29.10.2009

Das Asia Filmfest 2009 beginnt

»Thirst« von Park Chan-wook
Park Chan-wooks Vampir­drama Thirst

Von Claus Schotten

Dass in Ostasien zur Zeit die weltweit aufre­gendsten und inno­va­tivsten Filme gemacht werden, war an dieser Stelle schon öfter zu lesen. Ab Donnerstag kann man sich im Gloria-Palst erneut davon über­zeugen. Dann bietet das Asia Filmfest zwei Wochen lang einen Überblick über das ostasia­ti­sche Unter­hal­tungs­kino des letzten Jahres. Der Bogen reicht von Groß­pro­duk­tionen und Block­bus­tern wie The Sword with No Name aus Korea über chine­si­sche Poli­zei­thriller wie The Sniper und den thailän­di­schen Ballsport-meets-Kampf­sport-Film Fireball bis zu Samurai Princess, einer japa­ni­schen Low-Budget-Trash-Produk­tion. Von Anspruch (Thirst) über Spannung (Overheard), Erotik (A Frozen Flower), Horror (Invi­ta­tion Only) und feel good (Cape No. 7) bis Splatter (Vampire Girl vs. Fran­ken­stein Girl) wird alles geboten.

Den Auftakt bildet Depar­tures (dt. Nokan – Die Kunst des Ausklangs), der dies­jäh­rige Gewinner des Oscars für den besten fremd­spra­chigen Film, die Geschichte eines Mannes, der seinen Traum von einer Karriere als Musiker in Tokyo begraben muss und in die heimat­liche Provinz zurück­kehrt, wo er einen Neuanfang wagt und seine wahre Berufung findet. Der Film folgt getreu­lich bekannten Erzähl­mus­tern aus anderen japa­ni­schen Unter­hal­tungs­dramen mit all ihren Stärken und Schwächen. Heraus­ra­gend wird er durch die sorg­fäl­tige und einfühl­same Schil­de­rung der tradi­tio­nellen Nokan-Zeremonie, bei der die Körper der Verstor­benen vor ihren Angehö­rigen gewaschen, einge­kleidet und geschminkt werden um sie auf ihre »letzte Reise« vorzu­be­reiten und den Angehö­rigen den abschied zu erleich­tern. dies verleiht dem Film etwas zutiefst mensch­li­ches.

Mit dem Big-Budget-Histo­ri­en­drama Red Cliff meldet sich John Woo nach 15 Jahren Hollywood erstmals wieder aus China zurück. In epischer Breite schildert er die Schlacht am Roten Felsen von 208 n. Chr., die einen Wende­punkt der chine­si­schen Geschichte darstellt. In Asien ist der Film in zwei Teilen mit zusammen fast 5 Stunden Laufzeit in die Kinos gekommen. Hier­zu­lande wird eine 2½-stündige inter­na­tio­nale Fassung gezeigt. Inter­es­santer als die großen Massen­szenen der eigent­li­chen Schlacht mit Feuers­brünsten, Explo­sionen, Statis­ten­heeren und CGI-Spek­ta­keln sind dabei die eher ruhigen, teilweise sogar kontem­pla­tiven Szenen der Schlacht­vor­be­rei­tung, die im Mittel­punkt des Films stehen. Die Feldherrn fach­sim­peln hier über Strategie und Taktik, üben sich in psycho­lo­gi­scher Kriegs­füh­rung, Diplo­matie und Verrat oder versuchen die zahlen­mäßige Über­le­gen­heit des Gegners durch geniale Ideen zu kompen­sieren. Selbst die Zube­rei­tung eines Tees kann da eine hoch­span­nende Ange­le­gen­heit werden.

