Folge der Eidechse |
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Alejandro Landes' Monos eröffnet »Lafita« |
Sie steckt nun im Logo der »Lateinamerikanischen Filmtage«, die Eidechse, das »i« in »Lafita«, das ist sie, und sie scheint sehr beweglich und quicklebendig.
Eröffnet wird mit Monos von Alejandro Landes, in Brasilien geboren, in Ecuador und Kolumbien aufgewachsen. Der Film will sein Publikum umhauen, in die Knie zwingen, will es aufsaugen und wegblasen: Er erzählt von
einer Gruppe von jugendlichen Rebellen, den „Monos“, die etwas von einer militanten und terroristischen Sekte haben. Der Rückzug ins unzugängliche schroffe Hochland, die amerikanische Ärztin, die sie als Geisel gefangen halten, die Armee, die ihnen auf den Fersen ist, die Flucht in den Regenwald, das alles ist in groben Zügen an der Geschichte der kolumbianischen Untergrundorganisation der FARC ausgerichtet.
Landes verleiht dem Stoff eine mythisch-archaische Grundierung und lässt die voranpreschende Handlung als visuellen und narrativen Trip in eine Art Abenteuerfilm übergehen. Reißerische Effekte, wie man sie aus Action-Filmen kennt, bekommen hier plötzlich wieder eine ursprüngliche Kraft. (26.11., 19:00, Instituto Cervantes).
Nuestro tiempo des Mexikaners Carlos Reygadas dagegen steht für avanciertes Autorenkino, wie es in den frühen 2000er Jahren das lateinamerikanische Kino insgesamt neu definiert hat. Mit Japón (2002) war Reygadas einer derjenigen, der diese Renaissance mit einleitete. Sein jüngster Film, den »Lafita« dieses Jahr in Wiederaufführung zeigt, beweist, dass der Mexikaner längst auf Pfaden unterwegs ist, auf denen ihm niemand so schnell folgen kann. Der Meisterregisseur spielt mit seiner Eitelkeit, indem er sich selbst als Hauptdarsteller in der Rolle des Viehzüchters und Poeten Juan präsentiert. Der Großgrundbesitzer und Großdichter steht dabei im Mittelpunkt eines Ehe- und Eifersuchtsdramas mit Cowboys, in dem die weibliche Rolle auch noch von Reygadas' Ehefrau gespielt wird.
Männer, Pferde, Stiere und Autos: ein tiefer Einblick in den Motorblock eines durch die Landschaft brausenden SUV stellt dabei einen der wohl wahnsinnigsten Momente der jüngeren Filmgeschichte dar. Pferdestärken als Intensitätsgenerator für eine Erzählmaschinerie, in der Natur und Technik, Affekte und Triebe, Kino und Poesie neu zusammenmontiert werden. (So 01.12., 20:00, Werkstattkino)
Einfach Kino, Kino aus Lateinamerika: die Eidechse Lafita legt sich auf keinen Themenschwerpunkt und auch auf keinen klaren Länderfokus fest. Argentinien, eine der größten Filmnationen des Kontinents, kann vielleicht einen Punktsieg für sich beanspruchen: der Kurzfilmblock »Narrargentina« etwa versammelt fünf Kurzfilme aus diesem Land, darunter Shakti von Martín Rejtman, ein Regisseur, der für seine melancholisch-komischen Auslotungen der Großstadtneurotiker von Buenos Aires bekannt ist. Der Regisseur Nicolás Suárez wird seinen Film Centauro aus der Pampa persönlich vorstellen. (Fr 29.11., 18:00, Gasteig, Carl-Amery-Saal)
Aus Argentinien stammt der Dokumentarfilm Konstruktion Argentina über die Spuren des Bauhausstils in Argentinien. (Fr 29.11., 20:30, Gasteig, Carl-Amery-Saal)
Auch einen Erzählfilm in Feature-Länge gibt es aus Argentinien: Brief Story from the Green Planet von Santiago
Loza ist ein Roadmovie, das Science-Fiction und Realismus zusammenbringt. Ein außerirdisches Wesen wird von der Transfrau Tania durchs Land geleitet. Loza zeigte bereits mit Filmen wie Extraño (2003) oder Malambo, el hombre bueno (2018) einen am konkreten Wirklichen orientierten Spürsinn, der Beziehungsdramen in existentiell-befremdliche Dimensionen
