Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler

Deutschland 2006 · 95 min. · FSK: ab 12
Regie: Dani Levy
Drehbuch:
Kamera: Carl F. Koschnick, Carsten Thiele
Darsteller: Helge Schneider, Ulrich Mühe, Sylvester Groth, Katja Riemann, Adriana Altaras u.a.
Lachen über Hitler?

Bildersturm im Wasserglas

Mozart war, das ist eindeutig belegt, ein begeis­terter Reiter und ein großer Freund des Pfei­ferau­chens. Können Sie sich Mozart auf einem Pferd und mit Pfeife vorstellen? Freilich nicht. Weil seit Gene­ra­tionen Mozart nur mit Puder­perücke, am Klavier, als erden­ferner Götter­lieb­ling oder besten­falls genia­li­scher Prä-Punk abge­bildet und beschrieben und insze­niert wurde und wird.

Die Bilder, die wir von histo­ri­schen Gestalten haben, sind eine mächtige Sache. Sie prägen, ob wir wollen oder nicht, unsere Wahr­neh­mung, unsere Einstel­lung, unsere Emotionen. Ein Adolf Hitler in Unter­hosen oder beim Scheißen ist uns so fremd und schwer vorstellbar wie ein schmau­chendes Wolferl hoch zu Ross. Obwohl das Dolferl aller Wahr­schein­lich­keit nach mindest einmal täglich in seinem Leben im Feinripp dastand oder ein Häuferl machte. (Histo­riker mit Kenntnis über Verdau­ungs­stö­rungen des selbst­er­nannten Gröfaz mögen mich korri­gieren.)

Mein Führer ist – oder wollte ursprüng­lich zumindest mal sein – ein Film gegen die Bilder von Hitler in unseren Köpfen. Das ist wichtig und wesent­lich, und es unter­scheidet ihn prin­zi­piell von den beiden großen Klas­si­kern der Anit-Nazi-Komödien, Lubitschs To Be or Not to Be und Chaplins The Great Dictator, die aktuelle Filme gegen den realen Hitler waren.
Und bei allem Für und Wider, das sonst jetzt, ob berech­tigt oder nicht, um diesen Film toben mag, muss man das zual­ler­erst fest­halten: In dieser Hinsicht ist Mein Führer ein notwen­diger Film.
Denn in dem Maß, in dem Guido Knopp-Doku­men­ta­tionen und bildungs­bür­ger­lich-brav-gediegene, anlie­gen­ge­schwän­gerte Dritte-Reich-Filme (inzwi­schen nicht mehr als ein pures Genre) bei den heutigen Gene­ra­tionen die lebendige Erin­ne­rung oder die Zeugen­er­zäh­lung ersetzen, in dem Maß erlangt auf gruselige Weise wieder die Selbst­dar­stel­lung der Nazis die Imagi­na­tions-Luft­ho­heit: Beide, Knopp-Dokus wie übliche Dritte-Reich-Filme mit Osca­ram­bi­tionen, bedienen sich als visuelle Quellen zual­ler­erst bei dem erhal­tenen Original-Bild­ma­te­rial. Und das war nun zum größten Teil von den braunen Meistern der Propa­ganda selbst insze­niert. Da ändert hier ein bisschen Zeit­lu­pen­ver­frem­dung, da ein bisschen dräuende Musik­un­ter­ma­lung nicht viel.
Resultat ist, dass die Nazi­größen und ihre Schafs­herde in unseren Köpfen trotz allem sonstigen Wissen ikono­gra­phisch über­wie­gend in ihren selbst­ge­wählten Posen der Macht, Über­le­gen­heit und der Drohung sich einge­nistet haben. Resultat ist eine bedenk­liche Faszi­na­tion für dieses Böse, die sich nicht nur in Eichinger-produ­zierten BUNKER-Filmen offenbart.
Aber das war ja immer das Gefähr­liche an Nazi- und Neona­zitum: Dass es verun­si­cherten, schrumpf­geis­tigen Würmchen, die nichts in sich tragen, was ihnen eine erträg­liche Iden­ti­täts­stif­tung erlaubt, das Angebot macht, ihnen durch Unifor­mie­rung, Droh­gestik und Gewalt­ausübung gegen beliebige, sinnfrei konstru­ierte Feind­bilder ein Gefühl von Ich und Über­le­gen­heit aufzu­bauen.
Egal, wie sehr er sich inhalt­lich davon distan­ziert: Wer diese Bilder, Posen, Gesten und deren Ästhetik einfach perpe­tu­iert, statt sie zu dekon­stru­ieren, der arbeitet ihnen nur zu.

