Drachenreiter

Dragon Rider

Deutschland/Belgien 2020 · 91 min. · FSK: ab 0
Regie: Tomer Eshed
Drehbuchvorlage: Cornelia Funke
Drehbuch:
Musik: Stefan Maria Schneider
Kamera: Olaf Aue
Fantasy ohne Sogeffekt
(Foto: Constantin)

Reiterei ins Nirgendwo

Tomer Esheds Verfilmung des Cornela Funke-Bestsellers überzeugt nur auf der Animationsebene

Man kann sich schon fragen: warum erst jetzt? Warum erst jetzt einen von Cornelia Funkes bekann­testen Büchern verfilmen? Warum erst jetzt »Drachen­reiter« animieren, ihren Fanta­sy­roman über einen Drachen, der mit der Hilfe von ein paar unge­wöhn­li­chen Freunden seinen Feind überkommt und an das Paradies glaubt und der es 2004 immerhin auf den ersten Platz der New York Times Best­sel­ler­liste schaffte und dessen Autorin nur ein Jahr später vom TIME Magazine zu einer der 100 einfluss­reichsten Persön­lich­keiten weltweit gewählt wurde?

Viel­leicht, weil »Drachen­reiter« einfach lange übersehen wurde. Und viel­leicht, weil erst ein Anima­tions-Drachen­klas­siker wie Drachen­zähmen leicht gemacht kommen musste, um zu zeigen, wie aufregend und natürlich erfolg­reich animierte Drachen­filme sein können. Diese Vermutung liegt tatsäch­lich nahe, denn Drachen­zähmen leicht gemacht wird in der Eingangs­se­quenz von Drachen­reiter durchaus prominent anzitiert, wie auch sonst ein paar alte »Drachen­klas­siker« wie Godzilla, King Kong und irgendwie auch Fran­ken­stein und Termi­nator zu Wort kommen.

Dieser Bezug auf verschie­denste Metabenen zeigt bereits, dass der von Tomer Eshed insze­nierte und von Oliver Berben sowie Martin Mosz­ko­wicz produ­zierte Film nicht nur als Kinder­film funk­tio­nieren, sondern wie die großen Anime-Produk­tionen aus den USA oder Ghibli aus Japan auch Fami­li­en­film sein soll.

Grund­sätz­lich bietet sich diese Heran­ge­hens­weise bei Funkes Stoff auch an. Denn Funke verwebt nicht nur einen mytho­lo­gi­schen Stoff, sondern kontras­tiert ihn auch sehr geschickt und aufregend mit der Gegenwart, mehr noch – sie stellt die Drachen­welt, in der Menschen noch mit Drachen harmo­nierten im Grunde als das verlorene Paradies unseres Planeten dar, das durch den Sünden­fall, auch hier wie in der Bibel durch den Menschen verur­sacht, das natür­liche Gleich­ge­wicht unseres Planeten gestört hat. Weshalb in Funkes Roman wie in seiner filmi­schen Umsetzung auch schnell deutlich wird, dass durch die Rettung der Drachen natürlich nicht nur die Drachen, sondern auch unser Planet und damit die Menschen gerettet werden. Dieser Subtext macht Funkes 1997 erschie­nener Text in Zeiten von Fridays for Future- und I Am Greta-Awareness noch viel aktueller als er viel­leicht ursprüng­lich von Funke gemeint war. Schade nur, dass der Film dieses Angebot nicht einlöst.

Zwar spürt man der Animation das hohe Invest­ment dieser auf den inter­na­tio­nalen Markt ausge­rich­teten Produk­tion an, ist sie in ihren Details und Verspielt­heiten weit entfernt von einer relativ kleinen Produk­tion wie Ooops! 2 – Land in Sicht, die sich ja ebenfalls unserer unter­ge­henden Welt annimmt, aber vielmehr als großar­tige Bilder­welten und einen pathe­ti­schen Score gibt Drachen­reiter leider nicht her.

Gerade die Musik macht deutlich, wie wenig in dieser Produk­tion allein schon emotional funk­tio­niert. Bei allen musi­ka­lisch so laut beschwo­renen, großen Gefühlen und rasanten Action-Sequenzen wundert man sich vielmehr, dass nur so wenig davon beim Betrachter ankommt. Keine Träne, nur dann und wann ein Lachen, die Spannung nicht mehr als ein schwacher Trost.

Das lässt daran zweifeln, ob Drehbuch und Regie an den richtigen Stellen ansetzen, um Drachen­reiter zu dem zu machen, was bei einer deutlich weniger komplexen Buch­vor­lage Drachen­zähmen leicht gemacht geworden ist: Ein Block­buster-Franchise, das immer wieder über­ra­schend mit Plot, Gefühlen und Span­nungs­ele­menten spielt und den Zuschauer sogartig mitnimmt. Und für dessen Helden es sich sowohl gut leiden als auch freuen lässt.

Drachen­reiter ist weit davon entfernt, nimmt einen auf keine Reise mit, entführt einen in keinen eska­pis­ti­schen Fantasy-Kosmos, was wir ja von derar­tigen Produk­tionen erwarten dürfen, sondern bemüht sich über Refe­renzen, Zitate und sehr vorher­seh­bare Indiana Jones-artige Drama­tur­gien alles irgendwie richtig zu machen, ohne dabei aber so etwas wie »Eigen­in­itia­tive« und damit über­ra­schende »Authen­ti­zität« zu entwi­ckeln. Damit bleiben die Helden der Geschichte – von denen es viel­leicht einfach auch zu viele gibt, um sich emotional zu binden – letzt­end­lich Fremde und die Geschichte so fremd wie ein schon lange verblasster Mythos.