Abschluss des fsff 2018 |
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Sieger des Fünf Seen Filmpreises: Árpád Bogdáns Genesis | ||
(Foto: Árpád Bogdán / FünfSeenFilmFest) |
Von Ingrid Weidner
Genesis (Genezis, Ungarn, 2018) von Árpád Bogdán aus Ungarn überzeugte die Jury und gewann den Fünf Seen Filmpreis. Das Drama fächert in drei Kapiteln das Thema Rassismus im heutigen Ungarn auf. Betrunkene ungarische Neonazis überfielen in den Jahren 2008 und 2009 abgelegene Roma-Dörfer, warfen Brandsätze, schossen auf fliehende Familien und töteten sechs Menschen. Árpád Bogdán dokumentierte die Anschläge für die BBC, doch das Thema ließ ihn nicht los. In seinem Spielfilm, der auf der diesjährigen Berlinale in der Reihe Panorama lief, wählt der Regisseur einen anderen Zugang. In drei Kapiteln schildert er aus der Perspektive von drei Protagonisten, wie geduldete Gewalt in eine Gesellschaft sickert, Wurzeln schlägt und sie vergiftet.
Beim Anschlag wird die Mutter des neunjährigen Ricsi getötet. Zuvor begleitet die Kamera den Jungen bei seinen Streifzügen durch die Wälder, wie er mit seinem geliebten Hund spielt und seinen Vater im Gefängnis besucht, der wegen einer Bagatelle für zwei Jahre einsitzt. Milán Csordás spielt den Roma-Jungen Ricsi beeindruckend. Mit großen Augen blickt er auf seine Welt, die das Feuer zerstört. Das traumatisierte Kind lebt nach dem Tod der Mutter bei den Großeltern, in der Schule erlebt er weiterhin Rassismus, die fragile Welt seiner Kindheit ist zerstört.
Das zweite Kapitel konzentriert sich auf die Gymnasiastin und leidenschaftliche Bogenschützin Virág (Eniko Anna Illési). Sie ahnt, dass ihr Freund Misi in die Attacke auf das Roma-Dorf verwickelt sein könnte. Als ihre Ahnung zur Gewissheit wird, gerät sie in einen tiefen Gefühlskonflikt und trifft eine folgenreiche Entscheidung. Und schließlich die erfolgsverwöhnte Anwältin Hanna (Anna Marie Cseh), die als Misis Verteidigerin bestellt wird. Sie kämpft mit dunklen Erinnerungen, moralischen Fragen und ihrer eigenen Vergangenheit. Auch sie muss sich entscheiden.
Trotz der in dunkle Farben getauchten Bilder sowie der vielschichtigen Formen der Gewalt wählt Árpád Bogdán ein versöhnliches Ende. »Mit glühender Intensität, ganz dicht an den Figuren erzählt, konfrontiert uns Regisseur Árpád Bogdán immer wieder mit erschütternd roher Gewalt und der universellen Frage, wer das Recht hat, über Leben und Tod zu entscheiden«, heißt es in der Begründung der Jury.
Der Filmpreis »Perspektive Junges Kino« ging an Lemonade (RO/CD/DE/SE 2018) von Ioana Uricaru. Mara, eine Krankenpflegerin aus Rumänien, ergattert eine befristete Arbeitserlaubnis für die USA und heiratet, kurz bevor ihr Visum ausläuft, einen ehemaligen Patienten. Ihren kleinen Sohn Dragos aus einer früheren Beziehung hat sie bereits in die Staaten geholt, sie wartet auf ihre Greencard, um dort ein neues Leben zu beginnen. Doch die Gespräche mit dem Beamten der Einwanderungsbehörde sind schwierig, aufgeben kommt für sie aber nicht in Frage, sie hält an ihrem Traum von einem besseren Leben fest. Überzeugend spielt Malina Manovici Mara, deren Motto »Wenn das Leben dir eine Zitrone gibt, mach Limonade draus« dem Film seinen Titel gab. Gedreht wurde überwiegend in Kanada, da selbst für Kamerateams aus Europa die Einreise in die USA zu kompliziert gewesen wäre.
Der Dokumentarfilmpreis geht an Playing Men (SI/KRO 2017) von Matjaz Ivanisin und mit dem Publikumspreis wurde Der Affront (FR/CY/LE/US 2017) von Ziad Doueiri prämiert. Den Short Plus Award gewann Die Spieler (DE/2018) von Samuel Auer und den Video Art Preis Paradise Later (2010) von Ascan Breuer. Bereits während der Dampferfahrt über den Starnberger See wählte das Publikum Realität von Lucas Thiem zum besten Kurzfilm. Den Dachs Drehbuchpreis gewann das Autorenteam Hans Weingartner und Silke Eggert für 303 und der Horizonte Filmpreis ging an Kinder unter Deck von Bettina Henkel.
Und sonst? Festivalleiter Matthias Helwig zeigt sich zufrieden mit dem neuen Termin und freut sich über rund 19.000 Besucher in zehn Tagen, die das vielseitige Programm in die Kinos gelockt hat. »Die Verlagerung in den September hat funktioniert. Unsere Festivalfreunde haben den neuen Termin angenommen. Und auch das Wetter hat mitgespielt. Wir hatten teils noch sehr sommerliche Stimmungen mit wunderschönem Septemberlicht«, sagt Helwig. Besonders freute es den Festivalleiter, dass auch Filme mit gesellschaftlichen Themen wie Styx, Der Klang der Stimme, Joy In Iran oder Wackersdorf viele Zuschauer sahen.
Auch die Open-Air-Vorstellungen im Sommer waren ein Erfolg. Zu den 20 Open Air-Tagen im Seebad Starnberg und Augustiner am Wörthsee pilgerten bei meistens hochsommerlichem Wetter rund 8.000 Kinofans. Bereits beim Filmfest begann die »Edgar Reitz Große Werkschau«, die der Regisseur selbst in Starnberg vorstellte. Bis Ende des Jahres können Reitz-Fans neben den HEIMAT-Zyklen auch seine Spielfilme sehen, und zwar jeweils mittwochs und sonntags in Starnberg.
12. Fünf Seen Filmfestival vom 6.-15. September 2018.
Spielstätten sind die Breitwandkinos in Starnberg, Gauting und Seefeld, die Schlossberghalle Starnberg, der Pfarrstadl Wessling und der Wörthsee und das Seebad Starnberg mit Open Air.
Karten: regulär 9,50€, je nach Veranstaltung davon abweichend.