Mein Führer zeigt keinen Hitler in Unter­hosen oder beim Scheißen, aber immerhin einen im Trai­nings­anzug oder in der Badewanne, neben dem Speer auf dem Klodeckel hockt.
Doch wie so vieles an diesem Film ist das letztlich zuwenig.
Das geht los mit der konge­nialen Idee, Helge Schneider, den letzten großen Verwei­gerer in der heutigen deutschen Kultur­land­schaft, als Hitler zu besetzen. Nur, um ihn dann prompt von der Augen­linie abwärts unter einem Klumpen Kunst­stoff­maske zu begraben – einer zwei­fel­haften, halb­ge­lun­genen »Ähnlich­keit« willen, als ob nicht (siehe auch Attack of the killer tomatos) alles, was es braucht, um einen belie­bigen Menschen in eine als Hitler erkenn­bare Figur zu verwan­deln, eben nur der blöde Bart und der geschis­sene Scheitel wären. (Das wäre überhaupt eine schöne Idee für einen Hitler­film: Einer, in dem Adolf von einer wech­selnden Riege – von Bruno Ganz über unbe­kannte Laien­mimen bis zur nige­ria­ni­schen Putzfrau – darge­stellt und die Identität einfach durch ange­pappten Schnurr­bart und Scheitel herge­stellt würde. Aber ich schweife ab...)

Es gibt EINE wirklich großar­tige Szene in Dani Levys Film: Da schaut Helge-Hitler mit Eva Braun (Katja Riemann) Super8-Home­mo­vies – Origi­nal­auf­nahmen aus dem Privat­ar­chiv des echten Adolf. Und Helge impro­vi­siert dazu an der Heimorgel ein Ständchen für Eva. Da ist Mein Führer in seinem Zentrum ange­kommen, da wird er wirklich zur gewagten, subver­siven – und offenen – Ausein­an­der­set­zung der Bilder. Da ist er ein Hitler-Film von und für heute.
Ich habe keine Ahnung, wieviele solch ähnlicher Szenen dem berüch­tigten Neuschnitt nach einer Test­vor­füh­rung zum Opfer gefallen sind. Aber mir nagt das Gefühl am Gemüt: einige. Und ich beweine insgeheim jede einzelne.
(Nebenbei bemerkt beweist es einmal mehr, wie vereh­rungs­würdig Helge Schneider ist, dass er sich nicht an die Betriebs­ge­pflo­gen­heiten hält und als Darsteller nach Dreh­schluss von Promo-Tour bis DVD-Bonus­ma­te­rial immer nur erzählt, wie das doch die schönste Arbeit seines Lebens war und alle sich nur wahn­sinnig toll verstanden und einen solchen Spaß gehabt haben und das Ergebnis naTÜRlich der BESTE Film aller Zeiten geworden ist. Sondern dass er sich die Freiheit nimmt zu sagen – und ich vermute sehr stark: zu Recht – dass das Ergebnis ein Kompro­miss ist, und nicht der glück­lichsten einer.)

Denn das große Problem mit Mein Führer ist, dass er irgend­wann aus den Augen verloren zu haben scheint, was er wirklich will und soll. Es scheint Dani Levy der Mut vor der eigenen Courage abhanden gegangen zu sein; da traut er sich plötzlich viel zu wenig und möchte dann auf anderen Gebieten auf einmal viel zu viel.
Da laboriert er dann ganz schwer und schwer­fällig an der Mechanik seines Komödien-Plots um den jüdischen Schau­spieler Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe), der den Führer im zerbombten Berlin (hier eine compu­ter­ge­ne­rierte, unwirk­liche, gewichts­lose Fanta­sie­welt), im zerbrö­ckelnden Reich für seine letzte große Durch­halte-Rede coachen soll.
Da ächzt er unter dem Anspruch, daraus zugleich ein Drama über mora­li­sche Verant­wor­tung zu machen. Da probiert er sich einer­seits an Seiten­hieben auf die absurde Nazi-Büro­kratie, bemüht sich ande­rer­seits darum, den epochalen Horror der Konzen­tra­ti­ons­lager mit erträg­li­cher Zwischen­durch-Schmerz­haf­tig­keit anklingen zu lassen.

