Kinos in München – Studio im Isabella
Die Filmkunstwiege |
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Dinosaurier sterben nicht – das Studio Isabella | ||
(Foto: Studio Isabella) |
Mit freundlicher Unterstützung durch das Kulturreferat München
Filme werden fürs Kino gemacht, hieß es mal in einer Kampagne. Weil dies im Zeitalter von Streamingdiensten und erhöhten Kinomieten mehr denn je keine Selbstverständlichkeit mehr ist, stellen wir hier besondere Kinos in München vor, die unbedingt einen Besuch wert sind.
Von Dunja Bialas
Ein unscheinbares Kino, das Studio Isabella. Es befindet sich relativ versteckt in einem Winkel in der Münchner Maxvorstadt, an der Ecke von Neureuther- und Isabellastraße. In dem aus dem vorletzten Jahrhundert stammenden Wohnhaus liegt das Kino hinter einer für München ungewöhnlichen Holzfassade direkt im Erdgeschoss. An der Hauswand angebracht sind große Schaukästen, in denen man die Urkunden der zahlreichen Programmpreise bewundern kann, die das Isabella in den Jahrzehnten angehäuft hat. In Kino-Nachbarschaft wohnten einst die Cineasten von morgen, meist waren es Studenten, die damals noch nicht »Studierende« hießen. Sie gingen zahlreich in das Kino, das Studio Isabella hatte magische Anziehungskräfte. Heute verströmt es mit seinem seit den 1980er Jahren nahezu unveränderten Ambiente den typischen, leicht verkommenen Charme kleiner Pariser Kinos, wie das Accattone oder das Studio des Ursulines. Louis Anschütz ist der Betreiber dieses wie in der Zeit versunkenen Filmtheaters, und wie sein Haus ist auch er eng mit der Kinogeschichte Münchens verbunden. Eine Geschichte, die tatsächlich bald Geschichte sein wird, wenn sich in der Stadt nicht doch noch ein cineastischer Ruck in Richtung Bestandserhaltung ergibt.
Louis Anschütz trat das Erbe des großen Kino-Pioniers Fritz Falter an, als es um die Kinos bereits schlecht stand. Immer mehr Schuhschachtelkinos, Vorläufer der großen Multiplexe, machten sich breit, als er Geschäftsführer und Programmgestalter des Isabella wurde. Das Kino mit nur einem Saal gehört zu einem seitdem auslaufenden und betrieblich schwer zu erhaltenden Geschäftsmodell. Zum Hundertjährigen gibt es also leider nicht nur Positives zu vermelden, das lässt Anschütz im Gespräch durchblicken, in das er immer wieder seinen mit Sarkasmus gewürzten Humor einstreut. Aber wer könnte ihm das »Früher war alles besser« schon verübeln?
Anschütz war einmal Inhaber einer Gesellschaft mit dem klingenden Namen »Gut Licht, gut Ton und volle Kassen«, die auch das Türkendolch, das Filmcasino, das Neue Rottmann und das Neue Arena betrieb. Das prachtvollste seiner Häuser, in »einmaliger« Lage, wie Anschütz schwärmt, war das Filmcasino, das 2010 einem Club weichen musste. Nicht nur von horrend hohen Mieten war damals die Rede, auch von einer mumifizierten Leiche, die mysteriös hinter der Kinoleinwand lag. Das Türkendolch, eine Hochburg des Studentenkinos mit charakteristischem Schlauch-Saal, war schon 2001 einer Boutique gewichen. Im selben Jahr hatte er das Rottmann an Rex- und Cincinatti-Betreiber Thomas Wilhelm abgegeben. Anschütz' kleines Imperium der Filmkunstkinos, zu denen bis Mitte der 1980er Jahre auch das Neue Arena gehörte, schrumpfte so vor fast zehn Jahren schlagartig auf einen Saal. Es brachen harte Zeiten an, die Digitalisierungswelle tat ihr übriges.
Das war die analoge Zeit, als es noch 35mm-Filme gab und Filmstreifen zum Anfassen. Auch heute noch hat Anschütz im Isabella einen analogen Phillips SP30-Projektor in seinem Kino stehen, wird ihn aber wohl nicht mehr einsetzen. Die Kopien- und Rechtelage gebe das nicht mehr her. »Entweder sind die Rechte bei Todesstrafe verboten, oder man bekommt überhaupt nichts«, sagt er in seiner leicht defätistischen Art. Das digitale Zeitalter hat in dem Kino alter Filmkunst die Spuren der Absenz hinterlassen. Nicht nur, dass die Ansprüche an Technik und Komfort mit der Zeit gestiegen sind, auch das Freizeitverhalten der Studenten hat sich in Richtung Biergarten verlagert, weg von dem existentialistischen Esprit, der einst die jungen Leute ins Kino spülte. Harold und Maude war Anfang der 1970er Jahre der erfolgreichste Film des Isabella. Den je 500. Besucher erwartete eine Cat-Stevens-LP mit der Harold und Maude-Filmmusik, wie in »Neue Paradiese für Kinosüchtige« nachzulesen ist. Das war zwar noch zu Zeiten von Fritz Falter, aber auch Anschütz kannte noch die »vollen Kassen«, nach denen er seine GmbH benannt hatte. Zum 100. Jubiläum seines Kinos bringt er noch einmal den Leinwandzauber von Harold und Maude ins Kino zurück, am 28.7., um 20:30 Uhr.
