USA 1999 · 133 min. · FSK: ab 6 Regie: George Lucas Drehbuch: George Lucas Kamera: David Tattersall Darsteller: Liam Neeson, Ewan McGregor, Natalie Portman, Jake Lloyd u.a. |
Vorweg erstmal: Ich war skeptisch, das ja – aber ich hatte nicht schon vorher die Kritiker-Messer gewetzt, hatte nicht vor, bewußt nach Sachen zu suchen, über die ich dann schreibenderweise herziehen könnte. Die erste Star Wars-Trilogie (auch wenn ich manches daran heute distanzierter sehe) bedeutet mir viel, gehört, for better or worse, zu
meinen prägenden Kinoerlebnissen. (Siehe das Artechock-Magazin der 20. Woche.) Ich hätte mich unheimlich gefreut, hätte es Episode I – The Phantom Menace mir erlaubt, noch einmal naiv zu staunen, mich an großem, bunten, lautem, flottem Märchen-Abenteuer zu erfreuen.
Und ich wäre mit relativ wenig zufrieden gewesen, war bereit, über einiges hinwegzusehen – denn selbstverständlich hatte ich nicht mehr ernsthaft damit gerechnet, daß
Episode I mir heute das sein könnte, was Star Wars vor zwanzig Jahren war. Aber ich hatte zumindest gehofft, daß er gut genug funktionieren würde, um mir zwei Stunden geistigen Urlaub »in a galaxy far, far away« zu gönnen. Solides Sommer-Kino mit süßen Anklängen an die gute, alte Zeit – das hätte mir schon gereicht.
Es hat nicht sollen sein.
Ich weiß genau, daß ein Phänomen wie Episode I völlig »critic-proof« ist, daß ich hier schreiben kann, was ich will, und das einzige Ergebnis wird sein, daß ich helfe, den Hype zu vermehren. Es ist leider einer jener Filme, den Leute glauben, sehen zu müssen, selbst wenn sie von vornherein erwarten, ihn nicht zu mögen. Dieser Text will also zunächst nichts anderes, als meiner tiefen Enttäuschung über George Lucas Ausverkauf seines modernen Mythos genauer auf den Grund zu gehen.
Falls der Text aber den Nebeneffekt haben sollte, auch nur einen Menschen davor zu bewahren, Zeit und Geld an Phantom Menace zu verschwenden – dann hat er sich doppelt gelohnt.
Es dauert nur wenige Sekunden, bis sich beim Betrachten von Star Wars: Episode I – The Phantom Menace das ungute Gefühl einschleicht, daß da etwas faul ist im System Alderaan. Wir kennen sie nur zu gut, die Schrift, die Musik, diesen Anfang: »A long time ago, in a glaxy far, far away...«.
Wahrlich, lang ist’s her, daß wir diese Worte erstmals auf einer Leinwand erblickten, und alle, die das tatsächlich vor zwanzig Jahren erlebt
haben, werden zustimmen: Es scheint wirklich wie eine ferne Galaxis, die Welt damals. Es hieße, nicht gelebt zu haben, wenn sich nichts geändert hätte, in der Zwischenzeit. Sicher, es schwingt Nostalgie mit – und nicht wenig – wenn einem nun dieser Schriftzug erneut im Kino vor den Augen erscheint und John Williams spätromantische Heldenfanfaren in die Ohren dröhnen. – Ein wehmütig erhebendes Gefühl will sich breit machen.
Aber einfach so da wieder anknüpfen? So tun,
als wäre seither nichts gewesen? Als hätte man keine neuen Erfahrungen gemacht, sich nicht weiterentwickelt, als wäre die Welt geblieben, wie sie war? Das Projekt wirkt von Anfang an suspekt – gute, alte Zeiten haben es so an sich, daß sie meist nur deshalb gut, weil sie vorbei sind. Erinnerungen werden um so schöner, je weniger Reales ihnen noch im Wege steht.
