Deutschland 2006 · 95 min. · FSK: ab 12 Regie: Dani Levy Drehbuch: Dani Levy Kamera: Carl F. Koschnick, Carsten Thiele Darsteller: Helge Schneider, Ulrich Mühe, Sylvester Groth, Katja Riemann, Adriana Altaras u.a. |
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Lachen über Hitler? |
Mozart war, das ist eindeutig belegt, ein begeisterter Reiter und ein großer Freund des Pfeiferauchens. Können Sie sich Mozart auf einem Pferd und mit Pfeife vorstellen? Freilich nicht. Weil seit Generationen Mozart nur mit Puderperücke, am Klavier, als erdenferner Götterliebling oder bestenfalls genialischer Prä-Punk abgebildet und beschrieben und inszeniert wurde und wird.
Die Bilder, die wir von historischen Gestalten haben, sind eine mächtige Sache. Sie prägen, ob wir wollen oder nicht, unsere Wahrnehmung, unsere Einstellung, unsere Emotionen. Ein Adolf Hitler in Unterhosen oder beim Scheißen ist uns so fremd und schwer vorstellbar wie ein schmauchendes Wolferl hoch zu Ross. Obwohl das Dolferl aller Wahrscheinlichkeit nach mindest einmal täglich in seinem Leben im Feinripp dastand oder ein Häuferl machte. (Historiker mit Kenntnis über Verdauungsstörungen des selbsternannten Gröfaz mögen mich korrigieren.)
Mein Führer ist – oder wollte ursprünglich zumindest mal sein – ein Film gegen die Bilder von Hitler in unseren Köpfen. Das ist wichtig und wesentlich, und es unterscheidet ihn prinzipiell von den beiden großen Klassikern der Anit-Nazi-Komödien, Lubitschs To Be or Not to Be und Chaplins The Great Dictator, die aktuelle Filme gegen den realen Hitler waren.
Und bei allem Für und Wider, das sonst jetzt, ob berechtigt oder nicht, um diesen Film toben mag, muss man das zuallererst festhalten: In dieser Hinsicht ist Mein Führer ein notwendiger Film.
Denn in dem Maß, in dem Guido Knopp-Dokumentationen und bildungsbürgerlich-brav-gediegene, anliegengeschwängerte Dritte-Reich-Filme (inzwischen
nicht mehr als ein pures Genre) bei den heutigen Generationen die lebendige Erinnerung oder die Zeugenerzählung ersetzen, in dem Maß erlangt auf gruselige Weise wieder die Selbstdarstellung der Nazis die Imaginations-Lufthoheit: Beide, Knopp-Dokus wie übliche Dritte-Reich-Filme mit Oscarambitionen, bedienen sich als visuelle Quellen zuallererst bei dem erhaltenen Original-Bildmaterial. Und das war nun zum größten Teil von den braunen Meistern der Propaganda selbst
inszeniert. Da ändert hier ein bisschen Zeitlupenverfremdung, da ein bisschen dräuende Musikuntermalung nicht viel.
Resultat ist, dass die Nazigrößen und ihre Schafsherde in unseren Köpfen trotz allem sonstigen Wissen ikonographisch überwiegend in ihren selbstgewählten Posen der Macht, Überlegenheit und der Drohung sich eingenistet haben. Resultat ist eine bedenkliche Faszination für dieses Böse, die sich nicht nur in Eichinger-produzierten BUNKER-Filmen
offenbart.
Aber das war ja immer das Gefährliche an Nazi- und Neonazitum: Dass es verunsicherten, schrumpfgeistigen Würmchen, die nichts in sich tragen, was ihnen eine erträgliche Identitätsstiftung erlaubt, das Angebot macht, ihnen durch Uniformierung, Drohgestik und Gewaltausübung gegen beliebige, sinnfrei konstruierte Feindbilder ein Gefühl von Ich und Überlegenheit aufzubauen.