Vollends aber verhebt er sich bei dem Versuch, eben doch nicht einfach nur die Ikone Hitler komö­di­an­tisch zu demon­tieren, sondern die histo­ri­sche Gestalt zu erklären. Für diese Art Film wäre das unter den besten Voraus­set­zungen ein depla­ziertes Unter­fangen. In Mein Führer wird es richtig peinlich dadurch, dass Levy nicht mehr einfällt als billigste Populär-Psycho­ana­lyse und er alles redu­zieren möchte auf die Probleme, die Hitler als Kind mit seinem auto­ritären Vater hatte. Dies »zu wenig« zu nennen wäre in etwa, wie den Mount Everest »eine Erhebung« zu heißen.
Erst zum Abspann besinnt sich Levy wieder ganz auf den span­nendsten und eigensten Aspekt seines Projekts, auf die Frage nicht nach Hitler, sondern der »Hitler-Rezeption«.
Da läßt Mein Führer heutige Menschen aller Alter­stufen zum Besten geben, was sie zu »Adolf Hitler« in den Köpfen haben. Die Antworten bescheren die mit Abstand verblüf­fendsten, lustigsten, erschre­ckendsten, viel­schich­tigsten Momente, die der ganze Film zu bieten hat.

Darf man lachen über Hitler, lautet die derzeit überall gestellte Frage. Und die beste Antwort scheint mir evident: Man MUSS lachen, zumindest gele­gent­lich, über diese gemein­ge­fähr­liche Knall­charge, diesen millio­nen­mor­denden Pausen­clown der Welt­ge­schichte.
Solange man dabei nicht lacht über das, was Hitler ange­richtet hat. Die Absur­dität der Täter bloßzu­stellen, heißt ja keines­wegs, das Leid der Opfer zum Witz zu machen. Wie zutiefst LÄCHERLICH die kruden Hirn­ge­spinste, die geschmack­ver­irrte Operet­ten­äs­t­hetik Hitlers waren macht die ganze Sache ja gerade umso schlimmer.
Bei Dani Levy war wohl nie zu befürchten, dass er diesen Unter­schied nicht kennen und begreifen würde. Und wenn Mein Führer in dieser Hinsicht einen Fehler macht, dann den, zu vorsichtig, zu beden­ken­ge­bremst zu Werke zu gehen.
Ehrlich gesagt: Mich verblüfft die (und sei es nur medi­en­seitig heiß­ge­fächerte) Heftig­keit der Diskus­sion um diesen Punkt. Es mutet doch seltsam an, dass man jetzt so tut, als hätte ein heute im west­li­chen Kultur­kreis lebender Mensch nicht schon dutzend-, hundert­fach gelacht über Hitler – bei Chaplin und Lubitsch (und dessen Neuver­filmer Mel Brooks), bei Warner- und Disney-Propa­ganda-Cartoons, bei briti­schen TV-Serien und fran­zö­si­schen Kriegs­kla­motten, bei Trash wie They Saved Hitler’s Brain, und und und, bis hin zu Mash-ups wie der Hitler­rede mit unter­legtem Polts­ketchton (zu finden bei youtube unter »Hitler-Leasing« und wärmstens empfohlen).
Macht es wirklich so einen extremen Unter­schied, sind wir in unserer globa­li­sierten Welt wirklich noch so provin­ziell, es als etwas ganz anderes wahr­zu­nehmen, wenn jetzt eine deutsche Produk­tion sich in diese lange, lange Tradi­ti­ons­reihe einklinkt?

