19.05.2014
67. Filmfestspiele Cannes 2014

Grace Kelly und die Geburt des Neoli­be­ra­lismus

Nicole Kidman als Grace of Monaco
Ist das noch der Film, oder ist das schon Cannes und die Kusshand auf dem roten Teppich? Nicole Kidman als Grace of Monaco
(Foto: Universum/Squareone / The Walt Disney Company (Germany) GmbH)

Wie aus Grace Kelly Grazia Patrizia wurde und Monaco zum Modell der Welt, sowie die Frage ob sich Cannes im Sinkflug befindet? – Cannes-Notizen, erste Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Das prak­ti­sche Wissen besteht in der Verstel­lungs­kunst«
Gracian (1601- 1658)

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Man könnte diesen Film recht einfach und bündig auf einen Punkt bringen: Im Grunde geht es nur darum, dass reiche Leute keine Steuern zahlen wollen. Und wie der Film es schafft, dass das breite Publikum, in seiner Mehrheit vermut­lich keine Reichen, das schluckt und der Haupt­figur dabei noch applau­diert, das ist schon bemer­kens­wert.

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Olivier Dahans Grace of Monaco, mit dem am Mitt­woch­abend zum 67. Mal die Film­fest­spiele von Cannes eröffnet wurden, handelt irgendwie angeblich von Grace Kelly, jener ameri­ka­ni­schen Bauun­ter­neh­mers­tochter, die vor 58 Jahren in Cannes mit Alfred Hitchcock Über den Dächern von Nizza drehte. Einmal entsteigt sie in diesem wunder­baren Film wie eine Venus dem Meer, und in die Arme Cary Grants. Tatsäch­liche landete sie bald in denen des mone­gas­si­schen Fürsten Rainier, der sie zur Fürstin Grazia Patrizia machte.

Dahans Film, der sich im Übrigen nur lose an die histo­ri­schen Fakten hält, konzen­triert sich auf eine sehr bestimmte Episode in der Geschichte Monacos: m Sommer 1963 kam es im Zuge einer poli­ti­schen Krise zwischen Frank­reich und Monaco zu einer mehr­wöchigen Wirt­schafts­blo­ckade, die die Unab­hän­gig­keit Monacos bedrohte – nicht zuletzt einer inter­na­tio­nalen Charme­of­fen­sive der Ex-Schau­spie­lerin auf dem Fürs­ten­thron ist es zu verdanken, dass sich die öffent­liche Meinung zu Gunsten Monacos wendete, und Frank­reichs Präsident de Gaulle zum Nachgeben zwang. Der Film sugge­riert, dass Grace damit auch eine Ehekrise mit Rainier kurierte, und erst zu jener Zeit aus dem ameri­ka­ni­schen Star, die immer am erzwun­genen Abschied von Hollywood litt, die Fürstin Grazia Patrizia wurde, die ganz in ihrer öffent­li­chen Rolle des Reprä­sen­tie­rens aufging.

Grace of Monaco hat vieles, was der Eröff­nungs­film eines solchen Festivals braucht: Dies ist eine Schmon­zette mit Hofin­trigen und Liebes­leid aus dem Reich der oberen Zehn­tau­send, gefäl­ligen Bilder vor der Traum­ku­lisse der Cote d’Azur und des Fürs­ten­schlosses, leidlich Unter­hal­tungs­wert und vielen Stars. Der mit Abstand beste ist Tim Roth als Fürst Rainier, auch Frank Langella und Paz Vega (als Maria Callas) über­zeugten; Nicole Kidman selbst ist eher ein Schwach­punkt – was auch daran liegt, dass sich vor ihr Bild – und sie ist natur­gemäß fast unun­ter­bro­chen zu sehen – immer wieder das Antlitz' Grace Kellys legt. Da hat Kidman, dann nicht nur als Darstel­lerin das Nachsehen.

