Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung

Star Wars: Episode I – The Phantom Menace

USA 1999 · 133 min. · FSK: ab 6
Regie: George Lucas
Drehbuch:
Kamera: David Tattersall
Darsteller: Liam Neeson, Ewan McGregor, Natalie Portman, Jake Lloyd u.a.

Living in the Past

Vorweg erstmal: Ich war skeptisch, das ja – aber ich hatte nicht schon vorher die Kritiker-Messer gewetzt, hatte nicht vor, bewußt nach Sachen zu suchen, über die ich dann schrei­ben­der­weise herziehen könnte. Die erste Star Wars-Trilogie (auch wenn ich manches daran heute distan­zierter sehe) bedeutet mir viel, gehört, for better or worse, zu meinen prägenden Kino­er­leb­nissen. (Siehe das Artechock-Magazin der 20. Woche.) Ich hätte mich unheim­lich gefreut, hätte es Episode I – The Phantom Menace mir erlaubt, noch einmal naiv zu staunen, mich an großem, bunten, lautem, flottem Märchen-Abenteuer zu erfreuen.
Und ich wäre mit relativ wenig zufrieden gewesen, war bereit, über einiges hinweg­zu­sehen – denn selbst­ver­s­tänd­lich hatte ich nicht mehr ernsthaft damit gerechnet, daß Episode I mir heute das sein könnte, was Star Wars vor zwanzig Jahren war. Aber ich hatte zumindest gehofft, daß er gut genug funk­tio­nieren würde, um mir zwei Stunden geistigen Urlaub »in a galaxy far, far away« zu gönnen. Solides Sommer-Kino mit süßen Anklängen an die gute, alte Zeit – das hätte mir schon gereicht.

Es hat nicht sollen sein.

Ich weiß genau, daß ein Phänomen wie Episode I völlig »critic-proof« ist, daß ich hier schreiben kann, was ich will, und das einzige Ergebnis wird sein, daß ich helfe, den Hype zu vermehren. Es ist leider einer jener Filme, den Leute glauben, sehen zu müssen, selbst wenn sie von vorn­herein erwarten, ihn nicht zu mögen. Dieser Text will also zunächst nichts anderes, als meiner tiefen Enttäu­schung über George Lucas Ausver­kauf seines modernen Mythos genauer auf den Grund zu gehen.

Falls der Text aber den Neben­ef­fekt haben sollte, auch nur einen Menschen davor zu bewahren, Zeit und Geld an Phantom Menace zu verschwenden – dann hat er sich doppelt gelohnt.

Es dauert nur wenige Sekunden, bis sich beim Betrachten von Star Wars: Episode I – The Phantom Menace das ungute Gefühl einschleicht, daß da etwas faul ist im System Alderaan. Wir kennen sie nur zu gut, die Schrift, die Musik, diesen Anfang: »A long time ago, in a glaxy far, far away...«.
Wahrlich, lang ist’s her, daß wir diese Worte erstmals auf einer Leinwand erblickten, und alle, die das tatsäch­lich vor zwanzig Jahren erlebt haben, werden zustimmen: Es scheint wirklich wie eine ferne Galaxis, die Welt damals. Es hieße, nicht gelebt zu haben, wenn sich nichts geändert hätte, in der Zwischen­zeit. Sicher, es schwingt Nostalgie mit – und nicht wenig – wenn einem nun dieser Schriftzug erneut im Kino vor den Augen erscheint und John Williams spätro­man­ti­sche Helden­fan­faren in die Ohren dröhnen. – Ein wehmütig erhe­bendes Gefühl will sich breit machen.
Aber einfach so da wieder anknüpfen? So tun, als wäre seither nichts gewesen? Als hätte man keine neuen Erfah­rungen gemacht, sich nicht weiter­ent­wi­ckelt, als wäre die Welt geblieben, wie sie war? Das Projekt wirkt von Anfang an suspekt – gute, alte Zeiten haben es so an sich, daß sie meist nur deshalb gut, weil sie vorbei sind. Erin­ne­rungen werden um so schöner, je weniger Reales ihnen noch im Wege steht.

