15.11.2018

Die Leben der Anderen

Djam
Der Eröffnungsfilm der Griechischen Filmwoche: Djam
(Foto: Tony Gatlif / Griechische Filmwoche)

Eine Vorschau auf die 32. Griechische Filmwoche München

Von Elke Eckert

Das Festival des grie­chi­schen Films, bei dem sich spannende Spiel­filme mit anspruchs­vollen Doku­men­ta­tionen abwech­seln, wird dieses Jahr zum ersten Mal in Eigen­regie von der Gruppe Cinephil – Freunde des grie­chi­schen Films orga­ni­siert. Themen­schwer­punkte sind die Umbrüche im Leben verschie­dener Genera­tionen und Geschichten, die auf realen Ereig­nissen basieren oder von antiken Mythen inspi­riert sind. Veran­stal­tungsort ist wie jedes Jahr der Gasteig.

Djam, der Eröff­nungs­film der dies­jäh­rigen Filmwoche ist eine Geschichte über die Freund­schaft. Die junge Griechin Djam kommt nach Istanbul, um für ihren Onkel ein Ersatz­teil für dessen Boot zu besorgen. Bald begegnet sie Avril, einer 19-jährigen Französin, die in der Türkei als Flücht­lings­hel­ferin arbeitet. Die beiden jungen Frauen freunden sich an und erleben gemeinsam ein paar unver­gess­liche Tage. Tony Gatlifs hoff­nungs­voller, völker­ver­bin­dender Film bezieht seinen Charme nicht zuletzt aus dem Musikstil Rembetiko, der auch grie­chi­scher Blues genannt wird und Anfang der 1920er Jahre entstanden ist, als Flücht­linge aus Klein­asien auf das grie­chi­sche Festland kamen. Am Eröff­nungs­abend sorgt die Rembetiko-Gruppe »Ta Mour­mou­raki« schon vor dem Film für die richtige Stimmung. Der Eröff­nungs­emp­fang findet nach der Vorstel­lung in der Münchner Stadt­bi­blio­thek am Gasteig statt. (Do 15.11., 19 Uhr / Do 22.11., 18:30 Uhr).

Auch im Doku­men­tar­film Wie Bojen im Meer – Drifting Genera­tion von Stella Nikoletta Drossa stehen junge Frauen im Mittel­punkt. In ihrem Lang­zeit­por­trät beglei­tete die Regis­seurin zwischen 2010 und 2016 eine Clique von fünf Grie­chinnen. Allesamt Töchter von Gast­ar­bei­tern sind sie in die Heimat ihrer Eltern zurück­ge­kehrt, um in Thes­sa­lo­niki zu studieren. Drossa schildert in dieser sehr persön­li­chen Doku nicht nur, wie die fünf Studen­tinnen versuchen, sich trotz der schweren Wirt­schafts­krise eine beruf­liche Zukunft aufzu­bauen, sondern erzählt auch von ihren eigenen Erfah­rungen. (Sa 24.11., 15:30 Uhr).
Ebenfalls vor dem Hinter­grund der Wirt­schafts­krise spielt Nikos Perakis' Gesell­schafts­sa­tire Success Story. Ein bekannter und erfolg­rei­cher Schrift­steller verliebt sich in eine aufstre­bende Jung­s­chau­spie­lerin. Die beiden kommen aus völlig unter­schied­li­chen Milieus, was zu Schwie­rig­keiten in der in vielerlei Hinsicht unglei­chen Beziehung führt und Betrug und Intrigen zur Folge hat. (Fr 16.11., 18:30 Uhr / Sa 24.11., 20.30 Uhr, der Regisseur ist zu Gast).

Die schwarze Komödie Do it Yourself nimmt sich ein anderes aktuelles Thema vor. Fake News lässt der dubiose Geschäfts­mann Beze­rianos gewis­ser­maßen produ­zieren, als er mit dem Klein­kri­mi­nellen Alkis ein Video dreht, das seine Weste weiß waschen soll. Kaum ist das Ding im Kasten, will Beze­rianos Alkis aus dem Weg räumen. Doch Alkis flieht vor dem Killer gleich ins nächste Film­studio, mitten hinein in einen Erotik­dreh. Der origi­nelle und intel­li­gente Film von Dimitris Tsili­fonis wurde beim Thes­sa­lo­niki Film Festival 2017 mit dem Preis der Jugend­jury ausge­zeichnet. (Fr 16.11., 21 Uhr / Mo 19.11., 18:30 Uhr).