Von Beginn an setzt Lucas darauf, die gleichen Knöpfe in den Köpfen des Publikums zu drücken, mit denen er im ersten Star Wars jene unvorhergesehen effektiven Mechanismen ausgelöst hat, die den Film zu einem Meilenstein im kollektiven Bewußtsein machten. Nur daß er jetzt damit lediglich die Erinnerung an das originale Gefühl aufruft – anstatt nach etwas zu suchen, was
heute einen äquivalenten Prozeß in Gang bringen könnte.
Der Beigeschmack in jenen ersten paar Sekunden ist bereits schal: Wir wissen, was gemeint ist – aber merken zugleich, daß nur Konditionierungen wachgerufen werden sollen. Episode I will uns und der Welt nicht zugestehen, sich weiterentwickelt zu haben, nach Neuem zu verlangen, das uns aktuell anspricht.
Dann rollt sie ab, die vertraute Schrift, die schräg nach hinten in den tiefen des Raumes verschwindet. (Und nun gut, eines hat sich da zumindest hierzulande tatsächlich geändert: Nun heißt’s auch bei uns nicht mehr Krieg der Sterne sondern Star Wars – weil so die
Merchandising-Artikel, mit denen bekanntlich ein Vielfaches des bloßen Umsatzes an den Kinokassen gemacht wird, ohne eigene Anpassung an den hiesigen Markt verkauft werden können.) Und stimmt uns darauf ein, daß die folgende Geschichte nur noch klägliche Überreste zu bieten hat von der mythischen Klarheit und archetypischen Kraft, die einst Star
Wars auszeichnete.
Von Handelsembargos und politischen Auseinandersetzungen um Besteuerung ist da die Rede – hardly the stuff dreams are made of. Was Star Wars (und in geringerem Maße seine beiden Fortsetzungen) so großartig funktionieren ließ, war, daß er auf einfachste Muster zurückgriff, die tief in unserer Kultur verankert sind. Lucas bediente sich
(übrigens sehr bewußt und gezielt) bei Märchen und Mythen und Joseph Campbells Erkenntnissen über deren Struktur, erzählte eine klassische Geschichte von der Heldenwerdung eines jungen Mannes, vom Kampf des Guten gegen das Böse, von Rittern und Prinzessinen, von bösen Vätern (selbst im ersten Film sagte der Name Darth Vader als Verballhornung von »Dark Father« schon alles) und gütigen Göttern (die als allesumspannende »Force« ökumenisch das Weltall durchschwurbelten). Star Wars war, Weltraum hin oder her, nie ein Science Fiction-Film im eigentlichen Sinne, und was man ihm manchmal vorwarf – wie grob er geschnitzt sei, wie klar alle Fronten, wie urvertraut alle Muster – machte genau seine Stärke aus.
In Phantom Menace ist davon herzlich wenig geblieben. Es geht um zwei Jedi-Ritter, Qui-Gon Jin (Liam Neeson) und Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor), die herausfinden sollen, wer hinter einem politischen Komplott steckt – was ihnen im Laufe des Films NICHT gelingt (obwohl WIR selbstverständlich wissen, daß es jenes runzlige Kapuzenmännchen ist, das dereinst zum bösen Imperator wird) – die aber auf ihrer Reise einem geheimnisvollen (soll’s zumindest sein, das blöde blonde Watschenbubi Annakin, das später mal mit seinem schwarzen Asthma-Helm viel sympathischer sein wird) Kind begegnen, dem Großes bevorsteht. Es ist die Reise zweier Heiliger Drei Könige nach Bethlehem – Lucas entblödet sich nicht, Annakins Mutter von unbefleckter Empfängnis berichten zu lassen – oder die Suche der Mönche nach dem lebenden Buddah. Doch sowas ist selbst in Mythen meist nur der Auftakt ist, nicht mehr als eine Einleitung, und in unserer bürgerlichen Gesellschaft hat es als Erzählplot überhaupt nie Prominenz gewonnen.