Von Beginn an setzt Lucas darauf, die gleichen Knöpfe in den Köpfen des Publikums zu drücken, mit denen er im ersten Star Wars jene unvor­her­ge­sehen effek­tiven Mecha­nismen ausgelöst hat, die den Film zu einem Meilen­stein im kollek­tiven Bewußt­sein machten. Nur daß er jetzt damit lediglich die Erin­ne­rung an das originale Gefühl aufruft – anstatt nach etwas zu suchen, was heute einen äqui­va­lenten Prozeß in Gang bringen könnte.
Der Beige­schmack in jenen ersten paar Sekunden ist bereits schal: Wir wissen, was gemeint ist – aber merken zugleich, daß nur Kondi­tio­nie­rungen wach­ge­rufen werden sollen. Episode I will uns und der Welt nicht zuge­stehen, sich weiter­ent­wi­ckelt zu haben, nach Neuem zu verlangen, das uns aktuell anspricht.

Dann rollt sie ab, die vertraute Schrift, die schräg nach hinten in den tiefen des Raumes verschwindet. (Und nun gut, eines hat sich da zumindest hier­zu­lande tatsäch­lich geändert: Nun heißt’s auch bei uns nicht mehr Krieg der Sterne sondern Star Wars – weil so die Merchan­di­sing-Artikel, mit denen bekannt­lich ein Viel­fa­ches des bloßen Umsatzes an den Kino­kassen gemacht wird, ohne eigene Anpassung an den hiesigen Markt verkauft werden können.) Und stimmt uns darauf ein, daß die folgende Geschichte nur noch klägliche Überreste zu bieten hat von der mythi­schen Klarheit und arche­ty­pi­schen Kraft, die einst Star Wars auszeich­nete.
Von Handels­em­bargos und poli­ti­schen Ausein­an­der­set­zungen um Besteue­rung ist da die Rede – hardly the stuff dreams are made of. Was Star Wars (und in gerin­gerem Maße seine beiden Fort­set­zungen) so großartig funk­tio­nieren ließ, war, daß er auf einfachste Muster zurück­griff, die tief in unserer Kultur verankert sind. Lucas bediente sich (übrigens sehr bewußt und gezielt) bei Märchen und Mythen und Joseph Campbells Erkennt­nissen über deren Struktur, erzählte eine klas­si­sche Geschichte von der Helden­wer­dung eines jungen Mannes, vom Kampf des Guten gegen das Böse, von Rittern und Prin­zes­sinen, von bösen Vätern (selbst im ersten Film sagte der Name Darth Vader als Verball­hor­nung von »Dark Father« schon alles) und gütigen Göttern (die als alles­um­span­nende »Force« ökume­nisch das Weltall durch­schwur­belten). Star Wars war, Weltraum hin oder her, nie ein Science Fiction-Film im eigent­li­chen Sinne, und was man ihm manchmal vorwarf – wie grob er geschnitzt sei, wie klar alle Fronten, wie urver­traut alle Muster – machte genau seine Stärke aus.

In Phantom Menace ist davon herzlich wenig geblieben. Es geht um zwei Jedi-Ritter, Qui-Gon Jin (Liam Neeson) und Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor), die heraus­finden sollen, wer hinter einem poli­ti­schen Komplott steckt – was ihnen im Laufe des Films NICHT gelingt (obwohl WIR selbst­ver­s­tänd­lich wissen, daß es jenes runzlige Kapu­zen­männ­chen ist, das dereinst zum bösen Imperator wird) – die aber auf ihrer Reise einem geheim­nis­vollen (soll’s zumindest sein, das blöde blonde Watschen­bubi Annakin, das später mal mit seinem schwarzen Asthma-Helm viel sympa­thi­scher sein wird) Kind begegnen, dem Großes bevor­steht. Es ist die Reise zweier Heiliger Drei Könige nach Bethlehem – Lucas entblödet sich nicht, Annakins Mutter von unbe­fleckter Empfängnis berichten zu lassen – oder die Suche der Mönche nach dem lebenden Buddah. Doch sowas ist selbst in Mythen meist nur der Auftakt ist, nicht mehr als eine Einlei­tung, und in unserer bürger­li­chen Gesell­schaft hat es als Erzähl­plot überhaupt nie Prominenz gewonnen.

