18.12.2014
Cinema Moralia – Folge 98

Die Lebenden und die Toten

Bodo Fründt
Bodo Fründt (1945-2014)

Eine Gedenkfeier für Bodo Fründt und die DFFB im gefühlten Überlebenskampf durch Björn Böhnings Versagen – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 98. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Was schulden wir den Toten? Nichts. Nicht mehr als den Lebenden jeden­falls. Respekt, Erin­ne­rung, Gefühle. Bodo Fründt war ein sehr ange­nehmer, sehr inter­es­santer Mensch. Liebevoll. Und genau. Eine schil­lernde Persön­lich­keit. Ein Unver­stan­dener, wage ich zu sagen. Viele haben ihn gemocht, manche auch nicht. Aber wenige wurden schlau aus ihm. Fünf Jahre lang habe ich ihm im Frühjahr gegenüber gesessen, und wir haben den Katalog des Filmfests München gemacht, er war natürlich der Chef. Ich habe von ihm einiges gelernt und hätte viel­leicht noch mehr lernen können. Bodo hat bei der ersten Begegnung etwas Einschüch­terndes gehabt, aber wenn er einen mochte und vertraute, war es eine unglaub­lich unprä­ten­tiöse Zusam­men­ar­beit. Er hat dabei vieles erzählt, aus seinen Zeiten beim Kölner Stadt­an­zeiger, der »Kölner Schule« mit Hans Christoph Blumen­berg und Hans Peter Kochen­rath, bei der »Berlinale«, beim »Stern«, und dann drei Jahr­zehnte in München bei der »Süddeut­schen«. Es sei »der größte Fehler seines Lebens« gewesen, sagte Bodo einmal, beim Stern gekündigt zu haben.
Jetzt ist Bodo Fründt, geboren am 16. September 1945, über­ra­schend gestorben: Am Dienstag, den 2. Dezember 2014, nachdem er seine letzte Film­kritik an die Redaktion der Süddeut­schen Zeitung gemailt hatte.
Aus diesem Anlass findet am Donnerstag, den 18. Dezember, um 15 Uhr im Kino des Film­mu­seum München, am Sankt-Jakobs-Platz 1 eine Trau­er­feier statt. Wer Bodos Sohn Julian bei den Kosten unter­s­tützen möchte, die jetzt auf ihn zukommen, kann das unter folgenden Konto­daten tun:
IBAN: DE83 7015 0000 1000 5541 60, BIC: SSKMDEMMXXX, Kennwort: Bodo

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Kurz vor Jahres­ende spitzen sich offen­kundig die Verhält­nisse an der Berliner DFFB zu. Anlass, aber nicht Ursache ist die Frage der Nachfolge auf dem Direk­to­ren­posten. Der letzte Direktor, Jan Schütte, eine in jeder Hinsicht schwache Figur und völlige Fehl­be­set­zung auf dieser Position, hatte es in kürzester Zeit geschafft, den guten Ruf der DFFB zu beschä­digen und vieles von dem, zu ruinieren, was seine Vorgänger Reinhard Hauff und Hartmut Bitomsky (ja, der auch) aufgebaut hatten. Die DFFB ist ja entgegen manchen Ansichten keines­wegs identisch mit der »Berliner Schule«, sondern voller Vielfalt, Plura­lität und Toleranz. Die Hand­schrift der Schule ist ihr Niveau. Die DFFB ist aber eine Kunst­aka­demie, die nie dazu gedacht war, den Kanni­balen in den Fern­seh­an­stalten unbe­darfte Jung­filmer zum Frühstück und zur weiteren Ausbeu­tung zu servieren.
Das Wider­s­tän­dige, Kreative der DFFB konnte auch Jan Schütte trotz aller Mühe nicht zerstören. In den letzten Jahren entstanden Filme wie Das merk­wür­dige Kätzchen, Oh Boy, Anna Pavlova Lebt In Berlin, Der Samurai, Komm und spiel, Ein prole­ta­ri­sches Winter­mär­chen, Ich will mich nicht künstlich aufregen oder Die Finanzen Des Gross­herr­zogs Radikant Film. Keine schlechte Bilanz. Aber ausgerechnet diese und sämtliche anderen Filme der DFFB, die ein wenig international erfolgreich waren und Beifall von Kritik und Publikum bekamen, waren von Schütte nicht gewollt und oft aktiv bekämpft worden, was viel über Schüttes Geschmack sagt und alles über seine Vorstellung von dieser Akademie. Sein Abgang durch die Hintertür und seine letzte Amtshandlung – die bislang schwarzen Wände des DFFB-Kinos ließ er komplett in Gold anstreichen!!! – belegen das Versagen der Findungskommission und der Entscheidungsträger bei der letzten Direktorenbestimmung.

