Die Küchenbrigade

La brigade

Frankreich 2022 · 97 min. · FSK: ab 0
Regie: Louis-Julien Petit
Drehbuch: , ,
Kamera: David Chambille
Darsteller: Audrey Lamy, François Cluzet, Chantal Neuwirth, Fatou Kaba, Yannick Kalombo u.a.
Basalste Integrationsarbeit
(Foto: Piffl Medien)

Gleichheit geht durch den Magen

Louis-Julien Petits Flüchtlingskomödie überzeugt mit einer überraschenden und konsequenten gesellschaftskritischen Leichtigkeit

Hat Deutsch­land ein Migra­tions- und Inte­gra­ti­ons­pro­blem? Sieht man sich die deutsche Film­land­schaft an, könnte man auf den Gedanken kommen, dass dem ganz und gar nicht so ist. Von Ausnah­men­filmen wie Berlin Alex­an­der­platz, Zu weit weg, Herr Bachmann und seine Klasse oder dem in zwei Wochen star­tenden Cem Kaya-Film Liebe, DM-Mark und Tod natürlich abgesehen.

Wirft man hingegen einen Blick allein auf die in den letzten Monaten in deutschen Kinos lancierten fran­zö­si­schen Filme, könnte man glauben, Migration und Inte­gra­tion ist alles, was es noch gibt, und erschüt­tert inzwi­schen sogar die Mittel- und Ober­schicht, eine Erschüt­te­rung, die mit dementspre­chenden komö­di­an­ti­schen Mitteln bloß­ge­stellt bzw. gezielt abge­fe­dert wird, um die Thematik erträ­g­lich zu machen. Der neue Monsieur Claude, France, In den besten Händen und Haute Couture gehören zu diesen Filmen, die bei aller Groteske immer wieder auch hart­nä­ckig versuchen, Auswege zu finden, um eine frag­men­tierte Nation zu kitten.

Auch Louis-Julien Petits Flücht­lings­komödie Die Küchen­bri­gade gehört zu diesen Filmen. Anders als in Haute Couture, wo die Banlieue Einzug ins Haus Dior hält, ist es in Petits Film die fran­zö­si­sche »Haute Cuisine«, die als gesell­schaft­li­cher Türöffner für eine erfolg­reiche Inte­gra­tion steht. Dafür wird die Geschichte der Sterne-Köchin Cathy Marie (Audrey Lamy) erzählt, die nach einem Streit mit ihrer Vorge­setzten in der Kantine eines Flücht­lings­heims für minder­jäh­rige Jugend­liche landet und in ihrer Not versucht, das Beste draus zu machen, und für eine Koch­klasse zu kämpfen beginnt, da sie schon bald reali­siert, dass diese Variante die einzige Option ist, um die Jugend­li­chen nicht nur auf ein realis­ti­sches Inte­gra­ti­ons­ziel zu fokus­sieren, sondern um überhaupt ihr Bleiben zu ermö­g­li­chen und eine Abschie­bung zu verhin­dern.

Petit lässt sich dabei ausrei­chend Zeit für die notwen­dige Vorarbeit. Mit scharfer Schraffur seziert er Cathys Leben genauso wie die Perspek­tiven und abge­bro­chenen Lebens­li­nien der Jugend­li­chen und führt dabei unauf­dring­lich über Lorenzo (François Cluzet), den Leiter der Flücht­lings­un­ter­kunft, in die Misere des fran­zö­si­schen Sozi­al­staats und die unzu­rei­chende Migra­tions- und Inte­gra­ti­ons­po­litik ein. Das immer wieder groteske Regelwerk wird einer­seits gnadenlos vorge­führt, andrer­seits aber genauso humo­ris­tisch gebrochen. An einigen Stellen bewegt sich Petit dabei ein wenig zu stark aus den ange­legten Charak­teren hinaus, wie etwas in dem Moment, als Cathy zu tanzen beginnt und damit die bis dahin glaub­wür­dige Charak­ter­ent­wick­lung ausge­he­belt wird.

Doch Petits Komödie befreit sich aus diesen Momenten dann auch genauso schnell wieder wie sie entstehen und rollt immer souver­äner dahin. Hoch anzu­rechnen ist Petit dabei, dass er den eigent­li­chen Fall­stri­cken eines Sozi­al­mär­chens immer wieder geschickt ausweicht. Dazu gehört etwa, dass er Cathy eben nicht die zu Beginn angelegte Liebes­ge­schichte mit ihrem Vorge­setzten auser­zählen lässt, sondern im Laufe des Films die Prio­riäten verschiebt; dass er zeigt, dass Inte­gra­tion auch bedeuten kann, zuerst einmal seine eigenen Wurzeln zu finden und anzu­er­kennen und in einem so ernüch­ternden wie hoff­nungs­vollen Abspann auch deutlich macht, dass Gerech­tig­keit immer nur situativ funk­tio­nieren kann und niemals ganz­heit­lich gerecht ist.