Egal, wie sehr er sich inhaltlich davon distanziert: Wer diese Bilder, Posen, Gesten
und deren Ästhetik einfach perpetuiert, statt sie zu dekonstruieren, der arbeitet ihnen nur zu.
Mein Führer zeigt keinen Hitler in Unterhosen oder beim Scheißen, aber immerhin einen im Trainingsanzug oder in der Badewanne, neben dem Speer auf dem Klodeckel hockt.
Doch wie so vieles an diesem Film ist das letztlich zuwenig.
Das geht los mit der kongenialen Idee, Helge Schneider, den letzten großen Verweigerer in der heutigen deutschen Kulturlandschaft, als Hitler zu besetzen. Nur, um ihn dann prompt von der Augenlinie abwärts unter einem Klumpen
Kunststoffmaske zu begraben – einer zweifelhaften, halbgelungenen »Ähnlichkeit« willen, als ob nicht (siehe auch Attack of the killer tomatos) alles, was es braucht, um einen beliebigen Menschen in eine als Hitler erkennbare Figur zu verwandeln, eben nur der blöde Bart und der geschissene Scheitel wären. (Das wäre überhaupt eine schöne Idee für einen Hitlerfilm: Einer, in dem Adolf von einer wechselnden Riege – von Bruno Ganz über unbekannte
Laienmimen bis zur nigerianischen Putzfrau – dargestellt und die Identität einfach durch angepappten Schnurrbart und Scheitel hergestellt würde. Aber ich schweife ab...)
Es gibt EINE wirklich großartige Szene in Dani Levys Film: Da schaut Helge-Hitler mit Eva Braun (Katja Riemann) Super8-Homemovies – Originalaufnahmen aus dem Privatarchiv des echten Adolf. Und Helge improvisiert dazu an der Heimorgel ein Ständchen für Eva. Da ist Mein Führer in seinem Zentrum angekommen, da wird er wirklich zur gewagten, subversiven – und offenen – Auseinandersetzung der Bilder. Da ist er ein Hitler-Film von und für
heute.
Ich habe keine Ahnung, wieviele solch ähnlicher Szenen dem berüchtigten Neuschnitt nach einer Testvorführung zum Opfer gefallen sind. Aber mir nagt das Gefühl am Gemüt: einige. Und ich beweine insgeheim jede einzelne.
(Nebenbei bemerkt beweist es einmal mehr, wie verehrungswürdig Helge Schneider ist, dass er sich nicht an die Betriebsgepflogenheiten hält und als Darsteller nach Drehschluss von Promo-Tour bis DVD-Bonusmaterial immer nur erzählt, wie das doch die
schönste Arbeit seines Lebens war und alle sich nur wahnsinnig toll verstanden und einen solchen Spaß gehabt haben und das Ergebnis naTÜRlich der BESTE Film aller Zeiten geworden ist. Sondern dass er sich die Freiheit nimmt zu sagen – und ich vermute sehr stark: zu Recht – dass das Ergebnis ein Kompromiss ist, und nicht der glücklichsten einer.)
Denn das große Problem mit Mein Führer ist, dass er irgendwann aus den Augen verloren zu haben scheint, was er wirklich will und soll. Es scheint Dani Levy der Mut vor der eigenen Courage abhanden gegangen zu sein; da traut er sich plötzlich viel zu wenig und möchte dann auf anderen Gebieten auf einmal viel zu viel.
Da laboriert er dann ganz schwer und schwerfällig an der Mechanik seines Komödien-Plots um den jüdischen Schauspieler Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe),
der den Führer im zerbombten Berlin (hier eine computergenerierte, unwirkliche, gewichtslose Fantasiewelt), im zerbröckelnden Reich für seine letzte große Durchhalte-Rede coachen soll.
Da ächzt er unter dem Anspruch, daraus zugleich ein Drama über moralische Verantwortung zu machen. Da probiert er sich einerseits an Seitenhieben auf die absurde Nazi-Bürokratie, bemüht sich andererseits darum, den epochalen Horror der Konzentrationslager mit erträglicher
Zwischendurch-Schmerzhaftigkeit anklingen zu lassen.
