The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt

The Lost City

USA 2022 · 112 min. · FSK: ab 12
Regie: Aaron Nee, Adam Nee
Drehbuch: , , ,
Kamera: Jonathan Sela
Darsteller: Sandra Bullock, Brad Pitt, Channing Tatum, Daniel Radcliffe, Oscar Nuñez u.a.
Schlimmer geht nimmer
(Foto: Paramount)

Dschungelcamp mit A-Promis

In dieser angeblich romantischen Action-Komödie gibt es nur eine Überraschung: die quälende Frage, warum hier so viel Geld und Lebenszeit vergeudet wurde

Ist es unfair, von einer roman­ti­schen Action-Komödie zu verlangen, dass sie lustig ist? Dass sie auf unter­halt­same Weise spannend ist? Dass die Schau­plätze und Hand­lungs­teile einen nicht zu einem perma­nenten Déjà-vu-Gefühl aus schon mal gesehenen Filmen zwingen? Dass die Haupt­dar­steller irgend­eine Art von knis­ternder Chemie vermit­teln, die es dem Zuschauer wünschens­wert erscheinen lässt, dass die Stars sich am Ende küssen? Dieser Film erfüllt all dies nicht. Das liegt auch daran, dass Sandra Bullock ihrem Gesicht kaum noch eine lebendige Mimik entlocken kann, was bei einer Komödie aber eigent­lich von Vorteil wäre. Aber vor allem liegt es an einem unsagbar faden, unin­spi­rierten Drehbuch (Seth Gordon, Oren Uzie) in dem Film The Lost City – Das Geheimnis der verlo­renen Stadt von Aaron Nee und Adam Nee.

Dabei fängt alles recht schwung­voll an. Es ist der große Abend einer Buch­prä­sen­ta­tion: Die Erfolgs­au­torin der seichten Unter­hal­tung Loretta Sage (Sandra Bullock) stellt ihren neuen und – wie sie beschlossen hat – letzten Band ihrer Abenteuer-Serie vor. Mit dabei ist das Buchcover-Model Alan (Channing Tatum), das seinen Auftritt mit einem wunderbar idio­ti­schen Kampftanz einleitet. Aber die schaf­fens­müde, ihre Bade­wan­nen­si­cher­heit bevor­zu­gende Autorin und ihr alles andere als kampf- oder outdoor­taug­li­ches Cover­model geraten plötzlich in ein echtes Dschungel-Abenteuer. Der exzen­tri­sche Milli­ar­därs­sohn Abigail Fairfax (Daniel Radcliffe) hat nämlich die fixe Idee, den Schatz aus dem Buch gäbe es tatsäch­lich, so dass er kurzer­hand Loretta entführt, damit sie ihm hilft, den Schatz in einer verschol­lenen Stadt im Dschungel zu finden. Alan reist hinterher und will sie retten, um zu beweisen, dass er nicht der stumpfe, unge­schickte Muskel-Schönling ist, für den sie ihn hält. Das ist natürlich unfassbar kindisch und comic-haft, aber geschenkt, wenn man etwas daraus machen würde. Kurz erzählt, beginnt nun eine chao­ti­sche Verfol­gungs­jagd vor exoti­scher Kulisse, in der das ungleiche Paar (Autorin und Model) die typischen Stationen einer roman­ti­schen Dschun­gel­schnit­zel­jagd abhakt und sich dabei (Vorsicht Spoiler!!) näher kommt.

Sandra Bullock, auch Produ­zentin, zitiert sich hier unver­schämt offen selbst, wenn sie im eng anlie­genden Glitzer-Jumpsuit und High Heels durch die Wildnis stakst. Kennen wir solche Szenen nicht schon aus Miss Under­cover (2000)? Fällt den Dreh­buch­au­toren wirklich nichts anderes ein als planlos herum­bal­lernde Schurken auf Motocross-Bikes, das Kriechen durch zu enge Tunnel, das Zu-zweit-Über­nachten in der Hänge­matte, die verschol­lene Stadt vor Wasser­fall-Kulisse? Nichts davon wirkt neu oder witzig oder spannend. Auch Daniel Ratcliffes Spiel als Schurke überzeugt keine Sekunde. Er wirkt so harmlos wie eine Wespe am Kuchen­buffet. Dies gilt auch für seine gesamte Verfolger-Bande. Allein Brad Pitts über­drehter Kurz­auf­tritt als Super-Action-Hero zeigt den Weg, den diese Komödie hätte gehen können: Knallige, schnelle Action-Satire ohne Wenn und Aber. Statt­dessen gibt es lang­wei­liges Herum­ge­irre und lahmen, zähen Romantik-Kitsch der bere­chen­barsten Sorte im Indiana Jones-Setting mit einer Prise Mexican-Folklore.