Episode I fehlt somit grundlegend jeder narrative Antrieb, ES GEHT IN DIESEM FILM UM NICHTS. Was wir bekommen, sind zweieinviertel Stunden Exposition, ohne Drive und Ziel – am Ende sind wir keinen Deut weiter gekommen als zu Beginn des Films, alles verpufft in gigantische Leere. Es wird sich in zwei Jahren oder so herausstellen, daß Episode I nicht mehr war als eine ungeheuer aufwendige Methode, sich zwei Zeilen Text zu Anfang von Episode II zu ersparen – und man muß jetzt schon bangen, daß die komplette »erste« Trilogie am Ende nur eine ausschweifende Bebilderung jener Schrift ist, die vor über zwanzig Jahren zum ersten Mal auf den Leinwänden in den Sternhimmel hineinschwebte.
Lucas hat der inneren Leere von Episode I nichts entgegenzusetzen, er kann sie nur bunt einkleiden und versuchen, wenigstens die Zeit zu füllen. Aber auch da versagt er auf ganzer Linie. Die Handlung (an der man nach spätestens zehn Minuten jegliches Interesse verloren hat) quält sich mühsam und textlastig voran; sage und schreibe geschlagene eineinviertel Stunden geht es lediglich darum, daß ein defektes Teil des Hyperantriebs ausgewechselt werden muß
(heißa, welch atemberaubend' Abenteuer – wie wär’s mit sowas auch im nächsten James Bond Film? In Her Majesty’s Secret BMW Customer Service Center, oder so?), dann soll die Königin (was für eine Verschwendung der wunderbaren Natalie Portman!) mal was unterschreiben, mal nicht, und dann vielleicht doch – was alles ungelogen in einer Bundestagsdebatte in space gipfelt, bei der man dauernd auf das Auftauchen von Guido Westerwelle
wartet.
Bevor jetzt aber die Vermutung laut wird, Lucas wäre eben erwachsen geworden und hätte die Politik als ernsthaftes Thema entdeckt: Phantom Menace ist ein plumpes Plädoyer gegen Verhandlungen und Diplomatie, die (und das macht er, ich erkenn’s an, tatsächlich physisch spürbar) ja alle viel zu lange dauern und zu nichts führen – selbstverständlich muß sehr bald ein gescheiter Militärschlag her, weil anders auf dieser Welt
nichts zu erreichen ist und die Guten sich nur so gegen die Bösen durchsetzen können.
Wahrscheinlich bin ich mal wieder der Einzige, dem’s so geht, aber ich habe ein eminent ungutes Gefühl dabei, daß der amerikanische Filmstart zeitlich fast genau mit dem Beginn des NATO-Bombardements im Kosovo zusammenfiel.
Blieben die Charaktere, um den Karren aus dem drögen Dreck des Plots zu ziehen – aber wir reden ja von einem Star Wars-Film. Und sobald da die archetypischen Folien abhanden gekommen sind, wird das Drehbuch auch in dieser Hinsicht eine Bankrotterklärung für Lucas. Was die Dialoge angeht, fühlt man sich im Sekundentakt an den berühmten Ausspruch Harrison Fords bei den Dreharbeiten zu Star Wars erinnert, der angesichts der Sätze, die sein Han Solo von sich zu geben hatte, zu seinem guten Freund Lucas meinte: »George, maybe you can write this shit. But you sure as hell can’t SAY it.« Die pseudo-esoterischen Plattitüden, mit denen hier um sich geworfen wird, und die plumpen Holz-Sentenzen, die die bemittleidenswerten Schauspieler über die Lippen zu bringen haben, wirken nur noch peinlich, weil sie so frei im Raum hängen – keine der Figuren ist profiliert genug, um die grenzenlose Naivität aufzufangen, erträglich zu machen.