Episode I fehlt somit grund­le­gend jeder narrative Antrieb, ES GEHT IN DIESEM FILM UM NICHTS. Was wir bekommen, sind zwei­ein­viertel Stunden Expo­si­tion, ohne Drive und Ziel – am Ende sind wir keinen Deut weiter gekommen als zu Beginn des Films, alles verpufft in gigan­ti­sche Leere. Es wird sich in zwei Jahren oder so heraus­stellen, daß Episode I nicht mehr war als eine ungeheuer aufwen­dige Methode, sich zwei Zeilen Text zu Anfang von Episode II zu ersparen – und man muß jetzt schon bangen, daß die komplette »erste« Trilogie am Ende nur eine ausschwei­fende Bebil­de­rung jener Schrift ist, die vor über zwanzig Jahren zum ersten Mal auf den Lein­wänden in den Stern­himmel hinein­schwebte.

Lucas hat der inneren Leere von Episode I nichts entge­gen­zu­setzen, er kann sie nur bunt einkleiden und versuchen, wenigs­tens die Zeit zu füllen. Aber auch da versagt er auf ganzer Linie. Die Handlung (an der man nach spätes­tens zehn Minuten jegliches Interesse verloren hat) quält sich mühsam und text­lastig voran; sage und schreibe geschla­gene einein­viertel Stunden geht es lediglich darum, daß ein defektes Teil des Hyperan­triebs ausge­wech­selt werden muß (heißa, welch atem­be­rau­bend' Abenteuer – wie wär’s mit sowas auch im nächsten James Bond Film? In Her Majesty’s Secret BMW Customer Service Center, oder so?), dann soll die Königin (was für eine Verschwen­dung der wunder­baren Natalie Portman!) mal was unter­schreiben, mal nicht, und dann viel­leicht doch – was alles ungelogen in einer Bundes­tags­de­batte in space gipfelt, bei der man dauernd auf das Auftau­chen von Guido Wester­welle wartet.
Bevor jetzt aber die Vermutung laut wird, Lucas wäre eben erwachsen geworden und hätte die Politik als ernst­haftes Thema entdeckt: Phantom Menace ist ein plumpes Plädoyer gegen Verhand­lungen und Diplo­matie, die (und das macht er, ich erkenn’s an, tatsäch­lich physisch spürbar) ja alle viel zu lange dauern und zu nichts führen – selbst­ver­s­tänd­lich muß sehr bald ein gescheiter Militär­schlag her, weil anders auf dieser Welt nichts zu erreichen ist und die Guten sich nur so gegen die Bösen durch­setzen können.
Wahr­schein­lich bin ich mal wieder der Einzige, dem’s so geht, aber ich habe ein eminent ungutes Gefühl dabei, daß der ameri­ka­ni­sche Filmstart zeitlich fast genau mit dem Beginn des NATO-Bombar­de­ments im Kosovo zusam­men­fiel.

Blieben die Charak­tere, um den Karren aus dem drögen Dreck des Plots zu ziehen – aber wir reden ja von einem Star Wars-Film. Und sobald da die arche­ty­pi­schen Folien abhanden gekommen sind, wird das Drehbuch auch in dieser Hinsicht eine Bank­rotter­klä­rung für Lucas. Was die Dialoge angeht, fühlt man sich im Sekun­den­takt an den berühmten Ausspruch Harrison Fords bei den Dreh­ar­beiten zu Star Wars erinnert, der ange­sichts der Sätze, die sein Han Solo von sich zu geben hatte, zu seinem guten Freund Lucas meinte: »George, maybe you can write this shit. But you sure as hell can’t SAY it.« Die pseudo-esote­ri­schen Plat­titüden, mit denen hier um sich geworfen wird, und die plumpen Holz-Sentenzen, die die bemitt­lei­dens­werten Schau­spieler über die Lippen zu bringen haben, wirken nur noch peinlich, weil sie so frei im Raum hängen – keine der Figuren ist profi­liert genug, um die gren­zen­lose Naivität aufzu­fangen, erträg­lich zu machen.