Vollends aber verhebt er sich bei dem Versuch, eben doch nicht einfach nur die Ikone Hitler komödiantisch zu demontieren, sondern die historische Gestalt zu erklären. Für diese Art Film wäre das unter den besten Voraussetzungen ein deplaziertes Unterfangen. In Mein Führer wird es richtig peinlich dadurch, dass Levy nicht mehr einfällt als billigste Populär-Psychoanalyse und er alles reduzieren möchte auf die Probleme, die Hitler als Kind mit seinem
autoritären Vater hatte. Dies »zu wenig« zu nennen wäre in etwa, wie den Mount Everest »eine Erhebung« zu heißen.
Erst zum Abspann besinnt sich Levy wieder ganz auf den spannendsten und eigensten Aspekt seines Projekts, auf die Frage nicht nach Hitler, sondern der »Hitler-Rezeption«.
Da läßt Mein Führer heutige Menschen aller Alterstufen zum Besten geben, was sie zu »Adolf Hitler« in den Köpfen haben. Die Antworten bescheren die mit Abstand verblüffendsten,
lustigsten, erschreckendsten, vielschichtigsten Momente, die der ganze Film zu bieten hat.
Darf man lachen über Hitler, lautet die derzeit überall gestellte Frage. Und die beste Antwort scheint mir evident: Man MUSS lachen, zumindest gelegentlich, über diese gemeingefährliche Knallcharge, diesen millionenmordenden Pausenclown der Weltgeschichte.
Solange man dabei nicht lacht über das, was Hitler angerichtet hat. Die Absurdität der Täter bloßzustellen, heißt ja keineswegs, das Leid der Opfer zum Witz zu machen. Wie zutiefst LÄCHERLICH die kruden Hirngespinste,
die geschmackverirrte Operettenästhetik Hitlers waren macht die ganze Sache ja gerade umso schlimmer.
Bei Dani Levy war wohl nie zu befürchten, dass er diesen Unterschied nicht kennen und begreifen würde. Und wenn Mein Führer in dieser Hinsicht einen Fehler macht, dann den, zu vorsichtig, zu bedenkengebremst zu Werke zu gehen.
Ehrlich gesagt: Mich verblüfft die (und sei es nur medienseitig heißgefächerte) Heftigkeit der Diskussion um diesen Punkt.
Es mutet doch seltsam an, dass man jetzt so tut, als hätte ein heute im westlichen Kulturkreis lebender Mensch nicht schon dutzend-, hundertfach gelacht über Hitler – bei Chaplin und Lubitsch (und dessen Neuverfilmer Mel Brooks), bei Warner- und Disney-Propaganda-Cartoons, bei britischen TV-Serien und französischen Kriegsklamotten, bei Trash wie They Saved Hitler’s Brain, und und und, bis hin zu Mash-ups wie der Hitlerrede mit unterlegtem
Poltsketchton (zu finden bei youtube unter »Hitler-Leasing« und wärmstens empfohlen).
Macht es wirklich so einen extremen Unterschied, sind wir in unserer globalisierten Welt wirklich noch so provinziell, es als etwas ganz anderes wahrzunehmen, wenn jetzt eine deutsche Produktion sich in diese lange, lange Traditionsreihe einklinkt?
Dabei liegt das Problem von Mein Führer, wie beschrieben, wo anders. Es liegt darin, dass ein Film mit einem ebenso sympathischen wie notwendigen Vorhaben sich verfranst hat. Dass er sich von falschen Ambitionen einer-, Skrupeln andererseits hat in die Irre leiten lassen, dass er darüber zäh, zerfahren und konsensheischend geworden ist, alles ein bisschen und nichts richtig macht, er doch zu oft schlicht aussieht wie ein typischer deutscher Dritte Reichs-Film
und er fast alle Momente von potentiell produktivem Schmerz viel zu schnell und voreilig in abgesicherte Bahnen lenkt.
