26.05.2008
61. Filmfestspiele Cannes 2008

»Das Kino ist nicht mehr stilbildend!«

TULPAN
Früher gab es Camel-Werbung,
heute haben wir Kamel-Filme:
Tulpan, Ethnokitsch aus Kasachstan
(Foto: Pandora Film Medien)

Partyklatsch, Knutschkissen, Fördergelder, Arthouse-Mainstream und noch einmal Wenders

Von Rüdiger Suchsland

Ok, also noch einmal auf den Strand, noch einmal in diesem Jahr auf eine Party, ausge­rechnet zu Wenders, den wir gestern erst so verrissen hatten. Ohne das Drängen der Freunde, die auch die Einladung besorgt hatten, wären wir nicht gegangen. Aber auch das gehört ande­rer­seits dazu: Man muss Flagge zeigen, dazu stehen, was man geschrieben hat, sich nicht verdruckst um die Ecke drücken.

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Die Tür ist streng, eine der strengsten zumindest derje­nigen Partys, bei denen ich in diesem Jahr gewesen bin, ich bin der einzige, der noch rein kommt, weil ich eben eine Einladung habe. Aber statt der erwar­teten (und draußen behaup­teten) Über­fül­lung herrscht drinnen gähnende Leere. Wenders, Campino und Co. wollen unter sich sein. Was daran spontan nervt, ist die Doppel­moral: Da macht einer einen Film über das, was einen Star-Photo­gra­phen vom Pfad des wahren Lebens abführt, und in dem es minu­ten­lange Dialoge über das Fresco »Triumph des Todes« aus Palermo gibt, in denen vorge­führt wird, dass es der Tod auf dem Bild besonders »auf die VIPs seiner Zeit« abgesehen habe, und dann ist die Party dazu eine einzige VIP-Veran­stal­tung, VIPiger, als fast jede sonst in Cannes.

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Rein­ge­kommen geht es dann erstmal um die Qualität des Wett­be­werbs und um die persön­li­chen Favoriten. Der dies­jäh­rige Wett­be­werb ist besser, als er in den Texten mancher Kollegen erscheint. Das Problem ist aber eine grund­sätz­liche Gleich­för­mig­keit der Filme, in ihren Themen, aber dummer­weise auch ästhe­tisch.
Wirklich heraus­fallen tun vor allem vier Filme: Un conte de Noël von Desplechin, den wir in den nächsten Ausgaben noch einmal gut begründet richtig loben werden. Serbis vom Phil­ip­pino Brillante Mendoza, der hier zwar im Gelesenen schlecht ankommt, aber bei denen, mit denen man so redet, gut. Two Lovers von James Gray, ein span­nendes, toll gespieltes Liebes­melo. Und Il Divo von Paolo Sorren­tino. Diese Polit-Parodie ist zwar nicht perfekt, aber immerhin intel­li­gent, lustig und angenehm grotesk. Aber wetten, dass keiner dieser Filme einen Preis bekommt? Höchstens Un conte de Noël einen Dreh­buch­preis.
Woran ich glaube (nicht mir wünsche): Die Goldene Palme für den Mafiafilm Gomorra, der mit seiner Mischung aus Main­stream und Polit-Enga­ge­ment perfekt zu den Geschmä­ckern von Sean Penn, Alfonso Cuaron und Susanne Bier passen und am Ende noch aus Ehrfurcht vor dem Meister (und Unver­s­tändnis?) Wenders.

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»James Gray hat Potential«, hatte die Kollegin noch vor dem Montags-Screening von Grays neuem Film Two Lovers gesagt, und mir ein schlechtes Gewissen gemacht, weil ich lieber mit Violeta auf den korea­ni­schen Empfang gehen wollte. Sein Potential hat GRAY aber offenbar auch diesmal nicht ausge­reizt, jeden­falls war das der Tenor fast aller Kollegen-Berichte, die mich in den nächsten Tagen erreichten. Als ich den Film dann heute, weil gerade Zeit war, doch noch nachholte, zeigte sich wieder mal, dass man sich auch auf die besten und sympa­thischsten Kollegen nicht verlassen kann, jeden­falls nicht, wenn sie abraten. Zura­tenden Tipps sollte man immer nachgehen, abraten lassen sollte man sich von nichts. Von Two Lovers müssen wir später darum noch erzählen. Die korea­ni­sche Party war dann immerhin wirklich sehr schön, und es war auch schön zu sehen, dass sich wenigs­tens die Koreaner noch darüber freuen können, wenn Wim Wenders auf einer Party auftaucht.