Weil der Story der mythologische Unterbau fehlt, kann keiner der Charaktere eine vertraute strukturelle Rolle übernehmen, kann nicht einfach »der Held«, »die Prinzessin«, »der Böse« sein, und Lucas versäumt es völlig, etwas Gleichwertiges an dessen Stelle zu setzen. Es fehlen klare Motivationen, erkennbare Eigenschaften; alles nur blasse Pappkameraden, die nicht ein Jota emotionaler Mitbeteiligung hervorrufen können. Lange, lange habe ich keinen Film mehr gesehen, in dem mir alle Figuren so dermaßen gleichgültig waren, ich so vollkommen frei war von allen Gefühlen gegenüber deren Schicksal. Emotional hat Episode I die Durschlagskraft von nassem Seidenpapier.
Wobei das etwas gelogen ist, denn eine Figur kann sehrwohl Gefühle hervorrufen: Haß, grenzenlosen Haß.
Ja, es geht um Jar Jar Binks.
Weil George Lucas wohl selber gemerkt hat, daß sein Drehbuch nicht gerade vor Attraktionen strotzt, wollte er offensichtlich wenigstens für etwas comic relief sorgen und dafür, daß die Kinder im Publikum nicht vollends das Quengeln anfangen. Das Ergebnis ist ein computergeneriertes Viech, das wahrnehmungsgestörte Dreijährige lustig finden mögen, das aber jeden, der oder die im Besitz von mehr als 20 Gramm funktionsfähiger Hirnmasse ist, innerhalb von Sekunden an den
Rand der Verzweiflung treibt. Zwei Minuten von Jar Jar Binks Gehopse und Gelalle, und selbst Gandhi hätte langsame und qualvolle Todesarten ersonnen, die die Foltermethoden der spanischen Inquisition wie Kitzelspiele aussehen lassen – und Jar Jar begleitet uns anderthalb Stunden durch den Film.
Das wahrhaft Perfide an Jar Jar Binks – dessen humoristischer Wert weit unter dem von Beulenpest und eitrigem Aussatz liegt – aber ist, daß George Lucas ein ganz
offensichtliches Vorbild für ihn hatte: den bedauernswerten Steppin Fetchitt. Steppin Fetchitt war ein schwarzer Schauspieler, der vor allem in Filmen der »30er und ›40er exakt die Rolle hatte, die das außerirdische Schlappohr in Episode I spielt. Mit weit aufgerissenen Augen und übertriebenen Gesten mußte er dem weißen »Massa« hinterherhampeln und mit gebrochenem Englisch den Beweis antreten, daß Afro-Amerikaner vielleicht aus der
Sklaverei befreit sein mögen, aber noch immer getrost als Untermenschen betrachtet werden dürfen. Jar Jar Binks spricht im Original einen deutlichst als »schwarz« markierten Dialekt, seine Stimme leiht ihm ein schwarzer Schauspieler, dessen Performance auch als Vorlage für die Computeranimatoren diente.
Lucas zu unterstellen, er wolle mit Jar Jar Binks bewußt Afro-Amerikaner lächerlich machen, hieße gewiß, ihm zuviel Reflexionsvermögen und Raffiniertheit zuzubilligen. Daß
er aber in der Wahl seiner Quellen von himmelschreiender Unbekümmertheit ist, wissen wir spätestens seit dem Finale von Star Wars, das er sich zugegebenermaßen bei Leni Riefenstahls Triumph des Willens abgeguckt hatte. Lucas war noch nie in Gefahr, ein zweiter Spike Lee zu
werden, und Episode I macht da keine Ausnahme. Schon in der ursprünglichen Star Wars-Trilogie waren ja erst mal alle Weiß (nur Darth Vader wurde von einem schwarzen Schauspieler gesprochen), und dann gab es den verräterischen Lando Calrissian als »Alibi-Neger« (der selbstverständlich erst so richtig die
Frage aufkommen ließ, warum in einem Universum, in dem es offenbar verschiedene Hautfarben bei den Humanoiden gibt, die Schwarzen keinerlei wichtige Rolle spielen).