Dabei liegt das Problem von Mein Führer, wie beschrieben, wo anders. Es liegt darin, dass ein Film mit einem ebenso sympa­thi­schen wie notwen­digen Vorhaben sich verfranst hat. Dass er sich von falschen Ambi­tionen einer-, Skrupeln ande­rer­seits hat in die Irre leiten lassen, dass er darüber zäh, zerfahren und konsens­hei­schend geworden ist, alles ein bisschen und nichts richtig macht, er doch zu oft schlicht aussieht wie ein typischer deutscher Dritte Reichs-Film und er fast alle Momente von poten­tiell produk­tivem Schmerz viel zu schnell und voreilig in abge­si­cherte Bahnen lenkt.
Die Frage »Was darf Satire?« hat Kurt Tucholsky berühm­ter­maßen beant­wortet mit »Alles«. Zu oft vergessen wird der notwen­dige Zusatz: »Außer durch belang­lose Zahn­lo­sig­keit lang­weilen.« Die eigent­liche Frage muss nicht heißen »Darf man über Hitler...« sondern »Wie sehr kann man bei Mein Führer lachen?«. Und da lautet die Antwort: »Leider zu wenig.«

Die Fassade als Zeichen der Fassade

Dani Levys bemer­kens­werter, kluger, trotzdem angreif­barer Film Mein Führer

»Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!« Kurt Tucholsky, der Satz ist Mein Führer voran­ge­stellt

»Dürfen wir über Hitler lachen?« fragen jetzt alle in Texten über Dani Levys neuen Film Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler. Als ob das die Frage ist. Und man ist sich noch nicht einmal ganz sicher, welche Antwort sie eigent­lich hören wollen. Und wen fragt man? Einen Histo­riker? Ein Opfer? Angela Merkel? Und wollen die, die das fragen, vom Juden Dani Levy den Persil­schein zum Lachen ausge­stellt bekommen? Oder gerade nicht? »Müssen wir über Hitler lachen?«, könnte man auch fragen. Und »Sollen wir über Hitler lachen?« Wie witzig Nazis sind, kann jeder selber testen, wenn er in der U-Bahn oder bei einem Ausflug nach Ostdeutsch­land einmal probe­weise ein paar Skin-Heads auslacht. Aber so meint es Levy natürlich auch nicht. Obwohl er nicht darum herum kommt, in all diese Fragen verstrickt zu sein.

Warum denn nicht lachen über Hitler? Alles ok, jeder darf. Ist nur nicht so einfach für einen Filme­ma­cher, dass das wirklich gelacht wird. Ihr werdet schon sehen. Denn Mein Führer ist genau genommen gar nicht so witzig. Ein Irrtum wäre, diesen Film als Komödie zu verstehen. »Mir fällt zu Hitler nichts ein«, meinte bekannt­lich Karl Kraus schon 1933. Erstaun­lich, dass uns zu Hitler immer noch etwas einfällt, und was uns einfällt. »Zu Hitler muss uns immer wieder etwas einfallen«, meint hingegen Georg Seeßlen, Kritiker und Autor zahl­rei­cher Film­bücher, in einem Text mit eben jenem Titel im Pres­se­heft des X-Verleihs. Der Anlaß: Nach der Phase der realis­ti­schen oder pseudo-realis­ti­schen Rekon­struk­tion – sich allen Ernstes in Hitler einfühlen zu wollen, welch ein Irrsinn! – versucht sich die deutsche Filmkunst jetzt erstmals an einer Hitler-Parodie. Ein Glück (?), dass es sich beim Regisseur um Dani Levy handelt, der zur Zeit auch folglich in jedem Text als »jüdischer Film­re­gis­seur« bezeichnet wird. Natürlich weiß Levy, dass die Tatsache, dass er Jude ist, ihm hier trotzdem keine Narren­frei­heit gibt. Aber natürlich weiß er auch, dass er sich in der Hinsicht mehr erlauben kann als Nicht­juden.

Beim Lachen über Hitler muss es wohl um etwas sehr Beson­deres gehen. Seeßlen beschreibt in seinem Text das Paradox, dem sich jede Hitler-Darstel­lung, nicht nur Komödien konfron­tieren muss: »Tatsache ist, und das scheint überhaupt nicht lustig: Hitler ist komisch.« Das Problem jeder Hitler-Komödie ist also, dass sie eine Karikatur kari­kieren muss. Denn Hitler hatte ja immer schon alle Rollen selbst besetzt. Bereits 1937 machte der emigrierte Film­re­gis­seur Berthold Viertel aus dem Exil auf diesen Umstand aufmerksam: »Schwer, über deutsche Schau­spieler zu sprechen, seit der Eine sie alle zu Komparsen gemacht hat – er, der sämtliche große Rollen der Geschichte und der Literatur verkör­pert, von Christus bis Caesar und, viel­seitig wie Zettel, der Weber, die heilige Johanna noch dazu.« Will man Hitler zeigen, dann muss man sich mit dem Bild befassen, das er von sich geben wollte.