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Erzählt wurde auf der Wenders-Party dann davon, der Film habe bei seiner offi­zi­ellen Vorfüh­rung 20 Minuten Applaus bekommen (da sind sie wieder, die deutschen Applaus-Zähler). Kann schon sein. Man könnte das jetzt so cool abtun, wie Christoph Toke, der deutsche Produzent des Dardenne-Films, der kühl konsta­tiert: »Applaus gibt es in Cannes ja eigent­lich immer viel.« Es ist auch nicht so, dass hier auf der Party alle den Film gut fänden.
Aber inter­es­sant ist etwas anderes: Die Differenz zwischen der Wahr­neh­mung der Filme­ma­cher selbst, der der Jour­na­listen und der der Öffent­lich­keit. Die Filme­ma­cher erleben den Film in einer Gala-Vorfüh­rung. Das Publikum ist hand­ver­lesen, produk­ti­onsnah, wohl­erzogen und zu größeren Teilen kinofern. Denn Einkäufer, andere Festivals und eventuell Welt­ver­triebe sehen den Film vorher im Markt. Die Jour­na­listen in eigenen Pres­se­vor­füh­rungen. Für Deutsche gab es vorab bereits ein eigenes Screening, um dann für Inter­views den Film gesehen zu haben. Wer teilnahm, musste eine Sperr­frist­ver­ein­ba­rung unter­zeichnen. Ich bin dort nicht hinge­gangen, weil ich keine Sperr­frist­ver­ein­ba­rungen unter­schreiben wollte (oder nicht wie die Herren Berliner Redak­teure diese dann einfach brechen kann), und weil ich keine Lust habe, eine Cannes-Premiere nur mit Deutschen zu gucken – die Reaktion auslän­di­scher Jour­na­listen ist ja inter­es­sant, und gab einem – wie gestern beschrieben: Pfiffe, Buhs und Gelächter – dann ein realis­ti­sches Bild.
Aller­dings erzählten auch die Besucher der Extra­vor­füh­rung später unisono, wie schlecht sie den Film fänden – der Pres­se­agentin haben das aber nur die wenigsten offen gesagt, weil man ja noch ein Interview führen möchte. Und geschrieben haben auch die wenigsten, was sie wirklich denken, weil man ja zu Wenders freund­lich sein will. Das ist vers­tänd­lich, aber es ist auch klar, dass die gerade in Cannes gras­sie­rende Tendenz zu falscher Gnade oder gar Jubel­per­sertum gegenüber dem deutschen Kino diesem nur schadet.

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»Es sind alle nur hier, um zu knutschen«, meint Andrea, und als ich frage: »Du auch?« sagt sie einen der schönsten Sätze des Festivals: »Wenn man einen sicheren Hafen hat, kann man auch mal auslaufen.« Wir könnten jetzt für Ehekrisen bei Funk­ti­onären des deutschen Films sorgen, wenn wir alles schreiben würden, was wir gesehen haben. Jeden­falls gibt es tatsäch­lich am Strand Knutsch­kissen, auf die gerade mal zwei Leute drauf­passen, und von drei Seiten geschlos­sene Boxen. Das wirkt sonderbar ausge­rechnet bei einem Film, der so unero­tisch ist, wie dieser. Giovanna Mezzo­giorno etwa ist reine Männer­pro­jek­tion: Cool, Single, Wissen­schaft­lerin, trägt Hosen, Leder­jacke und fährt Vespa. Aber weint oft. Von so etwas ist Wenders Kino voll. Und dann mal wieder einer dieser Wenders-Dialoge: »I am scared.« – »Of what?« – »Of Eros and his arrows.« Ist jemandem eigent­lich schon aufge­fallen, dass bei Wenders immer nur fort­wäh­rend gequas­selt wird, aber nie geküsst, angefasst, nie Sex vorkommt?