Episode I reiht sich da nahtlos ein: Alle Helden sind weiß, die Aliens haben (erkennbar irdische) ausländische Akzente, zur Beruhigung der schlechten Gewissens hockt Samuel Jackson gelegentlich herum und ist irgendwie ganz toll positiv besetzt, hat aber absolut KEINE auch nur
ansatzweise erkennbare Funktion – und Jar Jar Binks... s.o.
Da paßt‹s dann auch prima in«s Bild, daß der geldgierige, verschlagene Händler vom galaktischen Schrottplatz trotz blauer Haut und Stummelflügel Gesichtszüge trägt, die exakt so aussehen, wie sich der Stürmer in seinen üblen Karrikaturen immer semitische vorgestellt hat. Ist Lucas deshalb bewußter Judenhasser? Ziemlich wahrscheinlich nicht, aber es wirft ein bezeichnendes Licht auf ihn, was
seine Vorstellungskraft immer an Assoziationen parat hat für gewisse Plätze in der Struktur seiner Filme. (Wobei einem die »Ein Volk, ein Reich, ein Führer«-Plakatkampagne für den Film hierzulande schon noch mal zu denken gibt...)
Eines aber muß man den computergenerierten Genossen Jar Jar Binks und Watto (oder wie das Schrottplatzviech sonst heißt) lassen: Sie haben nicht nur wesentlich mehr Persönlichkeit als ihre Gefährten aus Fleisch und Blut, ihre schauspielerischen Leistungen sind bei weitem überzeugender.
Was zweifelsohne daran liegt, daß die Animatoren an ihren Rechnern mehr Spaß an der Arbeit hatten als die bemittleidenswerten Schauspieler. Neeson und McGregor haben in Interviews ja
schon überdeutlich durchblicken lassen, daß die Aufregung und Freude darüber, Teil der Star Wars-Legende sein zu dürfen, keine drei Drehtage lang angehalten hat. Hätten sie kein Wort darüber verloren, man wüßte es aus der bloßen Betrachtung des Films genausogut.
Selten hat man solch professionelle und hochdotierte Stars so lustlos,
gelangweilt und sichtlich genervt agieren sehen. Aber wer mag’s ihnen verdenken? Wochenlang immer warten, warten, warten, bis die hochkomplizierte Technik für einen Take bereit ist, um dann vor einer blue screen (denn reale Kulissen gab es ja kaum; die Hintergründe kommen großteils aus dem Computer) ins Leere hinein (für die meisten der Wesen in dem Film gilt das selbe) Sätze zu sprechen, die von so monumentaler Hohlheit und Peinlichkeit sind, daß allein die Tatsache, daß
die Schauspieler nicht ständig mit Krämpfen und Lachanfällen zusammengebrochen sind, Oscar-würdig sein sollte. Und das für einen technologieversessenen Regisseur, der an Schauspielern komplett desinteressiert ist, und mit Rollen, denen nicht mal ein Träger des Iffland-Rings Profil, Sinn oder Tiefe hätte abringen können. So stapfen Neeson und McGregor (der durch Einsatz allermodernster Computer-Spezialeffekte exakt aussieht wie Karlheinz Rummenigge – und folglich
beim Endkampf sogar eine kleine Warm-Dribble-Einlage hinlegt) mit gequälten Minen durch den Film, die nicht eindeutiger Bände sprechen könnten, hätten die beiden T-Shirts an mit der Aufschrift »Ich will hier RAUS!«
Es ist nur konsequent, daß in so einem Film die einzig rundum überzeugende darstellerische Leistung (und ich meine das vollkommen ernst) von einem fiependen Roboter kommt: R2D2 gelingt es als einzigem, Gefühle zu projezieren, Empathie zu erzeugen. Und er beschert uns auch den einzigen wirklich ungetrübt wunderschönen, anrührenden Moment in dem gesamten unerquicklichen Machwerk: Wie er sich auf den ersten Blick in (den noch »nackten«) C3-PO verliebt, das ist schlicht und einfach
hinreißend.
