Parasite

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Über den korea­ni­schen Beitrag Parasite, der schließ­lich gewann, habe ich neulich aus Zeit­gründen zu wenig geschrieben. Es gibt zu diesem Film aber noch viel mehr zu sagen.

Bong Joon-hoo zeigt eine Gesell­schaft, die von Anfang an ihr Maß verloren hat. Gier und Mate­ria­lismus bestimmen ihr Verhalten. Mit dieser tref­fenden, als Satire getarnten, in komö­di­an­ti­sche Form geklei­deten Analyse gewann der Koreaner verdient den Wett­be­werb, auch wenn es noch zwei, drei andere verdiente Sieger gegeben hätte.

Eine arme Familie wohnt in einem Keller­ge­schoss, eine reiche auf den Höhen der Stadt in einem für Korea überaus unge­wöhn­li­chen luxu­riösen Haus im westlich-moder­nis­ti­schen Stil.

Eine Hoch­stapler-Geschichte über eine Familie aus der Unter­klasse die sich in eine Ober­klassen-Familie hinein­schleicht, durch Tricks in sie hinein­manö­vriert, diese Familie syste­ma­tisch infil­triert – insofern ein klas­si­scher Intruder-Film, der alle bürger­li­chen Ängste triggert. »Faking it all« – schon am Anfang wird ein Univer­si­täts­zer­ti­fikat gefälscht. Irgend­wann scheint die Familie verpuppt im Kordon der Anderen.
Dies ist auch ein Film über bürger­liche Besorgnis. Mehr als einmal habe ich auch an Berlin-Mitte denken müssen – nicht, dass die Sorgen alle falsch sind, aber diese Sorgen um jeden Kleinsch... machen etwas mit den Menschen. Ein über­mäßiger Sicher­heits­trieb führt zu einem verwal­teten Leben und einer verwal­teten Welt.
Man achtet nur noch darauf, auf sich zu achten, und darauf, die Komfort­zone, in der man lebt, zu vertei­digen. Diese Sicher­heits-Komfort­zone wird durch unsere Hoch­stapler-Familie von Anfang an in Frage gestellt und schließ­lich zerstört.

Der Film mokierte sich eindeutig über die Amerika-Hörigkeit und Amerika-Faszi­na­tion der korea­ni­schen Neurei­chen, jener braven Bürger, die noch das Spielzeug für ihre Kinder aus Amerika bestellen, die Lehrer anheuern, damit ihre Kinder Englisch lernen, und zum Kriterium dafür, dass jemand ein guter Lehrer ist, machen sie die Tatsache, dass sie auf einer ameri­ka­ni­schen oder engli­schen Univer­sität studiert haben. Sie sollten auch einen ameri­ka­ni­schen Vornamen tragen: Kevin und Jessica.
Der Film mokiert sich über den Hype, der über Diplome gemacht wird, über Visi­ten­karten und die Art wie solch eine Visi­ten­karte gedruckt ist, wie sie sich anfühlt. Der Aber­glaube und eine moderne Form von Magie ist dies übrigens: Dass sich in der Qualität eines solchen Visi­ten­kar­ten­druck irgend­etwas ausdrü­cken würde, was mit dem Inhalt zu tun hat.

Irgend­wann kommt der Regen, und mit dem Regen kommt die Flut. Sie ist aber keine Sintflut, die von Sünden reinigt, sondern sie spült den Dreck und das Verdrängte nach oben.

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Auch um Zombies geht es wieder in diesem Film. Zombie sind spätes­tens die Dritten im Bunde: Die alte, dann entlas­sene Haus­häl­terin und ihr Mann, der seit vier Jahren heimlich im Keller wohnt, versteckt vor Kredit­haien, die ihm nach dem Leben trachten. Zombies sind aber natürlich auch die Reichen, die sich von ihren Inter­essen, ihren Gelüsten und von den Maßstäben der Gesell­schaft fern­steuern lassen. Und zombie­haft sind die armen, die in der Unter­stadt im Tief­par­terre kauern und dumme Arbeiten machen, die fast im Dreck leben.
Dies ist also Gesell­schafts­kritik. Es geht aber auch um eine generelle Kritik am Westen an sich. Parasite reiht sich ein in die Gruppe von Filmen, die den Westen kriti­sieren, die das westliche Modell, das theo­re­tisch universal gemeint ist und normativ für die Gesell­schaften der ganzen Welt gelten soll, infrage stellen.