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Der Film hat hier in Cannes jeden­falls nichts zu suchen, auch nicht in einer der Nebensek­tionen. Er würde hier auch niemals laufen, wenn nicht der Name Wenders draufstünde. Ein unbe­kannter Regisseur mit diesem Film – no way! Das ärgert, und es ärgert nicht zuletzt die anderen deutschen Filme­ma­cher und Produ­zenten. Zumal die deutschen Förder­richt­li­nien kleinere Filme gezielt benach­tei­ligen. Wer in der Semaine, Quinzaine oder »Certain Regard« läuft, bekommt im Bonus­system keine Bonus­punkte – aber ist es wirklich eine größere Leistung als Wim Wenders im Wett­be­werb zu laufen? Und hat Wenders die Förder­gelder genauso nötig?

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Manchmal kann man schon Schmerzen im Arm oder in der Hand bekommen im letzten Drittel von Cannes. Denn da muss alles geschrieben werden, was überhaupt zu schreiben ist, und zugleich muss man jetzt oder nie noch nachholen, was man Wichtiges versäumt hat, ein paar Tips nachgehen, die auf gute Filme in den Neben­reihen hinweisen. Dafür müssen dann andere dran glauben, Abel Ferrara zum Beispiel, dessen Film Chelsea on the Rocks hier außer Konkur­renz gezeigt wurde.
Am Ende des zwölf­tä­gigen Festivals werde ich bei einem Schnitt von drei bis vier Filmen pro Tag gut 40 Filme gesehen haben. Außer der (meist gern erfüllten) Pflicht­auf­gabe, den Wett­be­werb zu verfolgen, und darüber zu schreiben, möchte man ja auch noch Menschen treffen und auf Partys gehen, darum gibt es auch eine Menge zum Teil schmerz­hafter Versäum­nisse. Viele Filme, vor allem aus den im Prinzip ganz tollen Neben­reihen Quinzaine und Semaine – deren Programm ande­ren­orts locker ein eigenes gutes Festival ausmachen könnte, konnte ich hier nicht sehen. In einem Jahr aber werde ich dann 70 bis 80 Filme aus dem Cannes-Jahrgang 2008 gesehen haben, denn Cannes bestückt einen Großteil der Festivals der kommenden elf Monate – das geht schon los mit dem Filmfest München in vier Wochen, das immer ein Dutzend Filme aus Cannes mitbringt, und ja bis auf die deutschen Film- und Fern­seh­reihen und einzelne Glücks­griffe eine reine Nach­spiel­ver­an­stal­tung ist. Chelsea on the Rocks ist dann mit Sicher­heit auch dabei.

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Die Laune der Menschen, die hier arbeiten, wird jetzt spürbar besser. Plötzlich plaudern die Einlas­se­rinnen, oder machen Witze bei der Ruck­sack­kon­trolle. Sie sehen Licht am Ende des Tunnels, der Stress lässt nach und seit Dienstag, Mittwoch wird der Zahl der Gäste weniger. Die Arbeit der Platz­an­weiser, Sicher­heits­leute und Pres­se­be­treuer ist anstren­gend. Aber es lockt der Glamour. Michelle, die seit zehn Jahren im Pres­se­raum arbeitet, und pro Festival allen­falls zwei Filme sieht, ist eigent­lich Beamtin in einem Nach­barort. Für das Festival nimmt sie Urlaub, und ihr Arbeit­geber darf nicht wissen, was sie hier macht, der Reiz für sie ist das Geld, aber auch die Nähe zu Glamour und Prominenz. Und als »prominent« gelten hier schon die Jour­na­listen. Wenn sie wüsste...

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In drei Jahren seit 2005 hat die Zahl der Jour­na­listen, die hier akkre­di­tiert sind, um 50 Prozent zuge­nommen. Vor allem viele Russen sind dazu­ge­kommen, und viele Chinesen, auch Inder sieht man mehr. Die neuen Herren der Welt.
Wie zeitgemäß ist überhaupt noch so ein Festival? »Das Kino ist nicht mehr stil­bil­dend.« sagt Carlos. Das lassen wir hier jetzt mal so stehen.

