12.10.2023

Gaza mon amour?

Fauda 3
Auf dem Weg nach Gaza: Fauda 3
(Foto: Netflix)

Weiß das Kino wie so oft mehr oder wird es gerade von der Realität überholt?

Von Axel Timo Purr

Wer die im Januar diesen Jahres erschie­nene 4. Staffel der israe­li­schen Serie Fauda gesehen hat oder einige andere Filme der letzten Jahre aus Israel und Gaza, dürfte kaum von den gegen­wär­tigen Ereig­nissen über­rascht worden sein. Wir haben eine Liste von Filmen und Serien der letzten Jahre zusam­men­ge­stellt, die von Israel und Gaza erzählen und die wir ausführ­lich bespro­chen haben. Die meisten Filme sind im Stream oder als DVD erhält­lich und eine sinnvolle Ergänzung zu den poli­ti­schen Nach­richten der TV-Newsdesks und Tages­zei­tungen.

+ + +

Gaza mon amour
Die Tragi­komödie der in Gaza lebenden und arbei­tenden Nasser-Brüder entzieht sich so klug wie über­ra­schend allen Nahost-Stereo­typen, ist aber dennoch gesell­schafts­po­li­tisch relevant, übt so subtile wie beißende Kritik an der poli­ti­schen (Hamas-) Elite und ist dann auch noch an Liebe inter­es­siert. -> Mehr
(Auf allen bekannten Strea­ming­platt­formen abrufbar)

+ + +

Valeria is getting married
Michal Viniks inten­sives, ernüch­terndes Drama über Migration, Liebe und arran­gierte Ehen in Zeiten globaler Krisen überzeugt auch durch seine flackernde, hyper­rea­lis­ti­sche Insze­nie­rung und ein Israel, das so kaum einer kennt. -> Mehr
(Ab 24.11. im Stream und ab 23.11. als DVD bei W-Film)

+ + +

Aheds Knie
Nadav Lapid übt mit auto­fik­tio­nalen Mitteln erbit­terte und nicht nur symbol­haft ausge­tra­gene Kritik an der israe­li­schen (Kultur-) Politik, die bis in die priva­testen Verhält­nisse Verwer­fungen erzeugt. -> Mehr
(Als Stream oder DVD bei Grandfilm)

+ + +

Fauda 4
Die vierte Staffel der Ausnah­me­serie »Fauda« über den israe­lisch-paläs­ti­nen­si­schen Konflikt illus­triert ernüch­ternd die gegen­wär­tige, real­po­li­ti­sche Eska­la­tion. Und das nicht nur in Israel. -> Mehr
(Als Stream bei Netflix erhält­lich)

+ + +

Fauda 3
Mit der dritten Staffel wird die israe­li­sche Ausnah­me­serie »Fauda« erwachsen und zu großer Seri­en­kunst: immer noch politisch höchst ambi­va­lent beweist sie mehr als früher echte Empathie, ohne ihr gnadenlos analy­ti­sches Kalkül aufzu­geben. -> Mehr
(Als Stream bei Netflix erhält­lich)

+ + +

Tehran
Wenn Filme die besseren Politiker sind: Wird die israe­li­sche Serie Tehran für den Iran-Konflikt das, was das israe­li­sche Seri­en­meis­ter­werk »Fauda« für den Nahost­kon­flikt geworden ist – ein poli­ti­scher Türöffner? -> Mehr
(Als Stream bei AppleTV+ erhält­lich)

+ + +

Hamishim
Die arte-Miniserie »Hamishim – Fünfzig« über eine 49-jährige von Wech­sel­jahren, Kindern, Job und Libido geplagte Dreh­buch­au­torin ist ein Glücks­fall: fast ohne Männer erzählt sie doch über Bezie­hungen und völlig im israe­li­schen Alltags­leben verhaftet, ist sie dennoch hoch­po­li­tisch. -> Mehr
(Momentan weder als Stream noch DVD erhält­lich)

+ + +

Ein Tag wie kein anderer
Klein­bür­ger­li­cher israe­li­scher Alltag: Wie sollte man sich gegenüber einem ca. 50-jährigen Mann verhalten, der bei Nachbarn klingelt und ihnen eine Ohrfeige verpasst, weil sie beim Sex zu laut sind? Man hofft, dass er bald wegzieht. Oder dass er eine Therapie macht. Oder dass er schwer­hörig wird. -> Mehr
(Auf allen bekannten Strea­ming­platt­formen abrufbar)