Natürlich stellen sie es infrage, weil – wenn man so will – der Westen selbst dieses Modell schon lange infrage gestellt hat. Weil sein Univer­sa­lismus überaus parti­kular ist und im Prinzip oft genau das, was man ihm seit langen vorwirft, eine Maske von Eigen­in­ter­essen zu sein.

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Eines Abends hatte ich ein ganz lustiges Gespräch mit zwei Filme­ma­chern, die den Film auch gesehen haben und die mir erzählten, sie hätten die ganze Zeit über geschwankt, auf welcher Seite ihre Sympa­thien lagen. Auf der Seite der reichen Familie oder der Armen. Sie hätten die Erfahrung gemacht, dass man diese Sympa­thien immer wieder wechselt, so wie der Film es tut. Der Film schlägt sich auch nicht klar auf eine Seite. Das tut er im Übrigen, weil es dem Regisseur um etwas anderes geht.
Ich antwor­tete in dem Gespräch, viel­leicht sollte man mit dem Haus sympa­thi­sieren, denn dieses Haus ist eine ganz eigene Haupt­figur.

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Ein unter­gründig gerade die zweite Hälfte des dies­jäh­rigen Cannes-Festivals durch­zie­hendes Sujet sind Varia­tionen von »Film im Film«.

Zual­ler­erst zu nennen ist hier Pedro Almodóvar, dessen Film Dolor y gloria sein wohl auto­bio­gra­phischstes Werk ist, und von vielen als Favorit auf die Goldene Palme gehandelt wurde – das ist diesem Regisseur schon oft passiert. Und ebenso oft wider­legte eine Jury derartige Speku­la­tionen.
Ich konnte mich an denen nicht betei­ligen, denn ich habe den Film erst am letzten Tag nach­ge­holt.

Das lag vor allem an der Program­mie­rung der verschie­denen Filme durch das Festival, die in diesem Jahr so schlecht war, und auf das Wochen­ende derart dicht gepresst, dass man manche Filme einfach nicht sehen konnte, wenn man andere sehen will. Ein Opfer wurden die Spanier: Die Vorfüh­rungen von Albert Serra lagen auf Samstag, Sonntag, Montag verteilt, aber immer so, dass Wich­ti­geres parallel lief. Und die Pres­se­vor­füh­rungen von Almodóvar und Jessica Hausner über­schnitten sich so, dass man beide Filme nur dann sehen konnte, wenn man komplett darauf verzich­tete, andere Sektionen, wie die »Quinzaine« zu besuchen.

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Ich bin kein Fan von Almo­dó­vars Stil, und ich werde es auch nicht mehr werden. Aber Almodóvar wird einem sehr sympa­thisch in diesem Film.
Dolor y gloria ist intim, gefühl­voll, nost­al­gisch, altmo­disch, melan­cho­lisch, und sehr sehr auto­bio­gra­phisch. Es sind die impres­sio­nis­tisch erzählten Erin­ne­rungen eines alten Mannes, einge­leitet durch eine Szene, in der seine und andere Mütter an einem Flussufer die Wäsche waschen, dann dazu singen und mit den Fingern schnipsen. Eine pastorale Idylle.

So bleibt es nicht. Antonio Banderas spielt den Regisseur, dessen Alter Ego er schon oft war, im Heute. Der Mann blickt zurück auf die Zeit vor dreißig Jahren oder vierzig oder fünfzig, an Priester, und die mala educación in der Klos­ter­schule, an den Kirchen­chor. Weil er gut sang, wurde der Junge zum totalen »Ignorante«, der durchkam, ohne irgend­etwas wissen zu müssen, Haupt­sache er konnte gut singen. »Geogra­phie lernte ich auf meinen Reisen als Regisseur kennen«, »meinen Körper lernte ich durch meine Krank­heiten kennen.« Es folgt eine Anima­ti­ons­pas­sage, die diese Krank­heiten umfang­reich illus­triert. Dazu erzählt Almodóvar von seinen Migränen, seinen schweren Kopf­schmerzen, seinen Rücken­leiden, seinen Angst­zu­ständen und seiner Depres­sion.