Vielleicht sollte sich der technophile George Lucas in Zukunft auf die Herstellung schwuler Roboter-Pornos verlegen – dafür scheint er mittlerweile ein besseres Gespür zu haben als für alles, was mit Menschen zu tun hat.
Seine ganze kreative Energie wendet Lucas offenbar nur noch für die rein technische Seite des Filmemachens auf; er ist apparaturengeil und fortschrittsverliebt, und nichts scheint ihm mehr Befriedigung zu verschaffen, als einen Film mit Spezialeffekten vollzupflastern und zuzubetonieren. Es bleibt ihm auch nichts anderes mehr übrig, als der Mann mit den meisten Effekten in einem Film zu sein, weil sich qualitativ nicht mehr viel schiebt, seit die
Computergrafik zum ganz normalen Werkzeug jeder Hollywoodproduktion wurde. Daran, daß man jedes beliebige Bild digital malen und auf die Leinwand bringen kann, hat sich das Publikum schon gewöhnt – also muß Lucas halt versuchen, durch penetrante Zurschaustellung der schieren Menge seiner Spezialeffekte zu beeindrucken.
Das scheint ihm bei einem gewißen Segment der Zuschauer auch gelungen – wobei es doch eigentlich eine Bankrotterklärung für jeden Künstler sein
sollte, wenn sein Arbeitsmaterial das einzige Zentrum des Interesses an seinem Werk ist. Warum sollte jemand ein Gemälde bestaunen, weil die Pigmente besonders aufwendig hergestellt sind, warum von einem Roman begeistert sein, weil das Druckverfahren auf dem neuesten Stand der Technik ist, warum sich von Musik hinreißen lassen, weil die Instrumente auf eigens konstruierten Maschinen gedrechselt sind?
Andere Regisseure setzen Spezialeffekte ein, die nicht minder komplex oder
innovativ sind – nur sind die stolz darauf, wenn keiner bemerkt, daß da überhaupt ein Effekt ist, und haben mit ihren Filmen etwas zu sagen, so daß man über den Inhalt reden kann und nicht die Apparatur.
In Episode I ist Lucas außerdem vor lauter Effekten das Gefühl für das Staunen weitgehend abhanden gekommen – die galaktischen Panoramen werden einem mit einer Beliebigkeit um die Ohren geklatscht, die ihnen jede Magie nimmt. Der allmächtige George
mag in der Entwicklung von Effekttechnologien kreativ sein, in ihrem Einsatz ist er es nicht. Im Vergleich dazu, was beispielweise in The Matrix oder, noch viel extremer, in dem Hong Kong-Epos The Stormriders mittels CGI-Tricks auf die Beine gestellt wird, wirkt The Phantom Menace hoffnungslos
altbacken. Was bleibt, ist eine selbstzweckhafte, digitale Variante des Mary Poppins-Prinzips: Eine handvoll realer Schauspieler inmitten einer Zeichentrickwelt. Aber wie man hört, arbeitet Lucas kräftig daran, die paar Menschen auch noch durch Computergrafik zu ersetzen, worauf er dann völlig zum Autisten mutieren könnte.
Angesichts der Trailer für den Film konnte man ja bereits die Befürchtung haben, die Computerfixierung wäre mit Lucas vollends durchgegangen und Episode I wäre nurmehr ein gigantisches Videospiel. Diese Befürchtung war unberechtigt – zweifach: Erstens weil die Actionsequenzen erstaunlich few and far between sind – ganze zwei gibt’s, die diesen Namen verdient haben, die restlichen 115 Minuten sind endloses
Gelaber. Zweitens, weil es rückblickend nicht Befürchtung, sondern Hoffnung hätte sein sollen. Denn der neue Star Wars ist dort mit Abstand am stärksten, wo er dem Videospiel am nächsten ist.