Ein anderer Heim­kehrer aus Hollywood ist Jackie Chan. Für das Epos Shinjuku Incident, das von Ferne an Sleepless Town erinnert, ist er ins drama­ti­sche Fach gewech­selt und schlägt sich dabei recht gut – nicht nur im wort­wört­li­chen Sinn. Er spielt einen illegalen chine­si­schen Einwan­derer, der sich in Tokyo vom Müll­sammler und Teller­wä­scher zum Gangs­ter­boss und Geschäfts­mann hoch­kämpft, schließ­lich aber in Banden­kriegen untergeht. Lediglich den jugend­li­chen Liebhaber zu Anfang des Films will man ihm nicht so recht abnehmen, schließ­lich ist Chan schon 55. Das Ende des Films wird dann vom Jackie-Chan-typischen Gutmen­schentum etwas getrübt. Aber dazwi­schen erlebt man packende 100 Minuten.

Ein anderes Highlight ist Thirst – Durst, der neuste Film des korea­ni­schen Regis­seurs Park Chan-wook, eine ganz unge­wöhn­liche Vampir- und Liebes­ge­schichte, die die Regeln des Genres fast komplett ignoriert. Im Mittel­punkt steht ein katho­li­scher Priester, der sich aus Menschen­liebe für medi­zi­ni­sche Versuche in Afrika zur Verfügung stellt, dabei stirbt und auf wunder­same Weise wieder zum Leben erweckt wird. Von Gläubigen wird er nun als künftiger Heiliger verehrt, doch statt nach dem Blute Jesus in der Messe dürstet es ihm nun nach ganz mensch­li­chem Blut. Er ist zum Vampir mutiert. Schließ­lich trifft er auch noch auf Tae-ju, die unter­drückte Frau eines Schul­freundes. Sie erweckt ganz neue Liebe in ihm. Da ist es auch mit seinem Zölibat vorbei... Ist es ein Zufall, dass mit Sion Sonos Love Exposure – auch er wird auf dem Festival läuft – und nun Thirst die beiden Filme der letzten Jahre, die sich am wildesten und inten­sivsten mit Liebe und dem katho­li­schen Glauben ausein­an­der­setzen, aus Ostasien kommen?

Park Chan-wook, der hier­zu­lande vor allem durch seine Rache-Trilogie mit Sympathy for Mr. Vengeance, Oldboy und Lady Vengeance bekannt wurde, ist auch die dies­jäh­rige Filmreihe gewidmet. Leider fehlt neben einigen Früh­werken und seinen Betei­li­gungen an Omnibus-Projekten auch ein Schlüs­sel­werk Parks im Programm. Ausge­rechnet die humor­volle Tragödie Sympathy for Mr. Vengeance wird nicht gezeigt. Der Auftakt der Rache-Trilogie ist – in meinen Augen – sein aller­bester Film und zählt für mich insgesamt zu den besten Filmen dieses Jahr­zehnts. Aber wer die anderen Filme Parks noch nicht kennt, soll sich durch diese Lücke nicht von einem Besuch der Reihe abhalten lassen. Alle Filme Parks sind sehens­wert. Wer die Filme schon kennt, schaut sich aber viel­leicht besser die parallel laufenden, aktuellen Filme im Gloria an, denn die Program­müber­schnei­dung ist der zweite Wermuts­tropfen an der Filmreihe. Geschickter wäre es gewesen, parallel zur Park-Filmreihe Filme laufen zu lassen, die noch einmal wieder­holt werden.

Wie in den Vorjahren gibt es neben den aktuellen Filmen auch wieder die Reihe »Asia Spezial«, in der Klassiker des asia­ti­schen Kinos noch einmal auf der großen Leinwand gezeigt werden. Darunter sind dieses Jahr u.a. Enter the Dragon, der letzte Film von Bruce Lee, Police Story, der wohl beste Film von Jackie Chan, Once Upon a Time in China von Tsui Hark und Lady Snowblood, der ein wichtiges Vorbild für Taran­tinos Kill Bill war. Nicht ganz so alt und berühmt, aber ebenfalls eine Empfeh­lung wert ist The Blessing Bell von Sabu. Schließ­lich wurde die Anzahl der Matineen mit Filmen aus der Biblio­thek des japa­ni­schen Kultur­in­sti­tuts auf vier erhöht. Gezeigt werden mit Kids Return und Kikujiros Sommer zwei eher unbe­kannte Werke von Takeshi Kitano und zwei spritzige Komödien, darunter Waterboys, den Artechock schon in seiner Filmreihe präsen­tiert hat.