Trolls

USA 2016 · 93 min. · FSK: ab 0
Regie: Mike Mitchell
Drehbuch: ,
Musik: Christophe Beck
Kamera: Yong Duk Jhun
Schnitt: Nick Fletcher, Julie Rogers
Diktat zum Fröhlichsein

Trolls und Kubo – der breite Grad zwischen Spannung und Grusel

Mein Sohn Jonathan ist sechs Jahre alt, geht noch in den Kinder­garten und ist – man kann es nicht anders bezeichnen – äußerst filmaffin. Das mag in diesem Alter keine Über­ra­schung sein, aber was mich dennoch immer wieder erstaunt, ist das Spektrum, das Kinder in diesem Alter abdecken. Man kann sehr viel wagen – und eigent­lich fast nur gewinnen. Denn der kritische Geist hat in diesem Alter eine gänzlich andere Ausrich­tung. Neues, wie schlecht auch darge­boten, ist ein hoher Wert an sich, weshalb es einen schlechten Film nur ganz selten gibt, da mit sechs Jahren die Welt noch fast jeden Tag mit einer Neuigkeit aufwartet, die begeis­tert.

Als wir uns neulich die Pres­se­vor­stel­lungen von Kubo und Trolls gemeinsam ansahen, die fast double-feature-gerecht in der gleichen Woche liefen, erwartete ich von ihm in diesem Fall aller­dings mehr als eine Gleich­stel­lung dieser zwei Filme. Das lag vor allem an meinen eigenen, hohen Erwar­tungen bezüglich Kubo. Denn ich bin ein großer Fan des produ­zie­renden und ausfüh­renden Stop-Motion-Anima­tions-Studios Laika. Laikas Coraline thema­ti­sierte den zunehmend gesell­schafts­fähig werdenden Über- und Heli­ko­pter-Tick von Eltern. Ein herrlich düster und morbider Film, aber gleich­zeitig auch konstruktiv und aufbauend kritisch. In ParaNorman ging Laika ebenso souverän mit Tod, Sexua­lität und Homo­se­xua­lität um und schuf ein grund­sätz­li­ches Plädoyer für das »Anders­sein«, dass in den Boxtrolls noch mal um die Demagogie poli­ti­scher und gesell­schaft­li­cher Into­le­ranz intel­li­gent und witzig zugleich erweitert wurde. Was für Filme!

Ganz anders bei den Trolls. Dream­Works Auswurf an animierter Ware ist kaum mehr zu folgen und da scheinbar jede auch noch so absurde Nische oder wirt­schaft­liche Notwen­dig­keit abgedeckt wird, bleiben Enttäu­schungen wie Kung Fu Panda 3 oder Home nicht aus. Und nicht zuletzt auch eine haus­ge­machte Krise, die seit 2013 zur Entlas­sung von über 850 Mitar­bei­tern und 2016 zum Verkauf des Studios geführt hat. Und auch Trolls weckte im Vorfeld nicht gerade Vertrauen in eine tolle Idee, sondern eher Schrecken vor einer kapi­ta­listen Farce par excel­lence, geht es doch in Trolls um nicht mehr, als einer weltweit populären, vom dänischen Holz­schnitzer Thomas Dam initi­ierten Puppen­reihe (Troll Dolls, Troll­puppen), eine kind­ge­rechte, animierte Geschichte zu verschaffen und dabei so viel wie möglich durch deren weltweite Popu­la­rität finan­ziell zu profi­tieren.

Doch so sehr ich mir Davids Sieg gegen Goliath wünschte, ja erwartete, so enttäuscht war ich am Ende vom Ausgang, der die Welt wieder einmal ein wenig kompli­zierter gemacht hat. Denn kaum dass ich die ersten Bilder von Kubo sah, wunderte ich mich über das, was Laika bislang einzig­artig gemacht hatte, ihre unge­wöhn­liche Stop-Motion-Technik. Doch im Zuge einer immer perfekter werdenden Welt, scheint auch Laika seine Stop-Motion-Technik zu einem nie dage­we­senden Perfek­ti­ons­grad verfei­nert zu haben, eine Perfek­tion, die mich ein wenig ratlos zurück ließ, weil mir der Unter­schied zu CGI-animierten Filmen kaum mehr wahr­nehmbar scheint, ein Kriterium, dass sich auch im inter­na­tio­nalen Kriti­ker­spiegel wieder­findet, der Kubo vor allem wegen seiner »perfekten« Animation positiv bewertet.

