Deutschland/F/IRL 2017 · 106 min. · FSK: ab 0 Regie: Volker Schlöndorff Drehbuch: Volker Schlöndorff, Colm Tóibín Kamera: Jérôme Alméras Darsteller: Stellan Skarsgård, Nina Hoss, Susanne Wolff, Isi Laborde, Bronagh Gallagher u.a. |
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Frauen wie Fallobst, Klischee auf Klischee |
Ist ein Schriftsteller, der über Authentizität, Ehrlichkeit und Mut schreibt, auch privat authentisch, mutig und ehrlich? Kann er eine Zurückweisung und Trennung, die er jahrelang bereut hat, rückgängig machen? Hat er aus Fehlern gelernt, ist er reifer geworden? Oder hat er nur eine höhere Stirn bekommen, graue Haare und Falten?
Der Schriftsteller heißt Max Zorn (Stellan Skarsgård), kommt aus Berlin und hat Erfolg. Zumindest so viel, dass der Verlag ihm eine Lesereise nach New York organisiert. Sein jüngster Roman dreht sich um die Beziehung zu einer Geliebten, die er vor 17 Jahren verlassen hat, ebenfalls in New York.
Max’ aktuelle Lebensgefährtin heißt Clara (Susanne Wolff). Sie ist jünger als er, attraktiv, sehr verliebt und immer für ihn da. Lindsay (Isi Laborde) ist eine Praktikantin, die den
Schriftsteller betreut und ihn durch die Untiefen und Tücken einer Lesereise lotst.
So einen Lotsendienst hat Max verdammt nötig. Denn er ist ein „Homme de lettres“. Schicke Klamotten, Smartphones, kunstferne Fragen, Autogrammstunden, die ganze „Verkaufe“ sind Zumutungen für so ein sensibles Künstlergemüt.
Die Ex-Geliebte, die ihm ein schlechtes Gewissen bereitet, heißt Rebecca. In New York steigt eine naheliegende Frage in Max auf. Wie wäre es, wenn er sie wieder sieht? Wird ihre alte Nähe und Vertrautheit wieder aufflammen? Hat sie ihm verziehen?
Um beides rauszubekommen, lädt er sie ausgerechnet zur Lesung aus dem Buch ein, in dem er sich mit ihrer Beziehung auseinandersetzt. Das Eingeständnis seines Versagens trägt er wie einen Orden an der Brust. Immerhin hat er aus der
schmerzhaften Trennung hohe Literatur gemacht. Selbstmitleid schwingt bei seinem Stolz auch ein bisschen mit. Im Nachhinein trauert Max Rebecca hinterher.
Rebeccas Reaktion ist ebenso naheliegend wie Max’ Wunsch. Den Mann, der sie zutiefst verletzt hat, hält sie lieber auf Abstand. Damit löst sie genau das Gegenteil aus. Max rückt ihr immer hartnäckiger auf die Pelle. Über die literarische Verarbeitung hinaus wünscht er sich Verzeihung, Versöhnung und eine Fortsetzung der Beziehung in der Realität. Eventuell sogar ein Happyend? Die Ex-Geliebte gibt nach und lädt ihn ein, zu einem gemeinsamen Ausflug.
Was wird jetzt aus
Max’ aktueller Lebensgefährtin, die ihn liebt und immer für ihn da ist? Wird er bald wieder einen schonungslosen Schlüsselroman schreiben, diesmal über die Trennung von Clara?
Nun, alles fließt, alles ist vergänglich, besonders Gefühle kommen und gehen. Das kann man niemandem vor werfen. Einen unangenehmen Beigeschmack bekommt so ein Hin und Her jedoch, wenn es von Selbstgerechtigkeit begleitet wird. Und Narzissmus. Der Unfähigkeit, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen.