führt oder Nationalmythen in feinsinnige Psychogramme übersetzt. Sich nun auf den Spuren eines Aliens durch die argentinische Landschaft zu begeben, eröffnet ihm weitere Facetten seines Landes. Loza ist hier wie einst Diego Lerman in Tan de repente (Aus heiterem Himmel, 2003) ein Meister
der atmosphärisch-poetischen Balance, die unvermutet ins Absurde zu kippen vermag. (Mi 27.11., 21:30 / Sa 30.11., 21:30, Werkstattkino)
Auf einen gemeinsamen Nenner lässt sich Lateinamerika nicht ohne Weiteres bringen, die Mischung der Kulturen, die »culturas híbridas«, birgt auch dann Überraschungen, wenn man vermeintliche Ähnlichkeiten auszumachen meint. Zwei Filme bei »Lafita« bringen eine Culture-Clash zum Austrag. Migranten aus Haiti in Chile, das ist die dokumentarische Grundlage für den fiktionalen Film Perro Bomba von Juan Cáceres. (Fr 29.11., 19:00, Werkstattkino)
Geradezu aberwitzig mutet die Geschichte in Luciérnagas von Bani Khoshnoudi an: Ramin aus dem Iran hat es in die mexikanische Hafenstadt Veracruz verschlagen. Er ist schwul und vor Verfolgung in seiner Heimat geflohen. Anscheinend hat er sich bei der Wahl des Containerschiffes, auf dem er anheuerte, vertan. Warum er im Iran im Gefängnis war, will er erst mal nicht sagen, aus Angst vor der Schwulenfeindlichkeit der mexikanischen Macho-Kultur.
Ausgerechnet in den Macho-Schwulen Guillermo mit den tätowierten Mara-Tränen und der brutalen physischen Ausstrahlung verliebt er sich dann. Das Driften zwischen den alltäglichen Nöten und den Sehnsüchten lässt ihn aber auch Solidarität erleben. In der Tochter des Pensionsbetreibers findet er eine Leidensgenossin: sie hat genug von den Launen ihres Macho-Freundes, der für kurze Zeit aus den USA zurückgekehrt ist.
Ein Film der Impressionen und der Verlorenheit zwischen
den Kulturen, von einem im Iran geborenen und in Texas aufgewachsenen Regisseur, mitproduziert von der griechischen Attenberg-Regisseurin Athina Rachel Tsangari. (Fr 29.11., 21:30 / Mo 02.12., 19:30, Werkstattkino)
Weitere ungeahnte Cross-over-Effekte kann man im zweiten Kurzfilmblock »Altibajos« entdecken. Eduardo Williams entführt in Parsi anhand eines Gedichts von Mariano Blatt in die ehemalige portugiesische Kolonie Guinea-Bissau in Westafrika. Dem Argentinier Williams war es schon mit El auge del humano (2016) gelungen, von seinem Heimatland durch unterirdische Kameratunnel und über Internetkanäle nach Mosambik und auf die Philippinen zu gelangen. Hier ist es der rhapsodische Text »No es« von Mariano Blatt, der Williams einen Bilderwirbel entfachen lässt, der ins Kreol von Guinea-Bissau führt. Das Wort „parsi“ entspricht dort dem spanischen „parece“ und bedeutet: es scheint. So entsteht ein Filmpoem, das in einem globalen optischen Schwindelgefühl die Grenzen des Sichtbaren auflöst. Aus demselben Kurzfilmblock sei noch die hypnotische Landschaftsstudie Altiplano von Malena Szam hervorgehoben. Auf 35mm gedreht, von untergründig knisterndem Infrasound vulkanischen Ursprungs begleitet, führt diese experimentelle Dokumentation ins chilenische Hochland. Erdung und Verflüchtigung werden hier auf filmmagische Weise eins. (Mo 02.12., 19:00, Werkstattkino)
Lafita 2019 – Lateinamerikanische Filmtage
26.11.-02.12.2019
Instituto Cervantes (Eröffnung am 26.11., 19:00 Uhr)
Werkstattkino (Mi-Fr 19:00, 21:30 Uhr)
Gasteig, Carl-Amery-Saal (Fr 18:00, 20:30 Uhr)