Wenn überhaupt eine Sequenz aus dem Film im Gedächtnis bleiben wird, dann das Pod Race, das ganz offensichtlich in direkter Zusammenarbeit mit den Spieleprogrammierern von Lucasarts entstanden ist. Da merkt man (nach weit über einer Stunde Laufzeit)
zum ersten Mal in Episode I, daß Kino etwas mit Kinetik zu tun hat; da kommt zum ersten Mal Bewegung in die ganze Angelegenheit.
Es ist auch das einzige Mal, daß man dem Film wenigstens ansatzweise anmerkt, daß er Ende der »90er entstanden ist. David Bordwell hatte völlig recht mit seiner Bemerkung, The Phantom Menace ließe nicht nur erkennen, daß George Lucas seit über zwanzig Jahren nicht mehr Regie geführt
hat – er sähe auch so aus, als hätte Lucas seit über zwanzig Jahren keinen aktuellen Film mehr angeschaut.«
Die Ästhetik von Episode I ist schon fast rührend antiquiert; der Film ist fast gänzlich unberührt von allem, was sonst so im amerikanischen Kino passiert ist in den letzten zwei Jahrzehnten, und selbst hinter den Stand von Star Wars selbst stellt er einen Rückschritt dar. Lucas scheint mittlerweile das filmische Erzählen verlernt zu haben, und weder im großen Schlußgefecht (ein müder, lustloser Aufguß des Finales von The Return of the Jedi mit Parallelmontage zwischen Schwertkampf, Raumkampf und Gefechten von Bodentruppen), noch selbst beim unbestreitbaren Höhepunkt des Films, dem Pod Race, gelingt es ihm so recht, Übersicht zu bewahren, Suspense zu schaffen, Gefühle aufzubauen.
Was der Regisseur mal wußte über die Macht des Kinos, bei THX 1138, American Graffiti und auch Star Wars, das scheint er inzwischen alles vergessen zu haben. Lucas wirkt als Erzähler so, wie er mit seinem grauen Bart und seinen karierten Flanellhemden immer aussieht: Ein alter Onkel, der beim Kindergeburtstag die Kleinen mit halberinnerten Geschichten von Früher unterhalten will.
Beim Ansehen von Episode I beschleicht einem zunehmend das Gefühl, daß Lucas all das wenn schon nicht weiß, so doch zumindest ahnt, unterbewußt spürt. Und sich und seiner Art von Kino als Spezies, der das Aussterben eigentlich näher bevorsteht, als die meisten meinen, eine Überlebensstrategie gesichert hat.
Wie üblich, ist auch Lucas' neuer Film eine Ansammlung von Zitaten, ein Steinbruch der Kinogeschichte – das Pod Race verdankt
Ben Hur in etwa ebensoviel wie Nintendo. Vor allem aber ist Episode I ein einziger, großer Verweis auf die erste Star Wars-Trilogie.
The Phantom Menace ist eine durch und durch parasitäre Lebensform, die alles, was sie an kläglicher Kraft besitz, aus ihren drei Vorgängern saugt. Die wenigen Momente, wo der Film vermag, etwas zu berühren, etwas zu bewegen, da ist es stets nur, weil er die Erinnerung des Publikums anzapft, sich in längst gemachte Nester setzt. Wüßte man nicht, wer R2D2 und C3-PO, wer Obi-Wan und Yoda sind; wüßte man nicht, was aus Annakin Skywalker wird – Episode I hätte auch den allerletzten, schwachen Funken des Interesses verloren.