Das macht Mein Führer erstaun­lich klug. Denn wenn man den Satz reflek­tiert, dann kann es keine Komödie werden, und weil Dani Levy das begriffen hat, ist sein Film auch etwas anderes, mehr eine Groteske: Mein Führer ist also durchaus gelungen und gehört zum Intel­li­gen­testen, Subtilsten, was das deutsche Kino bisher zum Thema Hitler zustande gebracht hat. Ein Anti-Untergang, der sich nicht zuletzt über deutsche Hitler-Filme lustig macht. Mein Führer ist mehr grotesk als witzig, und sitzt nie dem hohlen Pathos des Faschismus auf, dem noch die verfallen, die Hitler dämo­ni­sieren. Der Film zeigt zwar auch dicke hässliche Deutsche, die immer alle fort­wäh­rend »Heil Hitler« sagen müssen, und alle aussehen, wie bei »Hogan’s Heroes« (Und diese Uniformen stehen den Deutschen schon gut). Aber der Film zeigt Hitler vor allem über seine Körper­lich­keit, wie sonst nur Der Bonker von Moers, als Schwäch­ling, Bett­nässer mit Alpträumen, der Kartof­feln mit Quark essen will, Fotos von Speer und Blondie auf dem Schreib­tisch hat, und nicht zuletzt ein Vater­pro­blem. Man hätte ihn nur noch psycho­ana­ly­sieren müssen, denn er war »auch nur ein unglück­li­ches Kind«. Das letzte ist die Naivität des Films. Der Rest ist nicht naiv, ganz und gar nicht.

Mein Führer zeigt einen schlechten, weiner­li­chen Schau­spieler, der Schau­spiel­un­ter­richt nimmt, Schau­spiel­tech­niken aneignet. Der Film zeigt die berühmte Nazi-Straße in den Studios Babels­berg, wo schon Aimée & Jaguar und Rosen­straße und Der Pianist gedreht wurden, und er zeigt sie als Fassade. Die Fassade als Zeichen der Fassade. Damit auch die Nazi-Darstel­lungen in ihrem Fassa­den­cha­rakter. Eigent­lich ist dies ein Film über die Insze­nie­rung der Macht, über die Kulissen und potem­kin­schen Dörfer, die falschen, gefälschten, gemachten Bilder, auf denen der schöne Schein der Diktatur beruhte, und denen die Deutschen unkri­tisch verfielen.

Levys kluger Film zeigt, dass »Dürfen wir über Hitler lachen?« die falsche Frage ist: Infam wäre es jeden­falls, mit ihm zu lachen. Gefähr­lich wäre ein geschmack­loser Anti-Tabu-Humor a la Borat, den manche Enttäuschte jetzt einfor­dern, ein Humor, der sich darin gefällt, »politisch unkorrekt« zu sein und das auch noch als »jüdischen Witz« verkauft. Aber letzt­end­lich lacht man dort über die Opfer, nicht über die Täter. Levy vermeidet solche kindische Veral­be­rung und er erzählt auch nicht wie Roberto Begnini in Das Leben ist schön eine Über­le­bens­ge­schichte inmitten des Mordens. Hier wird am Ende keiner mit gutem Gefühl aus dem Kino kommen. Dämonie hat Goebbels der zwar Kölsch spricht, aber in dieser Gemüt­lich­keit – »Das mit der Endlösung, das dürfen sie nicht persön­lich nehmen.« – so dämonisch wirkt, dass es einem Angst werden kann.

Levy entlarvt das Klischee vom Lachen, »das uns im Hals stecken bleibt.« Denn beim Thema Hitler steckt das Lachen immer schon vorab fest. Levy holt es heraus, befreit es, und zeigt, ähnlich wie einst Chaplin, was Hitler eigent­lich war: Der schreck­lichste Schmie­ren­komö­diant der Geschichte, den die Deutschen hätten auslachen sollen, anstatt ihn erst zu nehmen.