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Am Morgen vor der Anreise bekam ich eine Mail von Dana aus den Nieder­landen: Was ich eigent­lich von Grace Kelly halte. Meine spontan hinge­rotzte Antwort: »With 12 I was in love with her, with 15 I loved her daughters, today I like her for beeing a bitch in a crystal castle and hate to think of Nicole Kidman playing her and even more of ??? playing Cary Grant...«

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Einzu­wenden ist gegen den Film vor allem, dass er über weite Strecken lang­weilig ist, sich oft in Schau­werten erschöpft und alles in allem wirkt, wie die Film­ver­sion jener gold­gelben Blätter, die so tun, als müssten sich normale Menschen ernsthaft die Problem­chen der Reichen und Blau­blü­tigen zu eigen machen. Regisseur Dahan hat in La môme, der Film­bio­gra­phie Edith Piafs bereits bewiesen, dass er ein Händchen für die Darstel­lung berühmter Frauen hat. Auch hier präsen­tiert er die Geschichte von Grace Kelly vor allem als das Schicksal einer Frau, für die ein Märchen wahr wird, und die dann erkennen muss, dass dieses gar so märchen­haft dann doch nicht ist. Grace muss sich zur Anpassung entschließen, lernt Fran­zö­sisch, befolgt die verhasste Hofeti­kette und ist wieder nett zu ihrem launi­schen Gatten. Diesen Prozess der Selbst­dis­zi­pli­nie­rung und -beschei­dung verkauft der Film als positive Reifung. Mädchen, die erwachsen werden wollen, müssen gefäl­ligst als erstes das Träumen lassen – so versucht konser­va­tive Kunst seit jeher das Publikum zu erziehen.

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Alles ist also nicht viel anders, als die Schmon­zetten über leidende »starke Frauen« zur Prime Time bei den Öffent­lich-Recht­li­chen, jene Filme in denen Maria Furt­wängler, Christine Neuge­bauer, Veronika Ferres und zur Not auch Iris Berben die Haupt­rollen spielen: betrogene, verlas­sene, verwit­wete oder sonstwie gefallene Frauen, die ihr Leben dann selbst­be­wusst auf die Reihe kriegen und mit denen sich das Publikum, das überhaupt noch Fernsehen guckt, also das vorwie­gend weibliche, vorwie­gend über 50-jährige, iden­ti­fi­zieren soll.

Konse­quent zu Ende gedacht fragt man sich jetzt nur noch, ob als nächstes Nicole Kidman dann von Veronika Ferres gespielt wird, oder umgekehrt, oder ob Maria Furt­wängler in der Verfil­mung ihrer Ehe mit Hubert Burda selbst die Haupt­rolle übernimmt (wer spielt dann eigent­lich Hubert Burda?), oder viel­leicht doch eher Veronika Ferres' Ehe mit Carsten Maschmeier verfilmt wird – bestimmt mit Nicole Kidman als Ferres, Furt­wängler könnte dann Bettina Wulff spielen. Ist aber eigent­lich auch egal, denn beides würde wohl eher nicht in Cannes laufen. Eine drei­tei­lige Soap von Oliver Berben mit dem Titel »Die Grimaldis«, in der Iris Berben als Grazia Patrizia und Mark Waschke als Fürst Rainier und Kai Wiesinger als Cary Grant zu sehen sind, soll aber vom ZDF bereits fest als Doku-Fiction auf dem Geschichts­platz einge­plant sein – der »Anne Frank«-Sende­platz ist ja jetzt wieder frei.

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»The idea of my life as a fairy-tale is itsself a fairy-tale«, hat Grace Kelley angeblich gesagt. Der Film beginnt als Film im Film mit der Re-Insze­nie­rung einer Tech­ni­color Rück­pro­jek­tion. Man sieht den Star, wie einst die US-Präsi­denten im Hollywood-Film nur von hinten. Es wird klar, dass »Filmstar!« mal etwas anderes, Mythi­scheres bedeutete, als heute.

Dann sind wir im Jahr 1961: Grace ist eine frus­trierte Frau, die ihren Frust mit gefähr­li­chem Auto­fahren auf den Serpen­ti­nen­straßen der Cote rauslässt – kleiner hint auf ihren späteren Tod.
Sie leidet unter der bösen Hofeti­kette, den bösen Franzosen, die nicht richtig Englisch können – und allmäh­lich entspinnt sich eine Palast­in­trige auf Courths-Mahler-Niveau: »This is a heartless kingdom.« ... »At a certain point, every fairy-tale must end.« Schließ­lich wird weiter an dieser Illusion gesponnen, dass in Palästen und auf Gala­di­ners noch irgend­etwas entschieden wird.
Zusam­men­ge­fasst: Grace of Monaco ist ein unaus­ge­wo­gener Bilder­bogen, der außer Design und Retro-Seligkeit kein Thema hat.