iteraturwissenschaftler mögen sowas im Rahmen der Intertext-Debatte spannend finden, für Kinogänger ist es nur traurig. Ein großer Teil der gähnenden Leere des Films kommt gewiß auch daher, weil Lucas sich nicht traut, zuviel rumzupfuschen an dem, was ihm vor zweiundzwanzig Jahren als großer Wurf gelang: Obi Wan muß in Phantom Menace lieber vollkommen blaß bleiben und von dem Bild leben, das Alec Guiness ihm gegeben hat, als daß er ein starkes
Profil bekommt, daß das vertraute potentiell zerstört. Und betrachtet man die wenigen Neuerungen an seinem Mythos, die Lucas präsentiert, so kann man ihn zu dieser Strategie eigentlich nur beglückwünschen: Nicht auszudenken, wie groß das Debakel noch hätte werden können, hätte es mehr Innovationen vom Kaliber der »Midichloriden« gegeben (als Mitochondrien kennen wir sie wohl aus dem Bio-Unterricht), deren Konzentration im Blut, so wird uns erklärt, das Maß dafür sind, wie stark
die Macht mit einem Jedi ist. Mit anderen Worten: Jetzt ists raus – die Jedis sind alle gedopt.
(Der eine Neuzugang im Star Wars-Universum, der wirkliches Potential hätte, der schwarz-rot geschminkte Hörnchenträger Darth Maul mit seinem Doppel-Laserschwert, guckt zwar wohlweislich groß vom Plakat, hat aber keine fünf Minuten auf der Leinwand und wird dann auch noch gleich auf eher Fortsetzungs-unkompatible Weise entsorgt. Ein Beweis mehr, wie sehr Lucas sein glückliches
Händchen, sein Gespür inzwischen eingebüßt hat.)
Star Wars: Episode I – The Phantom Menace ist voll von Vorahnungen. R2D2 leistet eine frühe Heldentat – und fiept entzückt beim ersten Anblick von C3-PO; Obi Wan nimmt Annakin als Schüler auf, aber Yoda hat ein ungutes Gefühl dabei; hinter der politischen Verschwörung steckt ein fieser, runzliger Mann im überdimensionierten Kapuzenmantel...
Es sind die wenigen Momente, wo sich die Atmosphäre des Films zu verdichten scheint, und
es sind alles Momente, die scheinbar in die Zukunft weisen.
Sie weisen nirgends hin als in die Vergangenheit.
Was der Film als Vorahnungen tarnt, ist pure Nostalgie, ist nur, nur, nur wohlige Erinnerung an ein zwanzig Jahre altes Kinoerlebnis.
Das große Versprechen von Episode I an seine Fans ist: Ihr wißt genau, wie die Zukunft aussieht, und sie sieht aus wie ein heißgeliebter Teil Eurer Vergangenheit. In fünf Jahren, nach Episode III, werdet ihr das sein, wo ihr ward, als ihr Star Wars kennengelernt habt. Nichts wird sich ändern, Pappa Lucas hält Euch fest im Arm.
Daß Menschen, die einen Monat auf dem Bürgersteig kampieren, die ihre Jobs aufgeben und Beziehungen, um als Erste diesen Film sehen zu
können, keine andere Wahl haben, als ihn gut zu finden, ihn immer wieder und wieder und wieder anzusehen, um sich selbst davon zu überzeugen, daß sie nicht enttäuscht sind, ist völlig klar. Die Alternative wäre das vernichtende Eingeständnis, daß sie kein Leben haben, daß sie ihre Identität ganz um einen kommerziellen Pop-Mythos herum aufgebaut haben, daß sie Angst davor haben, sich ein eigenes Ich erkämpfen zu müssen, daß sie das Neue fürchten und die Veränderung.
Episode I muß leer sein, um zu funktionieren, denn jede Substanz trüge auch die Gefahr des Bruchs mit dem Etablierten in sich. Episode I muß parasitär sein, denn einzig der direkte Verweis auf die alten Star Wars-Filme kann jene Fans zufriedenstellen, die sich eigentlich nichts wünschen
außer auf mirakulöse Weise eben nochmal genau jene Filme, nur neu.
Als soziologisches Phänomen macht dies Star Wars: Episode I – The Phantom Menace interessant und seine Strategie letztlich erfolgreich. Aber es ist ein autistischer Diskurs, der in einem hermetischen Universum stattfindet.
Als Beitrag zum heutigen Kino ist der Film so relevant wie ein neuer »Hanni und Nanni«-Band für die aktuelle Literatur.