»The Working Class Can Kiss My Ass« |
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Worst Case Scenario (2001–2003 | 8 min | digital) |
Von Dunja Bialas
Auch dieses Jahr steht wieder eine Lecture auf dem Programm. Zu Gast ist der 1952 in East London geborene britische Künstler John Smith.
Smith ist einer der bedeutendsten Vertreter der zeitgenössischen Filmavantgarde und gilt als exzentrischer und humorvoller Filmemacher. Seine experimentellen Filme sind voller Bild- und Sprachwitz, dabei rätselhaft, scharfsinnig und ironisch verspielt. Der 1976 entstandene Geniestreich The Girl Chewing Gum
erlangte Kultstatus und steht am Anfang eines vielseitigen Filmschaffens, das gleichermaßen im Kontext von Kino und Museum gezeigt wird.
Seine Arbeiten sind oftmals filmische Vexierbilder, in denen sich das Verhältnis von Filmbild und Regie, Fakt und Fiktion verkehrt. Ungewöhnlich für einen Experimentalfilmer verleiht John Smith seinen Filmminiaturen auch eine politische Dimension. In der über mehrere Jahre hinweg gedrehten Hotelzimmer-Serie kommentiert er, ausgehend von
persönlichen Erlebnissen, das tagespolitische Weltgeschehen – mit britischer Zurückhaltung, schwarzem Humor und einer guten Portion Selbstironie. John Smith ist Preisträger des Paul Hamlyn Foundation Award for Artists und des Film London Jarman Award 2013.
Hier wurde John Smith geboren und lebt heute noch: Im Stadtteil East London. In der ersten Lecture der UNDERDOX Halbzeit sind Filme zu sehen, die John Smith in seiner Heimat realisiert hat. East London war in den 1970er und 80er Jahren ein reges Arbeiter- und Künstlerviertel, mit der Galerie ACME als Epizentrum der Avantgarde. Heute ist East London, wie alle pulsierenden Orte, von der Gentrifizierung heimgesucht. Umso wertvoller, dass viele der Kurzfilme von John Smith in East London spielen. (East London Spectres, Donnerstag, 11.06., 19 Uhr, Filmmuseum München)
Die zweite Lecture zur UNDERDOX Halbzeit steht unter dem Titel The Working Class Can Kiss My Ass. Er verdankt sich einem Lied, das der Vater von John Smith immer pfiff, während er malte, und steht in programmatischer Weise für die politischen Filme John Smiths, die er auf seinen Reisen machte und die mit seinem britischen Humor pikant gewürzt sind. Seine berühmten Tagebuchfilme Hotel Diaries entstanden während seiner Reisen und Aufenthalten bei Festivals und Ausstellungen. John Smith wagt den Blick aus dem Fenster und wendet sich dem Weltgeschehen zu. Seine selbstgesprochenen Kommentare reflektieren die Komplexheit, aber auch die seltsame Einfachheit des Lebens. (The Working Class Can Kiss My Ass, Freitag, 11.06., 18.30 Uhr, Filmmuseum München)
Die Autorin Dunja Bialas ist Mitbegründerin und Co-Leiterin des UNDERDOX Festivals.