Am 12. Juli 1919, gut ein halbes Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, eröffneten die Isabella-Lichtspiele. Es war ein Kino, das die Bewohner des Viertels mit Filmen versorgte, wie es zu dieser Zeit viele gab. Ein einfaches Kino des Alltags, anders als das über hundertjährige Sendlinger-Tor-Filmtheater, das als prächtiger Kinopalast gebaut worden war. Schon 1954, im Jahr, als Fritz Falter auch die Filmkunstwochen aus der Taufe hob, wurde das Isabella mit einer Cinemascope-Breitwand ausgestattet. 1961 übernahm dann Falter und nannte es, analog zu seinem Occam-Studio, dem ersten Programmkino der BRD, Studio Isabella. Als »Versuchsbühne« sorgte es fortan mit Filmen des neuen europäischen Autorenkinos für cineastische Entdeckungen. Eine Tradition, die Anschütz auch heute aufrecht erhält, mit ausgesuchten Filmen in der »OmU«-Fassung und dem immer mittwochs stattfindenden spanischen Kino, wo er mit der Münchner Gruppe »CineEspañol« kooperiert.
Seinen Saal hat Anschütz, seit er das Kino übernahm, nahezu unverändert gelassen. Nur die Stühle, die aus dem Isabella einst einen Ort des »stolzen und unbequemen Sitzens für die wahre Filmkunst« machten, wie sich Anschütz erinnert, tauschte er durch gepolsterte Kinett-Sessel aus, »„Bravo“ heißt der. Das ist wie ein Theatersessel«, sagt Anschütz bei der Ortsbegehung. Seit den 1980er Jahren hat er sie für viel Geld gekauft, heute wird ausgebessert. Wo das neue Astor im Arri mit aufwändiger Lichtshow herumprahlt, übt sich das Isabella in Ironie. An der dunklen Wand entfaltet sich ein echtes Eighties-Feeling mit frühen LED-Lichtspielen. Eine blaue Leuchtstoffröhre umrahmt die Leinwand, auch dies ein Gruß aus der vergangenen Moderne.
»Wenn man hier was machen will, dann muss man fast alles machen. Man kann hier nicht einfach nur so ein bisschen rumbasteln«, kommentiert Anschütz den Zustand seines Kinos, aber er kann sich auch immer noch freuen an den Leuchtstoffröhren, den roten Sesseln, der kleinen verspielten Lichtschau. Der viel beschriebene »Investitionsstau« der Kinos, der sich flächendeckend auf Bundesebene zuträgt und zu einschlägigen Vorschlägen für die anstehende Novellierung des Filmförderungsgesetzes geführt hat, die Kulturstaatsministerin Monika Grütters derzeit in Expertenrunden diskutiert: Hier ist er sichtbar. Außerdem steht die zweite Digitalisierungswelle ins Haus. Wie nur das alles schultern?
Auch angesichts des jetzt mit finanzstarken acht Millionen Euro auf »State of the art« gebrachten Arri-Kinos, das sich jetzt »Astor im Arri« nennt, fragt Anschütz ganz offen: »Wir werden sicher nicht weitere 100 Jahre überleben, nicht 50. 20? 10? Noch 1 Jahr???« Für das Ein-Leinwand-Kino werde es vermutlich kaum jemanden geben, der noch richtig in den Betrieb einsteigen will. Das neue Arri, mit dessen Betreibern er sich in der Vergangenheit stets über die zu spielenden Filme abgestimmt hatte, hat jetzt spürbare negative Auswirkungen fürs Isabella: »Die Leute gehen in der Woche, im Monat nur in so und so viele Filme. Das wird jetzt einfach abgesaugt. Dann habe ich weniger Besucher, auch wenn der [Geschäftsführer Hans-Joachin Flebbe] ganz andere Sachen spielt. Dann gehen mir die deutschen Filme futsch, der spielt alle deutschen Filme. Der Junge muss an die frische Luft hätte ich auch gerne gespielt.«
Anschütz weiß aber auch, dass viele auch sein »renovierungsbedürftiges Kino«, wie er selbst sagt, lieben. Oft aber nur grundsätzlich. Der letzte Besuch liegt meist schon länger zurück, erfährt er, wenn er nachfragt. Dabei ist es wie bei den Tante-Emma-Läden: Bei ihrem Verschwinden war das Gejammer groß, eingekauft wurde aber bei den Supermarktmogulen. Als Anschütz sieht, wie sich eintreffende Gäste mit der hundertjährigen Flügeltür abmühen, setzt er humorig nach: »Ich hätte doppelt so viele Zuschauer, wenn die Leute wüssten, wie man durch diese Tür reinkommt.«
100 Jahre Studio Isabella
Straßenfest zum Geburtstag am 24.7.2019 ab 17 Uhr
Anschließend: Eröffnung der 67. Filmkunstwochen München
mit Pedro Almódovars Leid und Herrlichkeit (OmU, Preview)
Restkarten unter 089 / 271 88 44
Bei den 67. Filmkunstwochen zeigt das Studio Isabella eine kleine Retrospektive mit ausgesuchten Filmen von Almódovar, darunter auch Raritäten wie Pepi Luci, Bom und der Rest der Bande (Mittwoch, 31.7., 18:30 Uhr, OmU), Matador (Mittwoch, 7.8., 18:30 Uhr, OmU) und Labyrinth der Leidenschaften (Mittwoch, 14.8., 18:30 Uhr, OmU).
Literatur:
– »Neue Paradiese für Kinosüchtige – Münchner Kinogeschichte 1945 bis 2007«, hg. von Monika Lerch-Stumpf mit HFF München, Dölling und Galitz Verlag, 368 Seiten, 42 Euro.