Schwarz und skurril ist auch die Tragi­komödie Pity, in der es um eine ganz eigene Art von Abhän­gig­keit geht. Ein Anwalt muss damit klar­kommen, dass seine Frau ins Koma fällt. Sein Umfeld reagiert darauf mit jeder Menge Mitleid, was bei dem erfolg­rei­chen Mann zu großen Glücks­ge­fühlen führt. Als seine Frau plötzlich erwacht, merkt er, dass er diese Art der Zuwendung nicht mehr missen will. Babis Makridis' genial konstru­ierte Groteske feierte ihre Welt­pre­miere auf dem Sundance Film Festival. (So 18.11., 20:30 Uhr / Fr 23.11., 18:30 Uhr)

Mit einem deutlich feind­li­cheren Umfeld bekommt es ein grie­chi­sches Waisen­mäd­chen in Polyxeni zu tun. Mitte der 1950er-Jahre von einem Istan­buler Ehepaar aus der High Society adoptiert, ist Polyxeni als junge Frau plötzlich wieder auf sich allein gestellt und muss wegen miss­güns­tiger Zeit­ge­nossen um ihr Erbe fürchten. Das bewegende Drama, das vor allem im Istanbul der 1970er-Jahre spielt, wurde beim Festival Cinéma Médi­ter­ranéen Tétouan 2018 in Marokko mit dem Haupt­preis ausge­zeichnet. (Di 20.11., 18:30 Uhr / 23.11., 21 Uhr)

Ziemlich allein fühlt sich auch der 14-jährige Yannis im Kinder­film Ein grie­chi­scher Sommer. Mit seinem schlecht­ge­launten Vater lebt er auf einer kleinen Fischer­insel, die nicht gerade reich an Attrak­tionen ist. Das ändert sich, als Yannis eines Tages ein verletztes und ausge­hun­gertes Pelikan-Junges findet und es wieder aufpäp­pelt. Der Vogel wächst und gedeiht und zieht Scharen von Touristen an, die auf das arme Eiland kommen, um das schöne und seltene Tier zu sehen. Doch dann passiert ein Unfall. Ein Film für alle kleinen und großen Grie­chen­land­fans und der einzige, der in der deutschen Fassung gezeigt wird. (Fr 23.11., 15 Uhr)

Menschen vieler Genera­tionen hat die 1925 in Athen geborene Kinder- und Jugend­buch­au­torin Alki Zei begeis­tert. In ihrer Doku­men­ta­tion Alki’s Long Walk spricht Regis­seurin Margarita Manda mit Freunden, Fami­li­en­mit­glie­dern und anderen Wegge­fährten der heute 93-Jährigen. Das bewegte Leben der Schrift­stel­lerin ist gleich­zeitig eine Chronik der Geschichte Grie­chen­lands der letzten hundert Jahre. Die filmische Biografie wurde als bester Doku­men­tar­film bei den Hellenic Film Academy Awards 2018 nominiert. (Mi 21.11., 20:30 Uhr)

In der dunkelsten Zeit des 20. Jahr­hun­derts spielt das Drama The Last Note, genauer gesagt, 1944 in einem Konzen­tra­ti­ons­lager in der Nähe von Athen. Einer der Gefan­genen ist Napo­le­ontas, der vom Lager­kom­man­danten gezwungen wird, sein persön­li­cher Über­setzer zu sein. Die Lage spitzt sich zu, als vier Natio­nal­so­zia­listen von grie­chi­schen Wider­stands­kämp­fern getötet werden und die deutschen Besatzer Vergel­tung wollen. Das bewegende Drama von Pantelis Voulgaris gewann beim Los Angeles Greek Film Festival 2018 den Publi­kums­preis. (Sa 17.11., 20:30 Uhr / 25.11., 18 Uhr)

Um Schuld und Sühne geht es auch in Giorgos Lanthimos' The Killing of a Sacred Deer. Lanthimos, der bereits für seinen Erfolg The Lobster Colin Farrell gewinnen konnte, besetzte ihn auch hier als Haupt­dar­steller, diesmal an der Seite von Nicole Kidman. Sein beklem­mendes Drama ist von Euripides' »Iphigenie« inspi­riert und wurde beim Film­fes­tival in Cannes 2017 mit dem Preis für das beste Drehbuch ausge­zeichnet. Herz­chirurg Steven, beruflich erfolg­reich und mit Bilder­buch­fa­milie, verbindet mit dem 16-jährigen Martin eine Freund­schaft. Die ist aller­dings weit weniger harmlos, als es auf den ersten Blick aussieht: Martins Vater ist bei einer von Stevens Herz-OPs gestorben. Der hat seitdem tiefe Schuld­ge­fühle, während Martin vor allem eines will: Rache. (So 18.11., 18 Uhr / So 25.11., 20:30 Uhr)