Weil der Story der mytho­lo­gi­sche Unterbau fehlt, kann keiner der Charak­tere eine vertraute struk­tu­relle Rolle über­nehmen, kann nicht einfach »der Held«, »die Prin­zessin«, »der Böse« sein, und Lucas versäumt es völlig, etwas Gleich­wer­tiges an dessen Stelle zu setzen. Es fehlen klare Moti­va­tionen, erkenn­bare Eigen­schaften; alles nur blasse Papp­ka­me­raden, die nicht ein Jota emotio­naler Mitbe­tei­li­gung hervor­rufen können. Lange, lange habe ich keinen Film mehr gesehen, in dem mir alle Figuren so dermaßen gleich­gültig waren, ich so voll­kommen frei war von allen Gefühlen gegenüber deren Schicksal. Emotional hat Episode I die Durschlags­kraft von nassem Seiden­pa­pier.

Wobei das etwas gelogen ist, denn eine Figur kann sehrwohl Gefühle hervor­rufen: Haß, gren­zen­losen Haß.
Ja, es geht um Jar Jar Binks.

Weil George Lucas wohl selber gemerkt hat, daß sein Drehbuch nicht gerade vor Attrak­tionen strotzt, wollte er offen­sicht­lich wenigs­tens für etwas comic relief sorgen und dafür, daß die Kinder im Publikum nicht vollends das Quengeln anfangen. Das Ergebnis ist ein compu­ter­ge­ne­riertes Viech, das wahr­neh­mungs­ge­störte Drei­jäh­rige lustig finden mögen, das aber jeden, der oder die im Besitz von mehr als 20 Gramm funk­ti­ons­fähiger Hirnmasse ist, innerhalb von Sekunden an den Rand der Verzweif­lung treibt. Zwei Minuten von Jar Jar Binks Gehopse und Gelalle, und selbst Gandhi hätte langsame und qualvolle Todes­arten ersonnen, die die Folter­me­thoden der spani­schen Inqui­si­tion wie Kitzel­spiele aussehen lassen – und Jar Jar begleitet uns andert­halb Stunden durch den Film.
Das wahrhaft Perfide an Jar Jar Binks – dessen humo­ris­ti­scher Wert weit unter dem von Beulen­pest und eitrigem Aussatz liegt – aber ist, daß George Lucas ein ganz offen­sicht­li­ches Vorbild für ihn hatte: den bedau­erns­werten Steppin Fetchitt. Steppin Fetchitt war ein schwarzer Schau­spieler, der vor allem in Filmen der »30er und ›40er exakt die Rolle hatte, die das außer­ir­di­sche Schlappohr in Episode I spielt. Mit weit aufge­ris­senen Augen und über­trie­benen Gesten mußte er dem weißen »Massa« hinter­her­ham­peln und mit gebro­chenem Englisch den Beweis antreten, daß Afro-Ameri­kaner viel­leicht aus der Sklaverei befreit sein mögen, aber noch immer getrost als Unter­men­schen betrachtet werden dürfen. Jar Jar Binks spricht im Original einen deut­lichst als »schwarz« markierten Dialekt, seine Stimme leiht ihm ein schwarzer Schau­spieler, dessen Perfor­mance auch als Vorlage für die Compu­ter­ani­ma­toren diente.
Lucas zu unter­stellen, er wolle mit Jar Jar Binks bewußt Afro-Ameri­kaner lächer­lich machen, hieße gewiß, ihm zuviel Refle­xi­ons­ver­mögen und Raffi­niert­heit zuzu­bil­ligen. Daß er aber in der Wahl seiner Quellen von himmel­schrei­ender Unbe­küm­mert­heit ist, wissen wir spätes­tens seit dem Finale von Star Wars, das er sich zuge­ge­be­ner­maßen bei Leni Riefen­stahls Triumph des Willens abgeguckt hatte. Lucas war noch nie in Gefahr, ein zweiter Spike Lee zu werden, und Episode I macht da keine Ausnahme. Schon in der ursprüng­li­chen Star Wars-Trilogie waren ja erst mal alle Weiß (nur Darth Vader wurde von einem schwarzen Schau­spieler gespro­chen), und dann gab es den verrä­te­ri­schen Lando Calris­sian als »Alibi-Neger« (der selbst­ver­s­tänd­lich erst so richtig die Frage aufkommen ließ, warum in einem Universum, in dem es offenbar verschie­dene Haut­farben bei den Huma­no­iden gibt, die Schwarzen keinerlei wichtige Rolle spielen).
Episode I reiht sich da nahtlos ein: Alle Helden sind weiß, die Aliens haben (erkennbar irdische) auslän­di­sche Akzente, zur Beru­hi­gung der schlechten Gewissens hockt Samuel Jackson gele­gent­lich herum und ist irgendwie ganz toll positiv besetzt, hat aber absolut KEINE auch nur ansatz­weise erkenn­bare Funktion – und Jar Jar Binks... s.o.
Da paßt‹s dann auch prima in«s Bild, daß der geld­gie­rige, verschla­gene Händler vom galak­ti­schen Schrott­platz trotz blauer Haut und Stum­mel­flügel Gesichts­züge trägt, die exakt so aussehen, wie sich der Stürmer in seinen üblen Karri­ka­turen immer semi­ti­sche vorge­stellt hat. Ist Lucas deshalb bewußter Juden­hasser? Ziemlich wahr­schein­lich nicht, aber es wirft ein bezeich­nendes Licht auf ihn, was seine Vorstel­lungs­kraft immer an Asso­zia­tionen parat hat für gewisse Plätze in der Struktur seiner Filme. (Wobei einem die »Ein Volk, ein Reich, ein Führer«-Plakat­kam­pagne für den Film hier­zu­lande schon noch mal zu denken gibt...)