Dann folgt wieder ein Rückblick: Die Familie ist arm, die Mutter macht dem Jungen Brot mit Scho­ko­la­den­s­tü­cken drauf, sie reisen zum Vater in die Provinz, schlafen auf dem Bahnhof. Vorm Einschlafen sprechen sie über Liz Taylor und Robert Taylor. »Sind beide Geschwister?« fragt der Junge.

Dann wieder ein Sprung in die Gegenwart, ein Besuch in der cine­ma­teca española von Madrid, aber das Gespräch nach dem Film führt der Meister und sein Lieb­lings­schau­spieler von zu Hause über das Smart­phone.
Ein bisschen Drogen­sucht (Tabletten, Heroin), ein bisschen Albern­heit (Hemden mit bunten Streifen, wie eine Almodóvar-Karikatur).

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Das ist ziemlich konfus, recht narziss­tisch, aber allmäh­lich wird es dichter, strin­genter. Früh schon hat man verstanden, was Almodóvar meint, wenn er seine Regis­seur­figur sagen lässt: »Das Kino hat mich gerettet.«

Es geht auch um die Liebe zu einem Argen­ti­nier, der ihn nach dreißg Jahren besucht. Sie sprechen: »Liebe ist nicht genug«, sagt er, und: »Moral ist eine schwie­rige Sache.« Der Argen­ti­nier, der längst verhei­ratet ist und erwach­sene Kinder hat, gesteht ihm: »My expe­ri­ence with men ended with you. Take it as a compli­ment.«
Dann küssen sie sich – auf die alten Zeiten. Es ist eine der schönsten, in Erin­ne­rung blei­benden Szenen dieses Festivals. Und so ist Dolor y gloria ein Film voller Selbst­preis­gabe und mitunter auch Selbst­kritik.

Gegen Ende berührt der Film mehr und mehr, nicht durch den eher kitschigen Hinweis darauf, er habe das Verspre­chen der Mutter gegenüber nicht halten können, als durch das Bekenntnis zur unver­meid­li­chen Egomanie des Künstlers.

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Der geschätzte, in Madrid lebende »Variety«-Kollege John Hopewell hat schon mal den richtigen Namen für das Exklusiv-Interview, das er mit Constantin-Boss Martin Moskowicz jetzt direkt nach Cannes veröf­fent­lichte. Es ist immer lustig zu lesen, wenn sich Leute, die vor allem von Film­för­de­rungs­sub­ven­tionen leben, über »Markt­rea­lismus« verbreiten. Auch lustig, dass die Constantin aus ameri­ka­ni­scher Perspek­tive als »Germany’s biggest inde­pen­dent distri­butor«, also als kleine Firma geführt wird.
Aber das eigent­lich Bemer­kens­werte ist, dass Moskowicz offenbar nicht einer von denen ist, die den albernen Streaming-Hype mitmachen: »After the streaming shock that everybody had over the last years where everybody was running saying let’s to do something for Netflix or for Amazon or whoever, people are seeing that there’s a limited upside in those deals. If you have a film with clear thea­trical options, you'd be crazy to do it for Netflix or another streamer. You get your mark-up, but no rights whatsoever to build asset value for your company.«

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In Cannes habe ich dieses Jahr kein Fußball geguckt, wer schaut sich schon ein Endspiel zwischen Leipzig und München an? Aber direkt am Abend danach fand dann »die Mutter aller Spiele« (Reno Koppe) tatsäch­lich in Berlin statt, zwischen Union Berlin in dem VfB Stuttgart. Freunde saßen auf der Tribüne, ich war selbst­ver­s­tänd­lich für Union, und ich war sehr froh, dass endlich einmal wieder ein Zweit­li­gist gewinnen konnte.
Zudem war Union schon immer der Verein der Anders­den­kenden und Unan­ge­passten zu Zeiten der DDR.

Nur der Kommen­tator von Eurosport sagte Sätze wie diesen: »Ein Stutt­garter Tor und das Berliner Narrativ stünde nur noch in seinen Grund­zügen da.« Er könnte Film­kri­tiker werden.

(to be continued)