Die Frage »Was darf Satire?« hat Kurt Tucholsky berühmtermaßen beantwortet mit »Alles«. Zu oft vergessen wird der notwendige Zusatz: »Außer durch belanglose Zahnlosigkeit langweilen.« Die eigentliche Frage muss nicht heißen »Darf man über Hitler...« sondern »Wie sehr kann man bei Mein Führer lachen?«. Und da lautet die Antwort: »Leider
zu wenig.«
»Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!« Kurt Tucholsky, der Satz ist Mein Führer vorangestellt
»Dürfen wir über Hitler lachen?« fragen jetzt alle in Texten über Dani Levys neuen Film Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler. Als ob das die Frage ist. Und man ist sich noch nicht einmal ganz sicher, welche Antwort sie eigentlich hören wollen. Und wen fragt man? Einen Historiker? Ein Opfer? Angela Merkel? Und wollen die, die das fragen, vom Juden Dani Levy den Persilschein zum Lachen ausgestellt bekommen? Oder gerade nicht? »Müssen wir über Hitler lachen?«, könnte man auch fragen. Und »Sollen wir über Hitler lachen?« Wie witzig Nazis sind, kann jeder selber testen, wenn er in der U-Bahn oder bei einem Ausflug nach Ostdeutschland einmal probeweise ein paar Skin-Heads auslacht. Aber so meint es Levy natürlich auch nicht. Obwohl er nicht darum herum kommt, in all diese Fragen verstrickt zu sein.
Warum denn nicht lachen über Hitler? Alles ok, jeder darf. Ist nur nicht so einfach für einen Filmemacher, dass das wirklich gelacht wird. Ihr werdet schon sehen. Denn Mein Führer ist genau genommen gar nicht so witzig. Ein Irrtum wäre, diesen Film als Komödie zu verstehen. »Mir fällt zu Hitler nichts ein«, meinte bekanntlich Karl Kraus schon 1933. Erstaunlich, dass uns zu Hitler immer noch etwas einfällt, und was uns einfällt. »Zu Hitler muss uns immer wieder etwas einfallen«, meint hingegen Georg Seeßlen, Kritiker und Autor zahlreicher Filmbücher, in einem Text mit eben jenem Titel im Presseheft des X-Verleihs. Der Anlaß: Nach der Phase der realistischen oder pseudo-realistischen Rekonstruktion – sich allen Ernstes in Hitler einfühlen zu wollen, welch ein Irrsinn! – versucht sich die deutsche Filmkunst jetzt erstmals an einer Hitler-Parodie. Ein Glück (?), dass es sich beim Regisseur um Dani Levy handelt, der zur Zeit auch folglich in jedem Text als »jüdischer Filmregisseur« bezeichnet wird. Natürlich weiß Levy, dass die Tatsache, dass er Jude ist, ihm hier trotzdem keine Narrenfreiheit gibt. Aber natürlich weiß er auch, dass er sich in der Hinsicht mehr erlauben kann als Nichtjuden.
Beim Lachen über Hitler muss es wohl um etwas sehr Besonderes gehen. Seeßlen beschreibt in seinem Text das Paradox, dem sich jede Hitler-Darstellung, nicht nur Komödien konfrontieren muss: »Tatsache ist, und das scheint überhaupt nicht lustig: Hitler ist komisch.« Das Problem jeder Hitler-Komödie ist also, dass sie eine Karikatur karikieren muss. Denn Hitler hatte ja immer schon alle Rollen selbst besetzt. Bereits 1937 machte der emigrierte Filmregisseur Berthold Viertel aus dem Exil auf diesen Umstand aufmerksam: »Schwer, über deutsche Schauspieler zu sprechen, seit der Eine sie alle zu Komparsen gemacht hat – er, der sämtliche große Rollen der Geschichte und der Literatur verkörpert, von Christus bis Caesar und, vielseitig wie Zettel, der Weber, die heilige Johanna noch dazu.« Will man Hitler zeigen, dann muss man sich mit dem Bild befassen, das er von sich geben wollte.
