Jeder sucht sein Kätzchen |
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Sich selbst umarmen: Der neue Film von Cédric Klapisch |
Von Dunja Bialas
Erinnert sich noch jemand an die Zeiten von »Cicim«? Unter dieser Formel fand ein Gemeinschaftsprojekt des Institut français de Munich mit dem Goethe-Institut in Paris statt, um die »deutsch-französischen Filmbeziehungen«, wie es im Jubiläumsband der begleitenden Zeitschrift 1991 im Vorwort heißt, zu stärken. Abgehalten wurden in der Glanzzeit eigene Filmreihen, die teilweise in berückend rotstichigen Kopien die französische Filmgeschichte im Original zeigten. Die frühen Filme von André Téchiné konnte man da sehen, zum Beispiel Pauline s'en va, der sich als besonders großartig und rotstichig erwies und nachhaltigen Eindruck hinterließ.
München war nicht nur wegen »Cicim« eine besondere Anlaufstelle für den französischen Film. Walter Kirchner hatte ab den 1950er Jahren mit seinem Verleih »Neue Filmkunst« die französischen Filme der Nouvelle Vague in Deutschland bekannt gemacht, das von ihm gegründete Kino Theatiner Filmkunst in München, seit 1975 von Marlies Kirchner geführt, macht möglich, dass französisches Kino im Original in Deutschland beste Einspielergebnisse hatte.
Seit 19 Jahren gibt es in Berlin die französische Filmwoche. Erstmals findet sie nun auch in München statt. Es wurde, vor dem Hintergrund der Bedeutung Münchens für die »deutsch-französischen Filmbeziehungen«, auch höchste Zeit. Allein mit dem Hauptstadtstatus von Paris und Berlin kann entschuldigt werden, dass die Filmreihe mit aktuellen französischen Produktionen, die vielleicht nie in Deutschland ins Kino kommen, bislang nicht in München zu sehen war.
Die erste Münchner Ausgabe startet mit einem verkleinerten Programm, das diesen Mittwoch standesgemäß im Theatiner mit dem Film Hors normes (Alles außer gewöhnlich) feierlich eröffnet wurde. Weiter geht es am heutigen Donnerstag mit L’incroyable histoire du facteur Cheval (Ideal Palace) von Nils Tavernier, Sohn von Bertrand Tavernier, der seit den späten 1990er hauptsächlich Dokumentarfilme macht und jetzt seinen dritten Spielfilm vorlegt. In dem Film geht es, wie der französische Titel verrät, um einen ritterlich veranlagten Postboten namens Cheval (französisch für »Pferd«), der für seine geliebte Philomena und die gemeinsame Tochter einen Palast errichtet. Die Handlung ist angesiedelt Ende des 19. Jahrhunderts und geht zurück auf den echten Ferdinand Cheval, seines Zeichens Briefträger und Luftschlossbauer. Den idealen, surreal anmutenden Palast hat er tatsächlich gebaut. So ist in Frankreich selbst die Realität träumerisch-märchenhaft, zugleich fährt der Film mit kleinen Reminiszenzen an den berühmtesten Briefträger der französischen Filmgeschichte auf, den Jacques Tati in Jour de fête erfunden hat. (Donnerstag, 18:15)
In Vorpremiere ist am Freitag der neue Film von Cédric Klapisch (Der Wein und der Wind) zu sehen. Deux moi (Einsam Zweisam) ist eine Fortschreibung seines Nachbarschaftsfilms ...und jeder sucht sein Kätzchen (1996). Zwei Singles leben unbemerkt voneinander in einem Haus in Paris. Wo früher ein entlaufenes Kätzchen dafür sorgte, dass man aufeinander aufmerksam wurde, blickt jetzt jeder für sich isoliert in die virtuelle Welt. (Freitag, 18:15)
Einen Ausflug nach Frankreich hat sich der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda (Shoplifters) erstmals in La vérité gegönnt. Anders als sein südkoreanischer Regiekollege Hong Sang-soo, der für Isabelle Huppert einen Urlaub in Asien erfand, um sie in einem seiner Filme (In einem fremden Land) mitspielen zu lassen, schrieb Hirokazu ein Pariser Drehbuch für Catherine Deneuve, in der er sie – charmant-uncharmant – eine ältere Leinwand-Ikone spielen lässt, deren Tochter (Juliette Binoche) zur Memoirenveröffentlichung aus New York nach Paris zurückkehrt. La vérité ist der erste gemeinsame Auftritt dieser beiden großen französischen Actricen in einem Film. (Sonntag 18:15)
Hierzulande wenig bekannt ist die Regisseurin Catherine Corsini, deren neuer Film Un amour impossible am Montag gezeigt wird. Er erzählt die Lebensgeschichte von Rachel, einer Büroangestellten, die sich in den späten Fünfzigerjahren in Philippe verliebt und das gemeinsame Kind wegen unüberbrückbarer Standesdifferenzen alleine aufzieht. Eine Geschichte, wie sie viele Frauen, nicht nur in Frankreich, erlebt haben. (Montag, 18:15)
Filmgeschichte gibt es außerdem. Ganz aktuell mit dem persönlichen Dokumentarfilm Varda by Agnès wird der letzte Film der dieses Jahr verstorbenen Dokumentarfilmemacherin Agnès Varda gezeigt. Die Projekte, Einflüsse und Weggefährten der großen Regisseurin ziehen während des Films in einer Zeitreise vorüber. (Sonntag 18:15)
Louis Malles Filmklassiker Zazie dans le métro hat den gleichnamigen Roman von Oulipo-Autor Raymond Queneau weltberühmt gemacht. Philippe Noiret lässt sich hier als mürrischer Onkel von der frechen Göre Zazie narren, die Paris und die Filmsprachen auf den Kopf stellt. (Samstag, 14:00)
1. Französische Filmwoche München
27.11.-4.12.2019
Theatiner Filmkunst
Weitere Filme:
100 kilos d’étoiles (100 Kilo Sterne) von Marie-Sophie Cambon (Dienstag, 18:15)
Vif-argent (Der flüssige Spiegel) von Stéphane Batut (Mittwoch, 18:15)