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Alles deutet darauf hin, dass die Verant­wort­li­chen aus ihrem Versagen nichts gelernt haben: Namen der Kandi­daten sickern im halben Dutzend durch – und zwar nicht von Studen­ten­seite aus – und nach allem, was man wissen kann, werden hoch­in­ter­es­sante Optionen vom Kura­to­rium von vorn­herein ausge­schlossen: Öffent­lich die Rede ist bislang von Andres Veiel, Alfred Holighaus, Bela Tarr. Fred Kelemen hatte seine Bewerbung bereits selbst öffent­lich gemacht. Er zumindest hat offenbar keine Scheu sich einer öffent­li­chen Debatte zu stellen.
Bekannt ist ferner, dass all diese Namen von der Findungs­kom­mis­sion zurück­ge­wiesen wurden – man möchte schon sehr gern wissen, was sie eigent­lich in deren Augen unge­eignet macht, um die DFFB zu leiten.
Nominiert hat die Kommis­sion hingegen Sophie Main­ti­gneux, die sich bereits vor vier Jahren beworben hatte, und deren Bewerbung von Studenten wie Dozenten unter­s­tützt wird, und den weithin unbe­kannten öster­rei­chi­schen Regisseur Julian Pösler – der weiße Wal in diesem Bewer­bungs­ver­fahren, weil über ihn nicht viel bekannt ist. Auf Wikipedia ist heraus­zu­finden, dass er immerhin einmal Assistent von Axel Corti war und neben quoten­träch­tigem Fernsehen den wenig geschmacksi­cheren Kinofilm »Die Wand« zu verant­worten hat.
Offen­sicht­lich war Pösler der Kommis­sion dann so wenig geheuer, wie eine Kandi­datin, die die Unter­s­tüt­zung kommender Filme­ma­cher, aber nicht gegen­wär­tiger Förderer und früherer Produ­zenten hat, und die Kommis­sion einigte sich darauf sich nicht zu einigen, und die Entschei­dung »nicht vor Weih­nachten« zu fällen.

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So könnte sich der Fall DFFB zu einem Fall Björn Böhning entwi­ckeln. Der Wowereit-Vertraute und Chef der Berliner Staats­kanzlei möchte das unter dem neuen Regie­renden Bürger­meister gerne bleiben.Schlechte Presse könnte dieser Absicht schaden und die wäre im Fall einer vorzei­tigen Ernennung des von ihm offenbar favo­ri­sierten Öster­rei­chers sicher. Bereits mit der Entschei­dung für Jan Schütte, die an der DFFB offen als »Griff ins Klo« kommen­tiert wird, hat Böhning sich persön­lich geschadet.

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An derar­tigen Macht- und Ränke­spielen sind die DFFB-Studenten nicht inter­es­siert. Sie wollen gute Kino­ma­cher werden, und dazu ihr Handwerk lernen. Dafür wünschen sie eine künst­le­ri­sche Leitung, die diesen Namen verdient, feste, prägende Dozenten, mitunter alter­na­tive Semi­nar­formen. Die DFFB soll ein Ort konfron­ta­tiver Diskurse bleiben, ihre Beson­der­heit soll nicht aufs Spiel gesetzt werden.

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Unter­s­tützt wird die Debatte um eine best­mög­liche Filmaus­bil­dung in der Haupt­stadt von vielen Filme­ma­chern aller Stil­rich­tungen.
Unter anderem Wolfgang Becker, Detlev Buck, Chris Kraus, Pia Marais und Christian Petzold nehmen daher am kommenden Freitag, um 19 Uhr in der »Akademie der Künste« an einer Podi­ums­dis­kus­sion der Studen­ten­schaft der DFFB teil, in der es um die Zukunft der Filmaus­bil­dung allgemein und der DFFB im Beson­deren gehen wird.

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Was schulden die Toten uns? Nichts. Uns nicht heim­zu­su­chen, viel­leicht.

(To be continued)

Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind hier in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beob­ach­tungen, Kurz­kri­tiken, Klatsch und Film­po­litik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kino­ge­hers.