Eines aber muß man den compu­ter­ge­ne­rierten Genossen Jar Jar Binks und Watto (oder wie das Schrott­platz­viech sonst heißt) lassen: Sie haben nicht nur wesent­lich mehr Persön­lich­keit als ihre Gefährten aus Fleisch und Blut, ihre schau­spie­le­ri­schen Leis­tungen sind bei weitem über­zeu­gender.
Was zwei­fels­ohne daran liegt, daß die Anima­toren an ihren Rechnern mehr Spaß an der Arbeit hatten als die bemitt­lei­dens­werten Schau­spieler. Neeson und McGregor haben in Inter­views ja schon über­deut­lich durch­bli­cken lassen, daß die Aufregung und Freude darüber, Teil der Star Wars-Legende sein zu dürfen, keine drei Drehtage lang ange­halten hat. Hätten sie kein Wort darüber verloren, man wüßte es aus der bloßen Betrach­tung des Films genau­sogut.
Selten hat man solch profes­sio­nelle und hoch­do­tierte Stars so lustlos, gelang­weilt und sichtlich genervt agieren sehen. Aber wer mag’s ihnen verdenken? Wochen­lang immer warten, warten, warten, bis die hoch­kom­pli­zierte Technik für einen Take bereit ist, um dann vor einer blue screen (denn reale Kulissen gab es ja kaum; die Hinter­gründe kommen großteils aus dem Computer) ins Leere hinein (für die meisten der Wesen in dem Film gilt das selbe) Sätze zu sprechen, die von so monu­men­taler Hohlheit und Pein­lich­keit sind, daß allein die Tatsache, daß die Schau­spieler nicht ständig mit Krämpfen und Lach­an­fällen zusam­men­ge­bro­chen sind, Oscar-würdig sein sollte. Und das für einen tech­no­lo­gie­ver­ses­senen Regisseur, der an Schau­spie­lern komplett desin­ter­es­siert ist, und mit Rollen, denen nicht mal ein Träger des Iffland-Rings Profil, Sinn oder Tiefe hätte abringen können. So stapfen Neeson und McGregor (der durch Einsatz aller­mo­dernster Computer-Spezi­al­ef­fekte exakt aussieht wie Karlheinz Rumme­nigge – und folglich beim Endkampf sogar eine kleine Warm-Dribble-Einlage hinlegt) mit gequälten Minen durch den Film, die nicht eindeu­tiger Bände sprechen könnten, hätten die beiden T-Shirts an mit der Aufschrift »Ich will hier RAUS!«

Es ist nur konse­quent, daß in so einem Film die einzig rundum über­zeu­gende darstel­le­ri­sche Leistung (und ich meine das voll­kommen ernst) von einem fiependen Roboter kommt: R2D2 gelingt es als einzigem, Gefühle zu proje­zieren, Empathie zu erzeugen. Und er beschert uns auch den einzigen wirklich ungetrübt wunder­schönen, anrüh­renden Moment in dem gesamten uner­quick­li­chen Machwerk: Wie er sich auf den ersten Blick in (den noch »nackten«) C3-PO verliebt, das ist schlicht und einfach hinreißend.
Viel­leicht sollte sich der tech­no­phile George Lucas in Zukunft auf die Herstel­lung schwuler Roboter-Pornos verlegen – dafür scheint er mitt­ler­weile ein besseres Gespür zu haben als für alles, was mit Menschen zu tun hat.