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Daneben handelt der Grace-Kelly-Film aber auch vom Anfang des Neoli­be­ra­lismus: Einmal sagt Fürst Rainier hier in höchster Bedrängnis den Satz: »Today it’s business for business.« Der Staat habe sich nicht länger einzu­mi­schen. Aber warum eigent­lich? De Gaulle hatte völlig recht, es nicht länger zu akzep­tieren, dass Franzosen den Zwerg­staat Monaco als Steu­er­pa­ra­dies benutzen.
Dieser Moment des Fürsten, und die deutliche Tendenz des Films, für seine Position unsere Sympa­thien zu werben, ist entschei­dend. Man muss das gar nicht verur­teilen, denn man kann sehr wohl darüber verschie­dener Ansicht sein, wie alles gemeint ist. Denn es ließe sich argu­men­tieren, der Film stelle alles bereit, um die richtigen Schlüsse zu ziehen: Denn er benennt die Absichten der Reichen. Er zeigt uns, dass es hier nicht um Richtig und Falsch, um Gut und Böse geht, sondern um die Mani­pu­la­tion der Öffent­lich­keit durch die PR-Kampagne einer Fürstin, die eine schöne Frau und eine profes­sio­nelle Darstel­lerin ist – auch die der Fürstin. Es geht um Verlo­gen­heit: Falsche Gesten, falsche Sprache. Um Täuschung. Ein System der Täuschung und das Kino, das essen­ti­eller Teil davon ist. Und um ein »Volk«, das dumm genug ist, sich durch ein paar ange­lernte Gesten und ober­fläch­liche Maskerade, zudem durch »das Höfische« an sich täuschen zu lassen.
Natürlich richtet der Film das Publikum aber auch darauf ab, eben diesen Täuschungs­ap­parat, der dazu erfunden wurde, es zu belügen, auch noch gut zu finden.

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Es gibt aber Gegen­ar­gu­mente gegen solch eine mora­li­sie­rende Lesart: Denn Täuschung und Lüge müssen ja nicht per se etwas Böses sein. Im Gegenteil: Sie sind Teil des Lebens, sie haben oft ihr Gutes – und sei es nur, dass sie Trost spenden. Camou­flage, Taktik und Verstel­lung gelten zwar als Makel und kommu­ni­ka­tiver Betrug. Aber jeder von uns wendet sie an und kennt ihr Gutes. Gerade das, was Grace hier lernt, die Kunst der Verstel­lung, die Kunst, öffent­lich einen Anschein zu erwecken, der der Wahrheit nicht entspricht, wurde in der Kultur­ge­schichte der europäi­schen Moral oft als Tugend angesehen. Denn es ist Künst­lich­keit, also Design des Selbst, das den Mensch vom Tier unter­scheidet. Wie will auf die Frage: »Wie geht es Ihnen?« schon eine ehrliche Antwort hören. Sie ist Konver­sa­tion, und auch Konver­sa­tion ist bekannt­lich Kunst, nicht Natur. Das was die Deutschen »ehrlich« nennen, nennen viele Nicht­deut­sche grob und unhöflich. Angeblich soll man zwar heute authen­tisch sein – aber das kann ja wohl keiner ernst meinen. Die Echtheit von Ausdruck und Verhalten, die den Kindern der Talk-Show-Gesell­schaft als regel­rechte Norm gepredigt wird, ist oft genug nur störend.

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Alles in allem ist das auch zu schön, um wahr zu sein. Und dies wiederum passt zum so über­hitzten wie faszi­nie­renden Cannes-Betrieb hervor­ra­gend: Die große Illusion ist nicht nur ein Film von Renoir, sondern auch alle Jahre wieder das heimliche Thema Mekka im des Kinos, zu dem Künstler, Stars und der Rest des Film­be­triebs in Scharen pilgern. Es stimmt ja einfach alles, was über Cannes gesagt wird, auch das Negative, aber eben das andere auch, und ein Blick aufs Programm genügt, und man weiß spätes­tens dann wieder, warum man hier ist.