+ + +

Eine Geschichte von Liebe und Fins­ternis
Nathalie Portman gelingt ein sehens­wertes Melodram, das durch den Dreh an Origi­nal­schau­plätzen und in Hebräisch immer wieder authen­tisch wirkt, scheitert aber an der Umsetzung ihres lang gehegten, viel »beträumten« Projekts einer über­zeu­genden Verfil­mung von Amos Oz‘ großem Israel-Roman. Ironi­scher­weise bestätigt sie damit auch eine der tragi­schen Kern­wahr­heiten, die Oz über den langen Kampf seiner Mutter und ihrer Träume heraus­findet: »Es gibt nur einen Weg, einen verheißungs­vollen Traum in seiner Gänze zu bewahren: Man darf niemals versuchen, ihn zu verwirk­li­chen. Ein wirk­li­cher Traum ist ein enttäu­schender Traum. Diese Enttäu­schung liegt im Wesen der Träume.« -> Mehr
(Auf allen bekannten Strea­ming­platt­formen abrufbar)

+ + +

Anderswo
»Anderswo« ist nicht nur ein sehens­wertes und faszi­nie­rendes Plädoyer dafür, es mit dem stra­pa­zierten Begriff Israel etwas »anders« anzugehen, sondern auch ein nicht zu unter­schät­zender Beitrag darüber, wie die Realität eines Landes wie Israel jenseits unserer medialen Wirk­lich­keit aussieht. -> Mehr
(Momentan weder als Stream noch DVD erhält­lich)

+ + +

Foxtrot
Man muss nicht schweigen, worüber man nicht reden kann: Wie schon in seinem ebenfalls in Venedig ausge­zeich­neten Film Lebanon geht Maoz auch in Foxtrot in einer erzählten Rück­blende zurück zum »Sünden­fall« Israels, dem Libanon-Krieg 1982, als aus einer während der NS-Zeit trau­ma­ti­sierten, sich durch Selbst­er­hal­tungs­kriege eman­zi­pie­renden »Opfer­ge­sell­schaft« eine Gesell­schaft aus Tätern wurde, und »Opfer­trau­mata« durch »Täter­trau­mata« abgelöst wurden und erneut gene­ra­ti­ons­ü­ber­grei­fend weiter­ver­mit­telt wurden. Damit gelingt Maoz fast das Unmög­liche, formu­liert er doch filmisch genau das, was der isrea­li­sche Autor Amos Oz in seiner Geschichte von Liebe und Fins­ternis bereits lite­ra­risch ange­deutet hat: Man muss nicht schweigen, worüber man nicht reden kann. -> Mehr
(Auf allen bekannten Strea­ming­platt­formen abrufbar)

+ + +

Tel Aviv on Fire
Der Nahost­kon­flikt zwischen Israelis und Arabern gehört zu den komple­xesten Konflikten, die es gibt. Pi mal Daumen geht’s um das Exis­tenz­recht Israels, sichere Grenzen, das Rück­kehr­recht für vertrie­bene Paläs­ti­nenser, jüdische Sied­lungen auf paläs­ti­nen­si­schen Gebieten, Trink­wasser und wem Jerusalem gehört. Die Stadt wollen beide für sich, und zwar ganz und als Haupt­stadt. Ach so, wer vor über 2000 Jahren genau, wann und wo zuerst in der Gegend unterwegs war, spielt auch noch eine Rolle. Also kultu­relle Iden­ti­täten und zwei Reli­gionen, das Judentum und der Islam. Nach acht Kriegen, hunderten Terror­an­schlägen und Vergel­tungs­ak­tionen ist weder ein Gewinner in Sicht und Frieden noch viel weniger. Ansehen jedoch kann man sich jetzt eine subtile, leichte, spritzige Komödie, sie heißt Tel Aviv on Fire. Der erste Impuls ist, sich zu wundern. Ein Film mit Israelis und Paläs­ti­nen­sern, der einen Funken mit Realität zu tun und der „leicht sein soll und“ spritzig? Außerdem amüsant, ja sogar zum Lachen? -> Mehr
(Auf allen bekannten Strea­ming­platt­formen abrufbar)