Ebenfalls eine schick­sal­hafte Verbin­dung steht im Mittel­punkt von Alex­an­dros Avranas' Drama Love Me Not. Ein wohl­ha­bendes Ehepaar möchte unbedingt ein Kind und will sich diesen Wunsch mithilfe einer Leih­mutter erfüllen. Deshalb zieht eine junge Migrantin bei den beiden ein. Das Arran­ge­ment geht so lange gut, bis die Ehefrau Depres­sionen bekommt und der Mann auf Geschäfts­reise muss. Der verstö­rende Thriller basiert auf realen Ereig­nissen und wirft die Frage nach mora­li­schen Grenzen auf. (Mo 19.11., 21 Uhr)

Auch das Drama Inter­rup­tion ist von der Wirk­lich­keit inspi­riert – von der im Oktober 2002 durch tsche­tsche­ni­sche Rebellen verübten Geisel­nahme in einem Moskauer Theater. In Yorgos Zois' Psycho­thriller wird gerade eine moderne Adaption eines antiken Dramas aufge­führt, als eine bewaff­nete und dunkel geklei­dete Gruppe im wahrsten Wortsinn die Regie übernimmt und das Publikum auffor­dert, in die Handlung der grie­chi­schen Tragödie einzu­greifen. Zuerst glauben die Zuschauer, dass die Unter­bre­chung zur Insze­nie­rung gehört, doch bald scheint nichts mehr sicher zu sein. Yorgos Zois bekam für Inter­rup­tion von der Grie­chi­schen Film­aka­demie den Preis als bester Nach­wuchs­re­gis­seur. (Do 22.11., 21 Uhr)

Die Bühne spielt auch in der Doku­men­ta­tion The Return eine wichtige Rolle. Regisseur Menelaos Kara­ma­ghiolis stellt die Frage, ob Thea­ter­spielen bei der Reso­zia­li­sie­rung von Straf­tä­tern helfen kann. Jugend­liche Häftlinge sollen ihr eigenes Leben insze­nieren und so versuchen, in einem restrik­tiven Raum wie dem Gefängnis Zwänge zu über­winden und damit die Zeit ihrer Haft sinnvoll für sich zu nutzen. (Sa 17.11., 17:30 Uhr mit Vortrag und Q&A des Regis­seurs)

Im Anima­ti­ons­film The Ox ist ein imaginäres König­reich der Ort der Handlung. Die Bewohner müssen die Feld­ar­beit mühsam mit Ochsen­karren bewerk­stel­ligen und sind hoch­er­freut, als sie von einem magischen Dünger erfahren, der die Erde ihrer Äcker ruckzuck in Gold verwan­deln kann. Regisseur Yorgos Niko­poulos nahm sich die Sage von König Midas zum Vorbild, sein Film lief weltweit auf Festivals und wurde mehrfach ausge­zeichnet. (Di 20.11., 21 Uhr)

Zungen­bre­cher, bei denen schwie­rige Wort- und Laut­kom­bi­na­tion möglichst schnell gespro­chen werden müssen, gibt es in jedem Land. Woher sie kommen und ob sie einen tieferen Sinn haben, fragt Regisseur Simos Korexe­n­idis in seinem gleich danach benannten Film Zungen­bre­cher seine Inter­view­partner, vom Sprach­wis­sen­schaftler über den Schrift­steller bis hin zum Schau­spieler. Die sehr unter­schied­li­chen Antworten sind so witzig wie erstaun­lich. (Mi 21.11., 18:30 Uhr)

Wie jedes Jahr wird das Film­pro­gramm durch eine »Best of«-Auswahl von Kurz­filmen ergänzt. Diese kommen wieder vom aktuellen Festival in Drama, der Talent­börse der jungen grie­chi­schen Filmszene. Darüber hinaus stellen die Regis­seure Konstan­tinos Fran­goulis und Giorgos Ange­lo­poulos erstmals ihre Kurzfilme dem Münchner Publikum vor. (Sa 24.11., 18 Uhr)

Im Anschluss an die Vorstel­lungen lädt die Cinephil-Gruppe ins »Pixel« ein. Der Begeg­nungsort im Gasteig ist ab 19 Uhr geöffnet. Es werden Werke der Künst­lerin Fotini Potamia präsen­tiert, und der Musik­lieb­haber und Betreiber des Münchner Optimal-Plat­ten­la­dens Christos Davi­do­poulos bringt den Besuchern der Filmwoche den Rembetiko näher. Im Eingangs­be­reich der Stadt­bi­blio­thek am Gasteig können sich Kinder und Erwach­sene außerdem zum Schmökern in eine grie­chi­sche Leseecke zurück­ziehen.

32. Grie­chi­sche Filmwoche
15. – 25. November 2018
Gasteig, Carl-Amery-Saal
Rosen­hei­merstr. 5, 81667 München
Eintritt: 7€
Eine Veran­stal­tung von cinephil – Freunde des grie­chi­schen Films, in Zusam­men­ar­beit mit Filmstadt München e.V. und Münchner Stadt­bi­blio­thek.
Mehr Infor­ma­tionen unter grie­chischefilm­woche.de