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Bis wir hinkamen, hatten wir aller­dings einen windigen Hinflug mit ziemlich viel Gewackel zu über­stehen. Beim ersten Lande­an­flug müssen wir durch­starten. Kurze Gefühle der Unsi­cher­heit. Weit entfernt zwar von Angst, aber so ein: »Wenn wir jetzt abstürzen würden.« Und Gedanken daran, war das eigent­lich für ein Leben war, was davon so bleibt, und wozu es wohl gut ist... Elf Mal Cannes. Wie schnell sich die Vertraut­heit des Fliegens – »wie Busfahren« sagte meine Mutter früher immer, die immerhin Stewar­dess war – sich in Luft auflöst. Der zweite Lande­an­flug führt auf ganz niedriger Höhe, fast der der oberen Geschosse, dann an Nizzas Bai des Anges vorbei. Man denkt an Jacques Demy, beim »Hotel Negresco« fällt einem selbst­ver­s­tänd­lich Klaus Lemke ein, und dann natürlich noch »The Zoo Gang«, jene geniale Fern­seh­serie aus den 1970ern, die immer noch ein Geheimtip ist. Alt gewordene Resis­tance-Kämpfer gegen getarnte Nazis, weniger als 30 Jahre nach Kriegs­ende recht plausibel. Mit dabei: Lili Palmer. Meine Lieb­lings­folge ist »The Twisted Cross«, schon allein wegen des Titels. Darüber muss ich nochmal länger schreiben, aber wer es nicht abwarten kann, für den steht alles auf Youtube.

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Abge­stürzt sind wir dann doch nicht, und ich werde mein zwölftes Cannes erleben. Im Bus mit Jupp, der im gleichen Flieger war, gleich schon Violeta aus Barcelona und die anderen Spanier. Anlass, gleich statt über Filme über Fußball zu reden, noch nicht World Cup, sondern die spanische Meis­ter­schaft, in der Athletico Madrid als erster gegen Barcelona als zweiter einen Punkt holen muss – in Barcelona. Und das Cham­pi­ons­le­ague-Finale zwischen Athletico und Real Madrid. Kann ich Violeta sagen, dass ich eigent­lich auch schon Samstag für Athletico bin?

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Zwei Tage später war der Flug von Berlin voller Film­men­schen – und wäre um ein Haar gar nicht gelandet. Streik in Nizza. Ein paar Tage später spinne ich mit Ulrike, die auch im Flieger war, ein bisschen herum, was es wohl für Auswir­kungen auf den deutschen Film gehabt hätte, wäre dieser Flieger abge­stürzt. Nicht nur schlechte – oder darf man solche Party­scherze jetzt noch nicht mal hinschreiben?

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Was steht uns bevor in den nächsten zwei Wochen? Die 67. Ausgabe hat von Beob­ach­tern nicht allzu­viele Vorschuß­lor­beeren bekommen. Als Mitte April das »Lineup«, also die dies­jäh­rigen Wett­be­werbs­filme bekannt gegeben wurden, war die Reaktion sehr verhalten gewesen, sehr mau. Manche erin­nerten sich daran, dass man in Deutsch­land jetzt schon mit 63 Jahren in Rente geschickt wird, und das Wort von den »Usual Suspects«, den »üblichen Verdäch­tigen« machte die Runde: Allein die belgi­schen Brüder Dardennes und die Briten Mike Leigh und Ken Loach haben zusammen schon vier Goldene Palmen gewonnen. Dagegen gewann der 83-jährige Jean-Luc Godard noch nie. Er wäre der älteste Palmen­ge­winner aller Zeiten.

Allemal ist die dies­jäh­rige Selection ein Rendevous der arri­vierten Namen. Viele Teil­nehmer scheinen sowieso in Abon­ne­ment für den Wett­be­werb zu haben. Viele Filme zudem konzen­trieren sich auf die Ernied­rigten und Belei­digten der Welt, die Mühse­ligen und Beladenen, auf hässliche Menschen in noch häss­li­cheren Verhält­nissen – quasi als Kontra­punkt zum Glamour­be­trieb von Cannes: Jean-Pierre und Luc Dardenne, Ken Loach und Mike Leigh.