Am Schluß ist der Film sogar pathe­tisch. Levy zitiert, nachdem er jeden Hitler-Film durch­zi­tiert hat, noch einmal The Great Dictator, und zwar die berühmte Schluss­rede und ruft den Deutschen zu: »Heilt Euch selbst! Warum? Weil wir verstehen wollen, was wir nie verstehen werden.«

Das Vorgehen ist völlig richtig. Besser kann man es eigent­lich nicht machen. Die Frage ist aller­dings, ob Dani Levy der Richtige dafür ist. Er redet klug: »Adolf Hitler keine Einzel­bio­gra­phie. Das Phänomen Adolf Hitler ist zugleich das Phänomen seiner Zeit. Hitler war eine Projek­ti­ons­fläche für die Deutschen. Politisch formu­liert: Jedes Volk verdient seinen Diktator. Adolf Hitler hatte deshalb diese große Gefolg­schaft, weil er etwas vertreten hat, was unten im Volk wieder­er­kannt wurde. Rede ich über Adolf Hitler, rede ich also auch über eine Zeit. Über eine Moral, über Eckdaten, über Parameter einer Volks­be­find­lich­keit.«

Aber der Film löst das alles dann nicht wirklich ein, denn so ganz hat er sich am Schluss nicht getraut, und immer denkt man, dass der Film zwischen zwei Hitler-Bildern schwankt, dem bösen und dem lächer­li­chen.

So weit, so gut. Aber trotz allem, trotz sicht­barer Gegenwehr – aber wegen der ebenso sicht­baren fehlenden Energie – schreibt sich der Diskurs der deutschen Hitlerei auch in diesen Film ein. Blickt man genau hin hat der Film allzu viele Gemein­sam­keiten mit seinen Vorgän­gern: Das Interesse an Täter­bio­gra­phien. Die Abwe­sen­heit der Frauen. Die Tendenz zum »Privaten«, Indi­vi­du­ellen daran »die Menschen« zu sehen, etwas »zu erleben«. Das Private als Modus des kollek­tiven Erlebens. Das Geplapper der Regres­sion. Die Emotio­na­li­sie­rung. Der Verzicht auf Bilder der Opfer. Mein Führer ist kein schlimmer Film, kein Skandal. Aber er ist auch nicht wirklich nötig.

Im Laufe des Films entpuppt sich das Lachen als nur die andere Seite aller Ästhe­ti­sie­rung, die andere Seite einer Unter­hal­tungs­kultur, die alles verein­nahmt und zum Amüsement nivel­liert, und die sich auch Hitlers längst bemäch­tigt hat. Hitler ist ein Pop-Star. So ist es jetzt. Muss man ihn deswegen lustig finden? Andere Popstars wünschte man doch auch auf den Mars, wünschte, sie wären nie geboren worden. Ist man in Spaß­ver­derber, wenn einem auch hier irgend­wann einfällt, dass es doch der Respekt gegenüber den Opfern Hitlers dafür sorgen könnte, dass man hier nicht lachen kann. Hitler fielen mindes­tens 15 Millionen Menschen zum Opfer. Er war eine Kata­strophe, und daran ist nichts Komisches. Wenn schon lachen, ange­sichts von soviel Toten, dann sollte man etwas davon haben. Was haben wir wirklich von dem Film Mein Führer?

Zwei Schluss-Fragen: Ist eigent­lich noch niemandem aufge­fallen, dass alle diese deutschen Hitler-Spiel­filme, von Der letzte Akt über Schlin­gen­sief und Mueller-Stahl, Der Untergang und Mein Führer, so himmel­schreiend unter­schied­lich sie auch alle sein mögen, sich immer um »die letzten Tage« drehen, um das Ende im Führ­er­bunker? Es ist, als ob das deutsche Kino, bei all seinen pein­li­chen Anbie­de­rungs- oder Distan­zie­rungs­be­mühungen und beim schlei­migen Hinein­ge­krieche in des Diktators Seele, so oder so also, Hitler immer nur als Verlierer und Geschla­genen erträgt. Nur in der Nieder­lage hat man ihn im Griff. Oder sind zumindest darin alle doch Gefangene des Krypto-Wagne­ria­nismus von Joachim C. Fest, der zumindest im Untergang des Dritten Reichs die Größe Roms wahr­nehmen wollte? Warum nie den Sieger Hitler, nie Hitler in Paris? Immerhin Breloer ist eine Ausnahme, aber auch nur im Rückblick Speers aus der Haft, und außerdem ist das eben doch mehr Doku­men­ta­tion. Und warum, verdammt nochmal nennt Levys Film Hitler immer »Führer«?