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»Leçon du Cinema«, Kino­lek­tion heißt eine Insti­tu­tion bei den Film­fest­spielen von Cannes zu der jeweils einer der Lieblinge des Festivals gebeten wird, um sein Vers­tändnis vom Filme­ma­chen und vom Kino, vom Geist des Mediums – unüber­setzbar »Cinema« genannt – zu erläutern.
Diesmal also Tarantino, der hier vor 1994 völlig über­ra­schend mit Pulp Fiction die Goldene Palme gewann, inzwi­schen ein Fami­li­e­mit­glied, der ähnlich wie Fatih Akin vom Festival quasi adoptiert wurde, und wenn er mal nicht, wie 2007, mit einem Film da ist, dann sitzt er eben in einer Jury, oder hält eine Leçon du Cinema. 2004 präsi­dierte Tarantino selbst in der Wett­be­werbs­jury, damals gewann Michael Moore, taran­tin­oesker wirkte damals der zweit­wich­tigste Preis für Old Boy aus Korea und zwei weitere Preise fürs asia­ti­sche Kino. Solche Filme, auch so etwas wie Pulp Fiction wünscht man sich auch im dies­jäh­rigen, morgen Abend zu Ende gehenden Wett­be­werb, der zwar insgesamt ein gutes Niveau hat, aber mit eher bleiernen, düsteren oder den Arthouse-Konven­tionen entspre­chenden Filmen aufwartet.
Da kam Tarantino ganz recht. Gleich zu Beginn im riesen­großen, aber voll­be­setzten Debussy-Saal, erinnerte er an seine Jahre im Video-Store, an seine Liebe zu C, D und manchmal auch Z-Movies. Das Kino stammt vom Jahrmarkt ab, ist irgendwie immer noch Zirkus und Travestie – das sagt sich so gern, bei Tarantino stimmt es. Um das zu begreifen, muss man nur einmal hingucken, wie der Mann da auf der Bühne steht – ener­gie­ge­laden, gesti­ku­lie­rend, ein Mensch, dem man – im Gegensatz zu so verhal­tenen Geschäfts­leuten wie Spielberg oder Wenders, die auch immer von Leiden­schaft reden – seine Gefühle sofort abnimmt.
»Alle meine Filme sind Komödien« sagte er, und das wich­tigste an diesem Satz ist natürlich die Mittei­lung, man solle alles bitte nicht so ernst nehmen. Aber es gehe auch darum, seine Vorur­teile abzulegen: »Die Leute sollen über Dinge lachen, über die sie noch nie gelacht haben – weil sie eigent­lich nicht lustig sind.« Dann redete er von Godard und Rohmer, lobte die Franzosen, und auch das war mehr als nur eine Verbeu­gung vor dem Gastgeber, es machte nebenbei allen seinen Fans klar, dass Kino auch da Spaß machen kann, wo es anstren­gend ist, und keine Blut­fon­tänen an die Decke spritzen.

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Vor der »Salle Debussy« läuft uns dann noch Olivier Assayas über den Weg, als Stil-Nerd und Marken-Fetschist natürlich mit einem iPhone in der Hand. Letztes Jahr war er erst mit einem Film im Wett­be­werb. Der Regisseur (und Ex-Kritiker) gehört zu jenen wenigen Filme­ma­chern, die hier – wie Quentin Tarantino, wie Nuri Bilge Ceylan, wie Hany Abu-Assad – wirklich Filme angucken. Gleich geht er in die Wieder­ho­lungs­vor­stel­lung des argen­ti­ni­schen Films Leonera von Paolo Trapero.

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Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erleben. Und gerade Film­fes­ti­vals sind natürlich wie Reisen in fremde Länder, Kulturen, Lebens­weisen. Solche Erfah­rungen reprä­sen­tiert auch Tulpan vom Kasachen Sergey Dvorts­evoy, der am Samstag den ersten Preis erhielt, der beim Festival von Cannes vergeben wird, den »Prix Un certain Regard« für den besten Film der gleich­na­migen Sektion. Als Präsident der Jury fungierte der Deutsche Fatih Akin. In vieler Hinsicht ein bemer­kens­werter Preis.