Warum ich das nicht ganz so »glatte« und »perfekte« Personal von Coraline oder den Boxtrolls vorziehe, mag aller­dings wie so oft völlig persön­liche Gründe haben. Denn schließ­lich gefallen mir auch die Hütten in den Alpen lieber, die ihre Urigkeit nicht irgend­wel­chen Feuer- und Sicher­heits­richt­li­nien geopfert haben. Doch neben diesem viel­leicht »persön­li­chen« Faible für das Ungerade fehlt es Kubo auch an dem unge­wöhn­li­chen Plot, der Laika in seinem Filmen bislang immer ausge­zeichnet hat. Zwar wird auch hier ein gene­ra­ti­ons­über­grei­fendes Thema verhan­delt – die Trau­ma­ti­sie­rung von Kindern durch den Tod ihrer Eltern bzw. die Abwe­sen­heit von mora­li­schen Bezugs­per­sonen bei der Erziehung gegen­wär­tiger Gene­ra­tionen von Kindern – doch die dafür konstru­ierte Geschichte trägt die Idee nur mit Mühe.

Zwar traut sich Laika auch in Kubo immer wieder düstere Momente zu verwirk­li­chen – etwas der eindrück­liche Kampf Kubos und seiner Freunde gegen das Riesen­ske­lett, doch besitzt die Geschichte von Kubo, der zwischen die Fronten in einem Kampf zwischen Göttern und Monstern gerät und der, um zu überleben, eine magische Rüstung finden muss, die einst sein Vater, ein legen­därer Samurai, getragen hat – besitzt Kubo nicht die sogartige, vor allem moralisch unein­deu­tige Kraft tatsäch­lich zu über­ra­schen und zu verun­si­chern. Kubo ficht statt­dessen den schon so oft ausge­tra­genen Kampf zwischen Gut und Böse, mit erwart­barem Ausgang. Dabei lehnt sich der gegen­wär­tige Präsident und CEO von Laika, Travis Knight, in seinem Regie­debüt weniger an die Dream­Works-Moral an, sondern erinnert gerade in den – durchaus starken – traumähn­li­chen Sequenzen an Produk­tionen des japa­ni­schen Studio Ghibli, wie etwa an den auch thema­tisch verwandten Ghibli-Film Chihiros Reise ins Zauber­land. Ohne dabei aller­dings nur annähernd die voll­endete Schönheit zu erreichen, die Ghibli in bislang fast jeder seiner Produk­tionen erreicht hat.

Dass Laika den riskanten Schritt sich noch einmal selbst zu erfinden gehen würde, ist dabei fast genauso über­ra­schend wie Dream­Works Hinwen­dung in den Trolls zu einer musi­ka­li­schen Komödie mit Personal aus der realen Puppen­welt. Doch was wie ein völlig logischer Schachzug zur Sicherung der eigenen Existenz als Studio erscheint, entpuppt sich als immer wieder bitter­böser Zerr­spiegel unserer gegen­wärtig herr­schenden Gute-Laune-Moral. Umso grotesker wirkt der Zerr­spiegel als die Trolls, die in ihrem Bestreben nur eine gute Zeit haben, nur singen und kuscheln zu wollen und dabei auch noch aussehen wie lebendig gewordene Gummi­bär­chen mit Haaren, nicht nur von so etwas wie den Pessi­misten vom Dienst, den Bergen bedroht werden, sondern auch noch in ihren eigenen Reihen einen »Schwarzen Schlumpf« haben, der »Poppy«, der Prin­zessin der Trolls, das Leben immer wieder schwer macht.

Zwar wird auch in den Trolls wie so oft im ameri­ka­ni­schen Zeichen­trick­film am Ende die Moral mit einem Zucker­guss aus Blödheit veredelt, fehlt die letzte Konse­quenz, den Weg der bizarren Ideen und Spie­ge­lungen und Trans­for­ma­tionen kind­li­cher und erwach­sener Realität konse­quent bis zum Ende zu gehen. Doch allein der irrwit­zige Wahn der Bergen, dass wahres Glück nur durch den Verzehr eines Trolls möglich sei oder die wahn­wit­zigen Versuche des Pessi­misten in den eigenen Reihen, zu Gunsten eines sicheren Lebens auf gute Laune zu verzichten, erinnern eher an die Errun­gen­schaften Laikas, das Unter­grün­dige und Gruselige zuzu­lassen, als an die Unbe­fan­gen­heit früherer Dream­Works-Produk­tionen.

Damit soll aller­dings keines­falls ange­deutet sein, dass der Dream­Works-Grusel bereits den von Laika über­trifft, womit ich mich ganz bei Jonathans Beur­tei­lung der beiden Filme wieder­finde, die sich genau darauf und nur darauf bezieht: »Trolls ist spannend und Kubo gruselig.«