Das macht Mein Führer erstaunlich klug. Denn wenn man den Satz reflektiert, dann kann es keine Komödie werden, und weil Dani Levy das begriffen hat, ist sein Film auch etwas anderes, mehr eine Groteske: Mein Führer ist also durchaus gelungen und gehört zum Intelligentesten, Subtilsten, was das deutsche Kino bisher zum Thema Hitler zustande gebracht hat. Ein Anti-Untergang, der sich nicht zuletzt über deutsche Hitler-Filme lustig macht. Mein Führer ist mehr grotesk als witzig, und sitzt nie dem hohlen Pathos des Faschismus auf, dem noch die verfallen, die Hitler dämonisieren. Der Film zeigt zwar auch dicke hässliche Deutsche, die immer alle fortwährend »Heil Hitler« sagen müssen, und alle aussehen, wie bei »Hogan’s Heroes« (Und diese Uniformen stehen den Deutschen schon gut). Aber der Film zeigt Hitler vor allem über seine Körperlichkeit, wie sonst nur Der Bonker von Moers, als Schwächling, Bettnässer mit Alpträumen, der Kartoffeln mit Quark essen will, Fotos von Speer und Blondie auf dem Schreibtisch hat, und nicht zuletzt ein Vaterproblem. Man hätte ihn nur noch psychoanalysieren müssen, denn er war »auch nur ein unglückliches Kind«. Das letzte ist die Naivität des Films. Der Rest ist nicht naiv, ganz und gar nicht.
Mein Führer zeigt einen schlechten, weinerlichen Schauspieler, der Schauspielunterricht nimmt, Schauspieltechniken aneignet. Der Film zeigt die berühmte Nazi-Straße in den Studios Babelsberg, wo schon Aimée & Jaguar und Rosenstraße und Der Pianist gedreht wurden, und er zeigt sie als Fassade. Die Fassade als Zeichen der Fassade. Damit auch die Nazi-Darstellungen in ihrem Fassadencharakter. Eigentlich ist dies ein Film über die Inszenierung der Macht, über die Kulissen und potemkinschen Dörfer, die falschen, gefälschten, gemachten Bilder, auf denen der schöne Schein der Diktatur beruhte, und denen die Deutschen unkritisch verfielen.
Levys kluger Film zeigt, dass »Dürfen wir über Hitler lachen?« die falsche Frage ist: Infam wäre es jedenfalls, mit ihm zu lachen. Gefährlich wäre ein geschmackloser Anti-Tabu-Humor a la Borat, den manche Enttäuschte jetzt einfordern, ein Humor, der sich darin gefällt, »politisch unkorrekt« zu sein und das auch noch als »jüdischen Witz« verkauft. Aber letztendlich lacht man dort über die Opfer, nicht über die Täter. Levy vermeidet solche kindische Veralberung und er erzählt auch nicht wie Roberto Begnini in Das Leben ist schön eine Überlebensgeschichte inmitten des Mordens. Hier wird am Ende keiner mit gutem Gefühl aus dem Kino kommen. Dämonie hat Goebbels der zwar Kölsch spricht, aber in dieser Gemütlichkeit – »Das mit der Endlösung, das dürfen sie nicht persönlich nehmen.« – so dämonisch wirkt, dass es einem Angst werden kann.
Levy entlarvt das Klischee vom Lachen, »das uns im Hals stecken bleibt.« Denn beim Thema Hitler steckt das Lachen immer schon vorab fest. Levy holt es heraus, befreit es, und zeigt, ähnlich wie einst Chaplin, was Hitler eigentlich war: Der schrecklichste Schmierenkomödiant der Geschichte, den die Deutschen hätten auslachen sollen, anstatt ihn erst zu nehmen.