Unor­tho­do­xeres zumindest darf man von Atom Egoyan und David Cronen­berg erwarten. Der Kanadier Cronen­berg war bereits acht Mal in der »Offi­zi­ellen Sektion« einge­laden – gewonnen hat er noch nie. Der inzwi­schen 71-jährige Viel­filmer mit immer noch jugend­li­chem Gemüt und Hang zu Wissen­schafts- und Medien-Horror­ge­schichten unter­nimmt in seinem neuen Anlauf etwas Unge­wohntes: Bei Maps to the Stars handelt es sich um eine Satire über den Film­be­trieb – das klingt nach einem idealen Film für Cannes. In den Haupo­trollen sind unter anderem Carrie Fisher (einst »Prin­zessin Leia« in Star Wars) und Robert Pattinson (einst Vampir­schön­ling und Teenie-Schwarm in Twilight). Sein Landsmann Atom Egoyan lässt in The Captive eine Kindes­ent­füh­rung das geordnete Alltags­leben der Figuren in einen Albtraum verwan­deln.
Auch sonst: Naomi Kawase, Olivier Assayas, Nuri Bilge Ceylan sind tolle Filme­ma­cher – aber wirkliche Spannung kommt da nicht auf, man hat den Verdacht, all diese Leute hätten ihre besten Tage womöglich schon hinter sich.

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Und die Frage stellt sich, wie das mit Cannes selber aussieht. Könnte die Berlinale, mit einem besseren, cine­phi­leren Leiter nicht womöglich zur Konkur­renz werden? Und Venedig mit besserer Logistik?

Könnte es nicht sein, dass sich auch dieses Festival in leichtem Sinkflug befindet? Könnte die dies­jäh­rige Cannes-Auswahl nicht dafür sprechen, dass Cannes derzeit die Fähigkeit verloren hat, etwas zu entdecken? Dass Godard im Wett­be­werb gezeigt wird, ist toll und richtig. Aber wo läuft der Godard der Zukunft?

Nicht im Wett­be­werb jeden­falls. Ein Blick aufs Programm macht klar, dass fast alle Teil­nehmer auch vor zehn Jahren eine »obvious choice« im Programm gewesen wären. Im Gegensatz zu den Jahren 2003 oder 2004. Blicken wir mal auf das Programm jener Jahre (an die ich mich erinnere, denn es waren meine ersten vor Ort): 2003 bot Matrix Reloaded, Dogville, Elephant, Werke von Nuri Bilge Ceylan, Samira Makhmalbaf, Haneke, etc. 2004 (in meiner Erin­ne­rung eines der aller­besten, wenn nicht das beste Jahr, das ich erlebt habe) liefen 2046 von Wong Kar-wei, Nobody Knows von Hirokazu Kore-eda, Oldboy von Park Chan-wook, sowie Filme von Olivier Assayas, Paolo Sorren­tino, den Coen-Brüdern, Kusturica, Lucrecia Martel, Agnès Jaoui, Mamoru Oshii, Apichat­pong Weer­a­set­hakul, Walter Salles, Michael Moore, Hans Wein­gartner, Zhang Yimou.

Oder nehmen wir 1999. Ein unglaub­li­ches Lineup: Es liefen 8 1/2 Frauen von Peter Greenaway, Alles über meine Mutter von Pedro Almodóvar, Felicia, mein Engel von Atom Egoyan, Ghost Dog – Der Weg des Samurai von Jim Jarmusch, L’Humanité von Bruno Dumont, Pola X von Léos Carax, Kikujiros Sommer von Takeshi Kitano, Limbo von John Sayles, Moloch von Alexander Sokurow, The Straight Story von David Lynch, Rosetta von Jean-Pierre und Luc Dardenne, Die wieder­ge­fun­dene Zeit von Raúl Ruiz, Wonder­land von Michael Winter­bottom, sowie Filme von Marco Belloc­chio, Manoel de Oliveira, Amos Gitai, Chen Kaige, Arturo Ripstein.

Fazit: Das Festival hat seit damals erheblich nach­ge­lassen, und ist in den letzten fünf Jahren nicht so stark wie zuvor. Vor allem hat es zur Zeit seine Fähigkeit verloren, Entde­ckungen zu machen, neue Regis­seure nach oben zu kata­pul­tieren. Entde­ckungen macht man derzeit in den Nebensek­tionen.

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Es gibt aller­dings noch eine andere Erklärung: Im letzten Jahrzehnt sind die Filme einfach nicht so gut, wie im Jahrzehnt zuvor.