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Tulpan lässt sich in das neue Genre der Kamel- und Schafs­filme einreihen – wenn wir das mal so nennen wollen – also der Filme mit Kamelen und/oder Schafen, die außer in der Mongolei auch noch in Kasach­stan und anderen ex-sowje­ti­schen Ländern oder womöglich im Westen Chinas ange­sie­delt sind. In diesen Filmen sind die Steppen karg, weit und gelb, die Sonne steht niedrig und eine Mädchen­stimme singt auch mal gern aus dem Hinter­grund. Die Menschen sind arm, aber freund­lich, und oft aus unserer Sicht ein bisschen kurios. Statt Haarspray nehmen sie Spucke und sehen tatsäch­lich bis auf den Dreck unter den Fingernä­geln aus wie aus dem Ei gepellt. Sie hören natürlich gern Musik, in diesem Fall die »Rivers of Babylon« von Boney M., abends drückt man sich gegen­seitig die Pickel aus, die Kinder sind süß und lustig, die Esel machen I-Ah und die Natur geht ihren Lauf.
Ungefähr die Hälfte der Leinwand ist von Himmel bedeckt, was auch Vorteile hat, denn dann kann man sich ganz auf die andere Hälfte konzen­trieren, wenn sich auf ihr nicht gerade eine Schafs­herde tummelt, in der Hütte knetet derweil die Dame des Hauses den Schaf­s­käse und hört »Radio Kazakh«, das noch so klingt, wie früher RIAS Berlin, und in dem vom Programm »Kasach­stan 2030« von Präsident Nazier­bajew die Rede ist.
Das ist genau wie es sich anhört: Zumindest am Beginn ein Klischee­bei­spiel poeti­sie­renden Ethno-Kinos. Es wird aber besser. Lämmer sterben, der Schwager will heiraten und findet keine Frau, weil die verspro­chene Gattin bockt. Sie heißt Tulpan und ist den ganzen Film nicht zu sehen, fungiert als Leer­stelle und Mythos des Films. Denn die Tochter will in die Stadt, ins College, ihr Papa findet das blöd, »but we are culti­vated people« – soll heißen: in die Ehe prügeln wird er sie nicht.
Der Film macht sich schon auch lustig über die Leute, die zum Beispiel bei einem Bild von Prinz Charles fragen, wer das ist, und sich mit der Antwort »Ameri­kanski« zufrieden geben. Solche Lacher funk­tio­nieren nur vor west­li­chem Publikum. Tulpan ist ganz offen­sicht­lich nicht für Kasach­stan gemacht.
Die Europäer beamen sich mit solchen Filmen da mal kurz rein zwischen Hütten­feuer und Schafs­dung. Aber immerhin gibt es auch eine Schafs­ge­burt, zu sehen, und das Gejammer des Schafs zu hören, ist wirklich herz­zer­reißend, die Menschen müssen mithelfen, denn von der vielen Musik sind die Schafe offenbar so dege­ne­riert, dass sie nicht mehr allein gebären können. Es kommt zur Mund-zu-Mund Beatmung von Mensch zu Schaf – das ist natürlich Kitsch, aber die Dreh­ar­beiten müssen schon toll gewesen sein.

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Es gibt gegen diesen Film eigent­lich nicht wirklich etwas zu sagen. Aber neben dem Main­stream, den wir alle kennen, gibt es auch Arthouse-Main­stream. Und da passt Tulpan perfekt hinein. Wenn man bedenkt, dass dieser Film vermut­lich größere Chancen hat, in Deutsch­land einen Verleih zu bekommen, als Desplechins wunder­barer Un conte de Noël aus dem Wett­be­werb, der heute, wenn es mit rechten Dingen zugeht, einen großen Preis bekommt, dann beginnt man, auf Filme wie Tulpan, die mit ihrer Anbie­de­rungs­at­ti­tüde unsere Kinos verstopfen und die wirkliche Filmkunst verdrängen, auch ein bisschen wütend zu sein.

Rüdiger Suchsland