Am Schluß ist der Film sogar pathetisch. Levy zitiert, nachdem er jeden Hitler-Film durchzitiert hat, noch einmal The Great Dictator, und zwar die berühmte Schlussrede und ruft den Deutschen zu: »Heilt Euch selbst! Warum? Weil wir verstehen wollen, was wir nie verstehen werden.«
Das Vorgehen ist völlig richtig. Besser kann man es eigentlich nicht machen. Die Frage ist allerdings, ob Dani Levy der Richtige dafür ist. Er redet klug: »Adolf Hitler keine Einzelbiographie. Das Phänomen Adolf Hitler ist zugleich das Phänomen seiner Zeit. Hitler war eine Projektionsfläche für die Deutschen. Politisch formuliert: Jedes Volk verdient seinen Diktator. Adolf Hitler hatte deshalb diese große Gefolgschaft, weil er etwas vertreten hat, was unten im Volk wiedererkannt wurde. Rede ich über Adolf Hitler, rede ich also auch über eine Zeit. Über eine Moral, über Eckdaten, über Parameter einer Volksbefindlichkeit.«
Aber der Film löst das alles dann nicht wirklich ein, denn so ganz hat er sich am Schluss nicht getraut, und immer denkt man, dass der Film zwischen zwei Hitler-Bildern schwankt, dem bösen und dem lächerlichen.
So weit, so gut. Aber trotz allem, trotz sichtbarer Gegenwehr – aber wegen der ebenso sichtbaren fehlenden Energie – schreibt sich der Diskurs der deutschen Hitlerei auch in diesen Film ein. Blickt man genau hin hat der Film allzu viele Gemeinsamkeiten mit seinen Vorgängern: Das Interesse an Täterbiographien. Die Abwesenheit der Frauen. Die Tendenz zum »Privaten«, Individuellen daran »die Menschen« zu sehen, etwas »zu erleben«. Das Private als Modus des kollektiven Erlebens. Das Geplapper der Regression. Die Emotionalisierung. Der Verzicht auf Bilder der Opfer. Mein Führer ist kein schlimmer Film, kein Skandal. Aber er ist auch nicht wirklich nötig.
Im Laufe des Films entpuppt sich das Lachen als nur die andere Seite aller Ästhetisierung, die andere Seite einer Unterhaltungskultur, die alles vereinnahmt und zum Amüsement nivelliert, und die sich auch Hitlers längst bemächtigt hat. Hitler ist ein Pop-Star. So ist es jetzt. Muss man ihn deswegen lustig finden? Andere Popstars wünschte man doch auch auf den Mars, wünschte, sie wären nie geboren worden. Ist man in Spaßverderber, wenn einem auch hier irgendwann einfällt, dass es doch der Respekt gegenüber den Opfern Hitlers dafür sorgen könnte, dass man hier nicht lachen kann. Hitler fielen mindestens 15 Millionen Menschen zum Opfer. Er war eine Katastrophe, und daran ist nichts Komisches. Wenn schon lachen, angesichts von soviel Toten, dann sollte man etwas davon haben. Was haben wir wirklich von dem Film Mein Führer?
Zwei Schluss-Fragen: Ist eigentlich noch niemandem aufgefallen, dass alle diese deutschen Hitler-Spielfilme, von Der letzte Akt über Schlingensief und Mueller-Stahl, Der Untergang und Mein Führer, so himmelschreiend unterschiedlich sie auch alle sein mögen, sich immer um »die letzten Tage« drehen, um das Ende im Führerbunker? Es ist, als ob das deutsche Kino, bei all seinen peinlichen Anbiederungs- oder Distanzierungsbemühungen und beim schleimigen Hineingekrieche in des Diktators Seele, so oder so also, Hitler immer nur als Verlierer und Geschlagenen erträgt. Nur in der Niederlage hat man ihn im Griff. Oder sind zumindest darin alle doch Gefangene des Krypto-Wagnerianismus von Joachim C. Fest, der zumindest im Untergang des Dritten Reichs die Größe Roms wahrnehmen wollte? Warum nie den Sieger Hitler, nie Hitler in Paris? Immerhin Breloer ist eine Ausnahme, aber auch nur im Rückblick Speers aus der Haft, und außerdem ist das eben doch mehr Dokumentation. Und warum, verdammt nochmal nennt Levys Film Hitler immer »Führer«?