Rückkehr nach Montauk lehnt sich an Montauk an von Max Frisch. Dem 1991 verstorbenen Schriftsteller ist der Film auch gewidmet. Der Film und die autobiografische Erzählung variieren das gleiche Thema. Ein Mann zwischen Frauen. Wie sich Gefühle verändern, während er über sie schreibt. Wie sie sich im Laufe der Jahre weiter entwickeln. Und wie beides, Schreiben und
Zeit, den Schriftsteller verändert haben.
Max Frisch nimmt den Leser mit auf eine Reise zu den Höhen und Tiefen einer menschlichen Seele, in diesem Fall seiner eigenen. Sein klarer, nüchterner Stil lässt vergessene Stimmungen wieder lebendig werden. Ambivalente Gefühle und zerbrechliche Situationen. Die Erzählung diente dazu, sich zu erforschen. Ohne Rücksicht auf Selbstverletzung oder Brüskierung realer Personen.
Rückkehr nach Montauk dagegen setzt den Zuschauer in ein lauwarmes Schaumbad. Der Regisseur Volker Schlöndorff und der Schriftsteller Colm Tóibín, der das Drehbuch geschrieben hat, reihen ein gefühlsduseliges, durchschaubares Klischee ans nächste. Der eitle Literaturbetrieb. Der empfindsame Künstler. Frauen, die so einem Schlawiner zu Füßen liegen, als wären sie Fallobst. Und schließlich New York und Montauk, wo Max und Rebecca schicksalhafte Tage
verbracht haben. Und wo es sie wieder hin verschlägt.
Beide Orte sind berühmt für ihre Magie. Bei der Großstadt rührt sie vom pulsierenden Lebensgefühl und der ethnischen Mixtur ihrer fast 20 Millionen Einwohner. Vor dem Dorf Montauk erstreckt sich der Atlantik. Seine Ausstreckung, Tiefe und Stürme können ein menschliches Schicksal locker relativieren.
Doch in Rückkehr nach Montauk wirkt New York wie das stylishe Exposé eines Immobilienmaklers. Montauk wie ein tausendfach
fotografiertes Touristenmotiv.
Die gediegene Langeweile, die dieser Film auslöst, kontrastiert mit Schlöndorffs ersten Regiearbeiten. In den sechziger Jahren gehörte er zu den erfolgreichsten Vertretern des „Neuen Deutschen Films“. Doch während seine Kollegen, wie Edgar Reitz, Alexander Kluge, Edgar Reitz, Wim Wenders, u. a. ihre Drehbücher selbst schrieben, also Autorenfilmer waren, fühlte sich Schlöndorff mehr von Klassikern der Literatur angezogen. Seine Adaptionen von Robert Musils Der junge Törless (1966), Günter Grass’ Die Blechtrommel (1979) und Marcel Prousts Eine Liebe von Swann (1984) lösten nicht nur öffentliche Debatten in Deutschland aus. Sie haben auch international Maßstäbe gesetzt; die Blechtrommel war ein großer Erfolg an der Kinokasse und wurde mit dem Deutschen Filmpreis, der Goldenen Palme und einem Oscar ausgezeichnet.
Zwei Überraschungen gibt es trotzdem. Wie tapfer und gut alle Darsteller spielen. Trotz schwülstiger, gestelzter Dialoge. Das ist erstaunlich.
Für die zweite Überraschung braucht man Geduld bis zum Abspann. Da steht, dass Til Schweiger den Film mitproduziert hat. Der Produzent, Regisseur, Co-Autor und Hauptdarsteller von Zweiohrküken, Kokowääh und Honig im Kopf, etc. Vermutlich interessiert er sich nicht nur für kommerzielle, sondern auch für Arthouse-Filme? Schade, dass Rückkehr nach Montauk fast alle Makel zeigt, die für den schlechten Ruf von Arthouse sorgen. Obwohl es großartige Arthouse-Filme gibt. Aber ob ein Film unterhalten und fesseln oder langweilen und
nerven wird, das weiß man vorher nicht. Das ist eine Gemeinsamkeit von Mainstream und Arthouse.