Seine ganze kreative Energie wendet Lucas offenbar nur noch für die rein tech­ni­sche Seite des Filme­ma­chens auf; er ist appa­ra­tu­ren­geil und fort­schritts­ver­liebt, und nichts scheint ihm mehr Befrie­di­gung zu verschaffen, als einen Film mit Spezi­al­ef­fekten voll­zu­pflas­tern und zuzu­be­to­nieren. Es bleibt ihm auch nichts anderes mehr übrig, als der Mann mit den meisten Effekten in einem Film zu sein, weil sich quali­tativ nicht mehr viel schiebt, seit die Compu­ter­grafik zum ganz normalen Werkzeug jeder Holly­wood­pro­duk­tion wurde. Daran, daß man jedes beliebige Bild digital malen und auf die Leinwand bringen kann, hat sich das Publikum schon gewöhnt – also muß Lucas halt versuchen, durch pene­trante Zurschau­stel­lung der schieren Menge seiner Spezi­al­ef­fekte zu beein­dru­cken.
Das scheint ihm bei einem gewißen Segment der Zuschauer auch gelungen – wobei es doch eigent­lich eine Bank­rotter­klä­rung für jeden Künstler sein sollte, wenn sein Arbeits­ma­te­rial das einzige Zentrum des Inter­esses an seinem Werk ist. Warum sollte jemand ein Gemälde bestaunen, weil die Pigmente besonders aufwendig herge­stellt sind, warum von einem Roman begeis­tert sein, weil das Druck­ver­fahren auf dem neuesten Stand der Technik ist, warum sich von Musik hinreißen lassen, weil die Instru­mente auf eigens konstru­ierten Maschinen gedrech­selt sind?
Andere Regis­seure setzen Spezi­al­ef­fekte ein, die nicht minder komplex oder innovativ sind – nur sind die stolz darauf, wenn keiner bemerkt, daß da überhaupt ein Effekt ist, und haben mit ihren Filmen etwas zu sagen, so daß man über den Inhalt reden kann und nicht die Apparatur.
In Episode I ist Lucas außerdem vor lauter Effekten das Gefühl für das Staunen weit­ge­hend abhanden gekommen – die galak­ti­schen Panoramen werden einem mit einer Belie­big­keit um die Ohren geklatscht, die ihnen jede Magie nimmt. Der allmäch­tige George mag in der Entwick­lung von Effekt­tech­no­lo­gien kreativ sein, in ihrem Einsatz ist er es nicht. Im Vergleich dazu, was beispiel­weise in The Matrix oder, noch viel extremer, in dem Hong Kong-Epos The Storm­ri­ders mittels CGI-Tricks auf die Beine gestellt wird, wirkt The Phantom Menace hoff­nungslos altbacken. Was bleibt, ist eine selbst­zweck­hafte, digitale Variante des Mary Poppins-Prinzips: Eine handvoll realer Schau­spieler inmitten einer Zeichen­trick­welt. Aber wie man hört, arbeitet Lucas kräftig daran, die paar Menschen auch noch durch Compu­ter­grafik zu ersetzen, worauf er dann völlig zum Autisten mutieren könnte.

