Indemnity

Südafrika 2021 · 130 min. · FSK: ab 16
Regie: Travis Taute
Drehbuch:
Kamera: Zenn van Zyl
Darsteller: Jarrid Geduld, Gail Mabalane, Andre Jacobs, Nicole Fortuin, Hannes van Wyk u.a.
Katharsis einmal ganz anders...
(Foto: Meteor/Drop-Out)

Unter Feuer

Travis Tautes Genre-Arbeit über einen traumatisierten Feuerwehrmann in Kapstadt überzeugt durch ungewöhnliche Tempoverschiebungen und überraschende Sub-Plots

Dass Südafrika und Kapstadt mit seinen Cape Town Film Studios nicht nur als preis­werter Backbone-Dienst­leister für westliche Action-Groß­pro­duk­tionen wie Safe House (2012), Mad Max – Fury Road (2015) oder Tomb Raider (2018) taugt, wurde spätes­tens mit »Afrikas« erster großen Netflix-Serie Queen Sono (2020) deutlich, deren Erfolg eine weitere, gerade erschie­nene Serie, Justice Served, ermö­g­lichte, die sich ebenfalls um die südafri­ka­ni­sche Vergan­gen­heit, Gegenwart und Zukunft, die Konflikte zwischen schwarz und weiß und mit ähnlich eindrück­li­chen Botschaften kümmert. Obwohl natürlich auch vor Netflix schon der südafri­ka­ni­sche Action-Groß­meister Neill Blomkamp von sich Reden machte (District 9, Chappie). Und auch neben Netflix ein Kino existiert, das es nicht nur auf den Home­s­creen, sondern auch in die Kinos dieser Welt schafft und immer wieder sehens­wert ist. So wie Travis Tautes Indemnity.

Taute, der auch für das Drehbuch verant­wort­lich ist, hat in seinen Thriller-Plot nicht nur klas­si­sche Mission: Impos­sible-Elemente verwoben, sondern baut in seine Geschichte um den bei einem Großfeuer durch den Verlust von Kollegen schwer trau­ma­ti­sierten Feuer­wehr­mann Theo Abrams (Jarrid Geduld), der eines morgens neben seiner toten Frau aufwacht und als Täter verdäch­tigt wird, auch etliche Elemente ein, die deshalb über­ra­schen, weil sie von den üblichen Narra­tiven west­li­cher Action-Thriller-Groß­pro­duk­tionen abweichen. Zwar spielt hier wie auch in zahl­rei­chen ameri­ka­ni­schen Filmen Poli­zei­kor­rup­tion eine Rolle, doch ist sie hier mit den Science-Fiction-artigen Umtrieben eines Groß­kon­zerns unterlegt, der nicht nur Menschen zu Waffen formen will, sondern eine in diesem Genre unge­wöhn­liche poli­ti­sche Agenda verfolgt. Der panafri­ka­ni­sche Gedanke, der hier zu Grunde liegt, hat auch in Queen Sono eine wichtige Rolle gespielt. Ist er dort jedoch durch und durch positiv konno­tiert gewesen, werden hier die Schat­ten­seiten einer an sich guten Idee reflek­tiert, mit der durchaus berech­tigten Kritik an China und Amerika, denen hier der Ressour­cen­raub in Afrika der letzten Jahr­zehnte ange­kreidet wird.

Aber Taute lässt es bei diesen span­nenden Beob­ach­tungen nicht bleiben, er lässt auch die in Südafrika virulente Xeno­phobie und den Alltags­ras­sismus politisch tages­ak­tuell mit einfließen, lässt sich im Anfangs­teil Zeit, um die Ehe seines versehrten Helden zu skiz­zieren und bietet dann vor allem in den Action-Sequenzen endlich einmal Neuland unterm Pflug, sehen wir nicht die immer gleichen euro­päi­schen, ameri­ka­ni­schen oder China-bedingt fernöst­li­chen Hotspots, sondern endlich einmal die Skyline und Schluchten einer der schönsten Städte der Welt, die Taute hier in allen Lebens­lagen zeigt, über rasende Auto­fahrten, kleine stille Momente, in denen Taute das Tempo immer wieder einfriert und dann in perfekter Action-Manier natürlich seinen immer wieder aus Fenstern und Häusern fallenden und flüch­tenden Helden, der mit der souver­änen Kamera von Zenn van Zyl in immer wieder neuen Blick­win­keln zentral fixiert wird, ohne dass dabei die Stadt mit ihren aufre­genden Gebäuden aus dem Blick gerät.

Indemnity ist dann aber auch ein sehr düsterer Film, der mit seiner expli­ziten Erzählung deutlich macht, dass Südafrika viel­leicht nicht mehr das Land der Apartheid ist, aber zu einer neuen, gnaden­losen Zwei­klassen-Gesell­schaft trans­for­miert ist, die – unheim­li­cher geht es kaum – dem west­li­chen Kapi­ta­lismus huldigt und dadurch, anders als die Apartheid der Vergan­gen­heit, unan­greifbar geworden ist.