Latte Igel und der magische Wasserstein

Deutschland/B 2019 · 82 min. · FSK: ab 0
Regie: Regina Welker, Nina Wels
Drehbuch: ,
Musik: Andreas Hoge
Schnitt: Sascha Seidel, Regina Welker
Pointierte Handlung, glaubwürdige Dialoge, dichte Animation (Foto: Koch Films/Studiocanal)

Fridays for Igel

So wie Kinder­bücher eigent­lich schon immer »schwie­rige Themen« behandelt haben und selbst Bilder­bücher ohne Happy End inzwi­schen ja kein völliges Tabu mehr sind, so ist auch der Kinder­film der letzten Zeit wieder ein wenig mutiger geworden. Dem letzten Ostwind ist es erfolg­reich gelungen, das System­sprenger-Topos zu inte­grieren, der tolle Fritzi und Caroline Links Als Hitler das rosa Kaninchen stahl erzählen aus Kind­heit­s­augen über den Fall der Mauer bzw. die Flucht aus Nazi-Deutsch­land. Und dann ist da noch die dräuende Klima­ka­ta­strophe. Aber auch hier schlägt sich der deutsche Kinder­film ordent­lich, haben die Die Pfef­fer­körner und der Fluch des Schwarzen Königs 2017 den Miss­brauch mit Wasser­rechten thema­ti­siert und dieses Jahr Checker Tobi bestes Edutain­ment zum Thema Wasser abge­lie­fert.

Doch Umwelt und Wasser geht natürlich auch die ganz Kleinen etwas an und ist den ganz Kleinen auch vermit­telbar, wie das bereits der große tsche­chi­sche Zeichen­trick­klas­siker Der kleine Maulwurf in einigen Episoden (z.B. Der Maulwurf kommt in die Stadt) gezeigt hat. Einen ähnlichen Weg gehen auch Regina Welker und Nina Wels in ihrer Verfil­mung des finni­schen Kinder­buch­klas­si­kers Latte Igel und der Wasse­stein. Ähnlich wie der kleine Maulwurf lebt auch Latte Igel zwischen und mit anderen Tier­fa­mi­lien, ohne ganz dazu­zu­gehören. Das Igel­mäd­chen hat keine Familie mehr und muss sich als Außen­sei­terin ihre Position in der Gruppe immer wieder neu erkämpfen, eine aus Klas­sen­raum­kon­stel­la­tionen mit Menschen­kin­dern kein unbe­kanntes Verhal­tens­muster, das von den Dreh­buch­ver­ant­wort­li­chen Andrea Deppert und Wir sind jung. Wir sind stark.-Regisseur Martin Behnke fein­fühlig, aber dennoch dezidiert heraus­ge­ar­beitet wird. Auch Lattes Verzweif­lungtat, sich wegen des zuneh­menden Wasser­man­gels im Wald allein auf die Suche nach der Quelle des Mangels zu begeben, um in der Gruppe endlich nach­haltig Aner­ken­nung zu erhalten, ist nicht nur behauptet, sondern sensibel erzählt.

Ähnlich verhält es sich mit der Inte­gra­tion der Umwelt­the­matik, des Wasser­man­gels, der eigent­lich alle Tiere angehen sollte, im Erkennen der Gründe ebenso wie der Bekämp­fung. Latte Igel spiegelt hier mensch­liche Verhal­tens­weisen eindrück­lich, aber nie aufge­setzt, zeigt die Misere ebenso deutlich wie die Möglich­keiten des Handels. Doch anders als in der gegen­wär­tigen, globalen Fridays for Future-Bewegung rufen die »Kinder« in Latte Igel und der magische Wasser­stein nicht nur zum Handeln auf, sondern handeln auch selbst. Sie machen dabei aber auch deutlich, dass es ohne eine nach­hal­tige Verhal­ten­sän­de­rung auf allen Seiten nicht geht, dass auch die Erwach­senen und auch die Tiere aus anderen Landes­teilen mitmachen müssen, damit am Ende alle profi­tieren.

Diese Prämissen werden über die poin­tierte Handlung, glaub­wür­dige Dialoge und eine dichte, auch in der Farb­ge­bung liebe­volle Animation fast unmerk­lich einge­bettet und über den hervor­ra­genden, für eine derartig »kleine« Produk­tion unge­wöhn­lich komplexen, von Andreas Hoge kompo­nierten und vom Leipziger Sympho­nie­or­chester einge­spielten Sound­track noch einmal verstärkt und machen diesen kleinen Igel-Film zu einer großen Zeichen­trick-Über­ra­schung.