Ange­sichts der Trailer für den Film konnte man ja bereits die Befürch­tung haben, die Compu­ter­fi­xie­rung wäre mit Lucas vollends durch­ge­gangen und Episode I wäre nurmehr ein gigan­ti­sches Video­spiel. Diese Befürch­tung war unbe­rech­tigt – zweifach: Erstens weil die Action­s­e­quenzen erstaun­lich few and far between sind – ganze zwei gibt’s, die diesen Namen verdient haben, die rest­li­chen 115 Minuten sind endloses Gelaber. Zweitens, weil es rück­bli­ckend nicht Befürch­tung, sondern Hoffnung hätte sein sollen. Denn der neue Star Wars ist dort mit Abstand am stärksten, wo er dem Video­spiel am nächsten ist.
Wenn überhaupt eine Sequenz aus dem Film im Gedächtnis bleiben wird, dann das Pod Race, das ganz offen­sicht­lich in direkter Zusam­men­ar­beit mit den Spie­le­pro­gram­mie­rern von Lucasarts entstanden ist. Da merkt man (nach weit über einer Stunde Laufzeit) zum ersten Mal in Episode I, daß Kino etwas mit Kinetik zu tun hat; da kommt zum ersten Mal Bewegung in die ganze Ange­le­gen­heit.
Es ist auch das einzige Mal, daß man dem Film wenigs­tens ansatz­weise anmerkt, daß er Ende der »90er entstanden ist. David Bordwell hatte völlig recht mit seiner Bemerkung, The Phantom Menace ließe nicht nur erkennen, daß George Lucas seit über zwanzig Jahren nicht mehr Regie geführt hat – er sähe auch so aus, als hätte Lucas seit über zwanzig Jahren keinen aktuellen Film mehr ange­schaut.«

Die Ästhetik von Episode I ist schon fast rührend anti­quiert; der Film ist fast gänzlich unberührt von allem, was sonst so im ameri­ka­ni­schen Kino passiert ist in den letzten zwei Jahr­zehnten, und selbst hinter den Stand von Star Wars selbst stellt er einen Rück­schritt dar. Lucas scheint mitt­ler­weile das filmische Erzählen verlernt zu haben, und weder im großen Schluß­ge­fecht (ein müder, lustloser Aufguß des Finales von The Return of the Jedi mit Paral­lel­mon­tage zwischen Schwert­kampf, Raumkampf und Gefechten von Boden­truppen), noch selbst beim unbe­streit­baren Höhepunkt des Films, dem Pod Race, gelingt es ihm so recht, Übersicht zu bewahren, Suspense zu schaffen, Gefühle aufzu­bauen.

Was der Regisseur mal wußte über die Macht des Kinos, bei THX 1138, American Graffiti und auch Star Wars, das scheint er inzwi­schen alles vergessen zu haben. Lucas wirkt als Erzähler so, wie er mit seinem grauen Bart und seinen karierten Flanell­hemden immer aussieht: Ein alter Onkel, der beim Kinder­ge­burtstag die Kleinen mit halber­in­nerten Geschichten von Früher unter­halten will.

Beim Ansehen von Episode I beschleicht einem zunehmend das Gefühl, daß Lucas all das wenn schon nicht weiß, so doch zumindest ahnt, unter­be­wußt spürt. Und sich und seiner Art von Kino als Spezies, der das Auss­terben eigent­lich näher bevor­steht, als die meisten meinen, eine Über­le­bens­stra­tegie gesichert hat.
Wie üblich, ist auch Lucas' neuer Film eine Ansamm­lung von Zitaten, ein Stein­bruch der Kino­ge­schichte – das Pod Race verdankt Ben Hur in etwa eben­so­viel wie Nintendo. Vor allem aber ist Episode I ein einziger, großer Verweis auf die erste Star Wars-Trilogie.

The Phantom Menace ist eine durch und durch para­sitäre Lebens­form, die alles, was sie an kläg­li­cher Kraft besitz, aus ihren drei Vorgän­gern saugt. Die wenigen Momente, wo der Film vermag, etwas zu berühren, etwas zu bewegen, da ist es stets nur, weil er die Erin­ne­rung des Publikums anzapft, sich in längst gemachte Nester setzt. Wüßte man nicht, wer R2D2 und C3-PO, wer Obi-Wan und Yoda sind; wüßte man nicht, was aus Annakin Skywalker wird – Episode I hätte auch den aller­letzten, schwachen Funken des Inter­esses verloren.

