Kaiserschmarrndrama

Deutschland 2021 · 96 min. · FSK: ab 12
Regie: Ed Herzog
Drehbuchvorlage: Rita Falk
Drehbuch: ,
Kamera: Stefan Schuh
Darsteller: Sebastian Bezzel, Simon Schwarz, Eisi Gulp, Enzi Fuchs, Lisa Maria Potthoff u.a.
Alte Bekannte, viele Geschichten...
(Foto: Constantin)

Das Zeug zu einem besseren Menschen

Die inzwischen siebte Eberhoferkrimiverfilmung ist ein seltener Zwitter aus bayerischem Wirtshaustheater und amerikanischer Stand-Up-Comedy

Eigent­lich war es bei aller Kritik keine so abwegige Idee, das 38. Filmfest München mit einer neuen Folge eines der erfolg­reichsten deutschen Fran­chises der letzten Jahre zu eröffnen, umso mehr als die Verfil­mung des ersten Bandes von Rita Falks Eber­ho­fer­krimis, der Dampf­nu­del­blues, 2013 seine Premiere auf dem Münchner Filmfest feierte.
Seitdem ist aus einem regio­nalen, baye­ri­schen Kinohit mit immerhin einer halben Million Zuschauer (Winter­kar­tof­fel­knödel, Schweins­kopf al dente) ein gesamt­deut­sches Publi­kums­phä­nomen geworden, das mit Sauer­kraut­koma (2018) erstmals die Million knackte und mit der letzten Ausgabe Leber­käs­junkie (2019) und 1.260.000 Zuschauern noch eins drauf­setzte.
Deut­li­cher kann man sich als Filmfest also kaum posi­tio­nieren, und sicher­lich dürfte es auch ein paar zusätz­liche Sympa­thie­punkte geben, weil man dem siebten Teil der Eber­ho­fer­krimis mit dieser promi­nenten Festival-Plat­zie­rung ja auch Corona-Hilfe leistet, da er nicht wie Joseph Vils­maiers Boandlkramer bei einem Streaming-Dienst versenkt wurde, sondern nach der Film­fest­pre­miere ausschließ­lich von den Kinos ausge­wertet werden darf.

3-Sterne-Küche sollte man deshalb dennoch nicht erwarten, sondern so simple wie deftige altboari­sche Wirts­haus­küchen­kost. Aber immerhin die eines der besseren Wirts­häuser, die sich nicht nur durch ihre solide Qualität auszeichnen, sondern durch eine konti­nu­ier­lich solide Qualität, die auch um 22 Uhr an einem Sonntag noch abgerufen werden kann. Denn die Eberhofer-Verfil­mungen über­zeugen vor allem durch ihr gleich­blei­bendes, über­ra­schende Ausrut­scher vermei­dendes Niveau, das nicht nur ihrem »Koch« Ed Herzog zu verdanken ist, der bislang noch jede Spei­se­karte zusam­men­ge­stellt hat, sondern auch durch einen sich ständig erwei­ternden Perso­nal­stamm, der das baye­ri­sche Idiom über kleine Krimi­nal­fälle nicht nur salon­fähig, sondern vor allem aber auch gesell­schafts­kri­tik­fähig gemacht hat.

In Kaiser­schmarrn­drama wird diese Ausrich­tung noch einmal forciert, da das auf dem langen Weg von sechs Filmen einge­sam­melte Personal komplett einge­bunden ist und sich die Provinz­posse nun tatsäch­lich wie eine altdeut­sche Schwank­samm­lung im Komö­dien­stadl ansieht, in der verball­hornt wird, was gerade angesagt ist. Dass der Mord an einem Nieder­kal­ten­kir­chener Internet-Erotik-Girl dabei allen­falls asso­ziativ einge­bunden wird, passt in dieses Konzept. Denn über Franz Eber­ho­fers (Sebastian Bezzel) Ermitt­lungen gegenüber den Unwäg­bar­keiten moderner Medien und seinen Ressen­ti­ments gegenüber seinem Kollegen Rudi Birken­berger (Simon Schwarz), den Ehepro­blemen mit seiner Frau Susi (Lisa Maria Potthoff) und seinen Eman­zi­pa­ti­ons­ver­su­chen gegenüber seinem Vater, der gegen den Neubau seiner Söhne eine Anti-Gentri­fi­zie­rung-Kampagne startet, lassen sich im Kalauer-Galopp und mit ausrei­chend schwarzem Humor fast alle gesell­schafts- und fami­li­en­re­le­vanten Streit­themen abhaken.

Das wirkt in seiner sammel­su­ri­en­ar­tigen Inten­sität dann und wann wie eine gackernde Gag-Sammlung, weil der den Erzähl­faden zusam­men­hal­tende Krimi­nal­fall halt immer mehr zur Neben­sache wird, doch gelingt es Herzog über seine Schau­spieler dieses Defizit fast wieder wett­zu­ma­chen, so dass man am Ende eigent­lich das seltene und sehr über­ra­schende Gefühl hat, der schunklig-baye­ri­schen Bauern­thea­ter­va­ri­ante der knall­harten Stand-Up-Comedian-Szene in Los Angeles beigewohnt zu haben. Oder um in der Fress­sym­bolik der Film­ti­telei zu bleiben, einen sehr großen, sehr süßen XL-Becher Kaiser­schmarrn-Shake getrunken zu haben.

Das ist nicht sonder­lich gesund und auch nur selten wirklich politisch, anar­chis­tisch, lustig oder über­ra­schend, aber erfüllt dann halt doch unsere larifari-larmoy­ante Sehnsucht, uns über exotis­ti­sche Blöde­leien mutig den Zerr­spiegel unseres Selbst vorzu­halten. Um für einen Augen­blick, nicht länger als ein Furz, die abstruse Hoffnung zu hegen, viel­leicht doch das Zeug zu einem besseren Menschen zu haben.