USA 2021 · 114 min. · FSK: ab 12 Regie: Adam Wingard Drehbuch: Eric Pearson, Max Borenstein Kamera: Ben Seresin Darsteller: Alexander Skarsgård, Millie Bobby Brown, Rebecca Hall, Brian Tyree Henry, Shun Oguri u.a. |
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Tier und Mutation sind am Ende dann doch die besseren Menschen | ||
(Foto: Warner Bros.) |
Monster sind vielleicht wirklich die besseren Therapeuten, denn sie haben das Talent, uns so eindringlich zu erschrecken, dass wir uns selbst vergessen und für Momente neue, gesunde Menschen sind. Deshalb verwundert es auch nicht, dass Adam Wingards Godzilla vs. Kong seit seinem US-Start im März 2021 mit fast einer halben Milliarde Zuschauern weltweit zu einem der erfolgreichsten Filme der Pandemie wurde.
Das liegt natürlich nicht nur an dem psychologischen Effekt, für den die Kinobesucher (und HBO-Abonnenten) für verhältnismäßig wenig Geld tatsächlich eine Menge Therapie bekommen, sondern auch daran, dass dieser »Effekt« auch wirklich eindrücklich und vor allem historisch präzise eingebettet wird.
Denn sowohl Regisseur Adam Wingard mit seinen Erfahrungen aus den tiefsten Tiefen des Horrors (Home Sick, Blair Witch) als auch der Writers Room von Godzilla vs. Kong ziehen an allen Strängen, die hier bedient werden müssen, um sowohl Einmal- und Erstkonsumenten als auch den filmhistorisch Interessierten zu erreichen und transparent zu machen, dass wir hier einem besonderen Moment beiwohnen.
Denn es ist der erste Film seit der Rückkehr des King Kong (1962) vor 59 Jahren, in dem King Kong und Godzilla wieder aufeinander treffen und gleichzeitig der vierte Teil des MonsterVerse-Franchises, das seit 2014 entweder Godzilla ins Zentrum der Handlung rückte (Godzilla, Godzilla: King of the Monsters) oder King Kong (Kong: Skull Island).
Die Handlung setzt fünf Jahre nach den Ereignissen aus Godzilla: King of the Monsters und 51 Jahre nach Kong: Skull Island ein (dessen Handlung im Jahr 1973 angesiedelt ist) und bringt – wie schon erwähnt – nicht nur beide Super-Monster auf die Leinwand, sondern landet auch in einer nur wenig entfernten Zukunft unserer Gegenwart.
Und dann, das sei nur am Rande erwähnt, ist das alles auch ein wunderschönes, fast schon romantisches Tribut an die Geschichte dieses verrückten Franchise-Amalgams. Denn schließlich entstand der erste Godzilla-Film von Ishirō Honda und den Toho Studios 1954 als begeisterte Reaktion auf die Erfolge von King Kong und die weiße Frau (1933), war aber über zahlreiche andere Kaju-Charaktere gleichzeitig auch Ausdruck und Bewältigung der japanischen Traumata durch den Atombombenabwurf 1945. Eine erzählerische Symbiose, die sich dann auch erzählerisch in der Rückkehr des King Kong (1962) ausdrückte, in der beide Monster am Ende nach einer unentschiedenen Schlacht auf Distanz zu der Menschheit gingen.
Im MonsterVerse unserer Gegenwart ist das natürlich anders. Hier haben sich die Monster sogar mit der Menschheit arrangiert, auch wenn die Distanz, zumindest bzgl. Godzillas, erhalten bleibt. Doch Kong ist über Dr. Ilene Andrews (Rebecca Hall) und vor allem ihre Adoptiv-Tochter Madison (Millie Bobby Brown) auf dem besten Weg, in wirkliche Kommunikation mit der Menschheit zu treten. Ein Prozess, der allerdings in alle Richtungen eskaliert und fast implodiert, weil aus dem Nichts heraus und völlig überraschend Godzilla die Menschheit angreift und ähnlich wie bei dem letzten Zusammentreffen im Jahr 1962 King Kong zu einer finalen Schlacht herausfordert.
Godzilla vs. Kong zitiert den Klassiker allerdings ebenso wie er ihn neu schreibt und um weitere (literarische und filmische) Mythologien anreichert. Denn so wie Goethes Zauberlehrling mit seinen Geistern, die er rief und nicht mehr los wird, bemüht sich Wingard auch um eine saubere Implementierung des Frankenstein-Mythos, der über Walter Simmons (Demián Bichir), den CEO von Apex Cybernetics und seinen Zuarbeiter Dr. Nathan Lind (Alexander Skarsgård) wieder einmal zu Leben erwacht und ein ähnliches Chaos anstiftet wie vor so langer Zeit schon Mary Shellys Frankenstein oder das filmische Frankenurgestein (1931) mit Boris Karloff.
Die damit einhergehenden Special Effects, vor allem des finalen Dreier-Kampfes auf dem Stadtgebiet Hong Kongs (!), sind so atemberaubend und detailreich choreografiert wie therapeutisch »reinigend« und sollten jedem Betrachter alle Erinnerungen an schlechte Zeiten austreiben. Ein wenig abträglich ist dabei allerdings, dass es Godzilla vs. Kong erst im Finale gelingt, große Gefühle zu evozieren, die der Film durch sein charakterlich eher flaches Personal bis dahin so gut wie gar nicht bedienen kann, vielleicht ja auch gar nicht bedienen will.
Denn wie im so klugen wie gelungenen Planet der Affen: Survival ist auch hier das Tier und die Mutation am Ende der bessere Mensch, während der Mensch weiter mühsam damit ringt, sich seiner schlechten Seiten zu entledigen, so dass es am Ende auch die Monster sind, die den nachhaltigen Therapieerfolg für die Menschen garantieren. Vorausgesetzt, die Menschen akzeptieren, dass mit Monstern zu leben auch das Überleben der eigenen Spezies wahrscheinlicher macht. Denn die nächste Pandemie kommt ganz bestimmt.