itera­tur­wis­sen­schaftler mögen sowas im Rahmen der Intertext-Debatte spannend finden, für Kino­gänger ist es nur traurig. Ein großer Teil der gähnenden Leere des Films kommt gewiß auch daher, weil Lucas sich nicht traut, zuviel rumzu­p­fu­schen an dem, was ihm vor zwei­und­zwanzig Jahren als großer Wurf gelang: Obi Wan muß in Phantom Menace lieber voll­kommen blaß bleiben und von dem Bild leben, das Alec Guiness ihm gegeben hat, als daß er ein starkes Profil bekommt, daß das vertraute poten­tiell zerstört. Und betrachtet man die wenigen Neue­rungen an seinem Mythos, die Lucas präsen­tiert, so kann man ihn zu dieser Strategie eigent­lich nur beglück­wün­schen: Nicht auszu­denken, wie groß das Debakel noch hätte werden können, hätte es mehr Inno­va­tionen vom Kaliber der »Midi­chlo­riden« gegeben (als Mito­chon­drien kennen wir sie wohl aus dem Bio-Unter­richt), deren Konzen­tra­tion im Blut, so wird uns erklärt, das Maß dafür sind, wie stark die Macht mit einem Jedi ist. Mit anderen Worten: Jetzt ists raus – die Jedis sind alle gedopt.
(Der eine Neuzugang im Star Wars-Universum, der wirk­li­ches Potential hätte, der schwarz-rot geschminkte Hörn­chen­träger Darth Maul mit seinem Doppel-Laser­schwert, guckt zwar wohl­weis­lich groß vom Plakat, hat aber keine fünf Minuten auf der Leinwand und wird dann auch noch gleich auf eher Fort­set­zungs-unkom­pa­tible Weise entsorgt. Ein Beweis mehr, wie sehr Lucas sein glück­li­ches Händchen, sein Gespür inzwi­schen eingebüßt hat.)

Star Wars: Episode I – The Phantom Menace ist voll von Vorah­nungen. R2D2 leistet eine frühe Heldentat – und fiept entzückt beim ersten Anblick von C3-PO; Obi Wan nimmt Annakin als Schüler auf, aber Yoda hat ein ungutes Gefühl dabei; hinter der poli­ti­schen Verschwö­rung steckt ein fieser, runzliger Mann im über­di­men­sio­nierten Kapu­zen­mantel...
Es sind die wenigen Momente, wo sich die Atmo­s­phäre des Films zu verdichten scheint, und es sind alles Momente, die scheinbar in die Zukunft weisen.
Sie weisen nirgends hin als in die Vergan­gen­heit.
Was der Film als Vorah­nungen tarnt, ist pure Nostalgie, ist nur, nur, nur wohlige Erin­ne­rung an ein zwanzig Jahre altes Kino­er­lebnis.
Das große Verspre­chen von Episode I an seine Fans ist: Ihr wißt genau, wie die Zukunft aussieht, und sie sieht aus wie ein heiß­ge­liebter Teil Eurer Vergan­gen­heit. In fünf Jahren, nach Episode III, werdet ihr das sein, wo ihr ward, als ihr Star Wars kennen­ge­lernt habt. Nichts wird sich ändern, Pappa Lucas hält Euch fest im Arm.
Daß Menschen, die einen Monat auf dem Bürger­steig kampieren, die ihre Jobs aufgeben und Bezie­hungen, um als Erste diesen Film sehen zu können, keine andere Wahl haben, als ihn gut zu finden, ihn immer wieder und wieder und wieder anzusehen, um sich selbst davon zu über­zeugen, daß sie nicht enttäuscht sind, ist völlig klar. Die Alter­na­tive wäre das vernich­tende Einge­ständnis, daß sie kein Leben haben, daß sie ihre Identität ganz um einen kommer­zi­ellen Pop-Mythos herum aufgebaut haben, daß sie Angst davor haben, sich ein eigenes Ich erkämpfen zu müssen, daß sie das Neue fürchten und die Verän­de­rung.
Episode I muß leer sein, um zu funk­tio­nieren, denn jede Substanz trüge auch die Gefahr des Bruchs mit dem Etab­lierten in sich. Episode I muß parasitär sein, denn einzig der direkte Verweis auf die alten Star Wars-Filme kann jene Fans zufrie­den­stellen, die sich eigent­lich nichts wünschen außer auf mira­ku­löse Weise eben nochmal genau jene Filme, nur neu.

Als sozio­lo­gi­sches Phänomen macht dies Star Wars: Episode I – The Phantom Menace inter­es­sant und seine Strategie letztlich erfolg­reich. Aber es ist ein autis­ti­scher Diskurs, der in einem herme­ti­schen Universum statt­findet.
Als Beitrag zum heutigen Kino ist der Film so relevant wie ein neuer »Hanni und Nanni«-Band für die aktuelle Literatur.