Der baltische Weg |
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Filmen um jeden Preis: Brücken der Zeit |
Von Hanni Beckmann
Nach der filmischen Reise in das östliche Mitteleuropa der Visegrád-Staaten geht es am Donnerstag gleich weiter gen Norden: mitten ins Baltikum. Das sind Estland, Lettland und Litauen, das Gebiet an der Ostsee zählt gleichermaßen, je nach Blickrichtung, zu Nord-, Mittel-, Ost- oder gar, weil man sich nicht entscheiden kann, Nordosteuropa.
Geopolitik findet hier jedoch nach der teilweise erfolgten »Russifizierung« und der neuerlichen Unabhängigkeit nach dem Zerfall des Ostblocks mehr auf dem Papier als in realen Zerreißproben statt. Alle drei Staaten sind seit 2004 Mitglieder der EU und verhalten sich, anders als ihre südlicheren Visegrád-Nachbarn, politisch unauffällig, demokratisch.
Die Menschenkette von 600 Kilometern Länge, mit der vor dreißig Jahren die Demokratie begann, um dem Wunsch nach Unabhängigkeit vom Sowjetreich ein eindrucksvolles Bild zu geben, ist Aufhänger der ersten Baltischen Filmtage. Unter dem Titel »Auf dem Weg in die Freiheit« stellt das Programm in nur drei Tagen zehn Filme vor, die allesamt etwas mit der demokratischen Entwicklung und der inneren, auch künstlerischen Freiheit der drei Ostsee-Staaten zu tun haben.
Die Kuratorinnen um Karin Lavda-Zoller (Vorsitzende der Estnischen Volksgemeinschaft München), die schon vor einigen Jahren die nun in den Baltischen aufgegangenen Estnischen Filmtage im Gasteig präsentiert hatte, gehen dafür auch in die Vergangenheit zurück. Im Programm finden sich neben aktuellen Filmen auch zwei Filme von Beginn der 2010er Jahre, zu denen jeweils Gäste erwartet werden.
Die lettische Komödie Dream Team 1935 (2011) erzählt das »Wunder von Genf«, als die lettische Mannschaft die erste Basketball-Europameisterschaft der Geschichte gewann. Die Tonlage ist unverhohlen ironisch: das kleine Land ist der Underdog im Gastgeberland und schafft es durch Unkonventionalität, alle zu besiegen. Inmitten des sich politisch verändernden Europas wird hier nicht mit nicht nur halbwitzig gemeinten Parallelen zur Zeitgeschichte gespart. (So, 17.3., 14 Uhr, zu Gast: Regisseur Aigars Grauba)
Litauen ist, wie das Baltikum insgesamt, ein Land der Lieder. Die Legende besagt, dass die Rockband Antis im Jahr 1984 aus einer Silvesterlaune heraus gegründet wurde. Dies erzählt uns auch Wie wir die Revolution anstimmten (2011) von Giedrė Žickytė. Mit kabarettartigen Auftritten hielt Antis der Absurdität der Sowjetrealität den Spiegel vor; eine Clownerie, die bald zur berühmten gewaltfrei ablaufenden »Singing Revolution« führte, der die Amerikaner James Tusty und Maureen Castle Tusty 2007 in ihrem gleichnamigen Dokumentarfilm ein Denkmal setzten. Algirdas Kauspedas, Gründer von Antis, ist zu Gast! (So, 17.3., 17 Uhr)
Eröffnet wird an diesem Freitag mit dem Kurzfilm Der baltische Weg (1990) über die oben erwähnte Menschenkette und daran anschließend Brücken der Zeit (2018), einem lettisch-litauisch-estnischen Dokumentarfilm von Kristine Briede und Audrius Stonys. Er zeigt, wie sich hinter dem Eisernen Vorhang in den 1960er Jahren eine avantgardistische Filmsprache ausbildete, die dem propagandistischen Film eine undidaktische Metaphorik und Assoziationsräume entgegensetzte und den Film von seiner politischen Vereinnahmung poetisch befreite. Im Anschluss an die filmische Zeitreise findet eine Diskussionsrunde zum Thema »Zwischen künstlerischer Freiheit und Zensur« statt. (Fr, 15.3., 18:30 Uhr, Moderation: Peter Hilkes, House of Resources der LMU München)
Vom Systemwechsel erzählt der estnisch-finnische Dokumentarfilm Rodeo (2018), der zurück in das Jahr 1992 geht, als sich Estland im Aufbruch befand. Mart Laar und seine jungen Idealisten versuchen, eine Demokratie aus dem politischen Chaos zu errichten. Der Film schildert diese Epoche des Umbruchs mit einer guten Portion Selbstironie. (Sa, 16.3., 14:30 Uhr)
Dass sich die Offenheit der Balten auch sexuell manifestiert, erfährt man in der lettischen Tragikomödie Swingers (2016). Zwei Paare stolpern in ein Liebesabenteuer und finden sich in einer kritischen Milieu-Studie wieder, die den Wettstreit von Liebe und Kalkül statt der Körper entblößt. (Sa, 16.03., 18:00 Uhr)
Das Baltikum hat viele Lieder, das wurde schon gesagt. Höhepunkt der Filmreihe ist so vermutlich auch das Konzert, das am Samstag im Anschluss an den estnischen Dokumentarfilm Das vom Wind geformte Land (2018) gegeben wird. Nach den elegischen Landschaftsbeschreibungen des Films, der einem die Strände, Wälder, Moore, Felsen, Flüsse und Seen nahebringt, ist man genau in der richtigen Stimmung, den Liedern und Harfenklängen von Mari Kalkun zu lauschen. (Sa, 16.03., 20:00 Uhr)
Alle Vorstellungen finden im Carl-Amery-Saal des Gasteigs statt, Rosenheimer Str. 5, 81667 München.
Tickets gibt es zu 7 € bei München Tickets
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