Die Grundzüge dieser Geschichte kennen wir ähnlich aus der Film­ge­schichte spätes­tens seit African Queen (1951) von John Huston, wo sich Humphrey Bogart und Katharine Hepburn sperrig-komö­di­an­tisch anein­ander abar­beiten, oder es gab da Harrison Ford und Anne Heche als unfrei­wil­liges Gespann, das sich in Sechs Tage, sieben Nächte (1998) unter­haltsam frotzelnd durch die Wildnis schlägt. Aber im Gegensatz zu ihren Vorgän­gern funk­tio­nieren Bullock-Tatum nicht als Paar und die wenigen ironi­schen Sätze Lorettas geben dem Ganzen auch keinen selbst­iro­ni­schen Drive, mit dem diese Frauen-im-mittleren-Alter-Fantasie hätte gerettet werden können. So ist es an Channing Tatum, seinen knackigen Körper zu zeigen, während ihm Sandra Bullock die wider­li­chen Blutegel vom Hintern reißt. Wenn sich Sandra Bullock als Schau­spie­lerin und Produ­zentin solche Szenen gönnen will: Warum nicht? Man kann das aus femi­nis­ti­scher Film­per­spek­tive sogar zu Recht gut finden, lange war das in Filmen umgekehrt. Aber man kann es auch traurig finden, dass sich Sandra Bullock in die lange Liste der Schau­spie­le­rinnen einreiht, die sich in einem Alter ab vierzig wie Renée Zellweger, Meg Ryan oder Angelina Jolie nur noch offen­sicht­lich schön­heits(miss/be)handelt vor die Kameras trauen. Natürlich ist dies eine private Entschei­dung und man kann sicher­lich auch die Ursachen in der Film­in­dus­trie und dem gesell­schaft­li­chen Jugend­wahn suchen, aber für die Zuschauer ist das mitunter schwer ertäglich, weil meistens jede Natür­lich­keit und eine wech­sel­volle Mimik verloren gehen. Und gerade das indi­vi­du­elle Mienen­spiel hat diese Stars ja berühmt gemacht, wie in Bridget Jones, Harry und Sally oder Durch­ge­knallt. Teilweise kommt es – zum Beispiel im Falle Nicole Kidmans, die ja gerade in sehr vielen Filmen und Serien zu sehen ist – auch zu einer echten Verwir­rung, mit was für einem Menschen, in welcher Lebens­phase man es eigent­lich gerade zu tun hat und wie alt die Filmfigur mit den zeitlos glatten Gesichts­zügen eigent­lich sein soll. Da wäre es noch konse­quenter in Richtung The Irishman zu gehen und die Prot­ago­nisten wie Robert De Niro digital zu verjüngen oder sie in ABBA-Manier als alters­lose Avatare zu gene­rieren.

Es gibt beim Zuschauer aber ja auch durchaus das Bedürfnis, mit den Held*innen seiner Jugend alt zu werden, sich in den Gesich­tern gespie­gelt zu sehen, um das eigene Alter besser und freund­li­cher zu begreifen. Da gehen viele Schau­spie­le­rinnen, vor allem in Europa, mit gutem Beispiel voran, wie jüngst Judi Dench in Belfast oder Anke Engelke in Mein Sohn, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Ja, man ist selbst schuld, wenn man in einen Block­buster geht. Viel­leicht sollte man sich auch als positiven Verstärker das Block­buster-Partner-Menü für 16,50 Euro leisten und das Handy einge­schaltet lassen, um sich nicht zu sehr auf den Film konzen­trieren zu müssen. Es gibt ja auch so etwas wie einen Zucker­rausch. Und ja, das Ganze kann sogar gelingen und Spaß machen, wie zuletzt bei Eternals oder The King’s Man – The Beginning. Manchmal werden dem Zuschauer aber auch einfach nur 112 Minuten Lebens­zeit gestohlen.