Django Unchained

USA 2012 · 165 min. · FSK: ab 16
Regie: Quentin Tarantino
Drehbuch:
Kamera: Robert Richardson
Darsteller: Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Samuel L. Jackson, Kerry Washington u.a.
Ästhetische Befreiungsmomente beim Schlendern durch kreative Sackgassen

Rot und Weiß

Entfes­seltes Befrei­ungs­kino: Quentin Tarantino’s so unter­halt­samer wie hoch­po­li­ti­scher Western Django Unchained

Blut spritzt auf eine Baum­woll­blüte, einmal in diesem Film. Ein zarter, präziser Strahl, keine Fontäne, wie in »Kill Bill«. Rot und Weiß. Statt Baumwolle könnte es trotzdem auch eine Kirsch­blüte sein, asia­ti­sche Ästhetik, und nie wirkt dieser Film so unver­stellt fernöst­lich, wie in diesem Augen­blick. Rot auf Weiß wird man noch oft sehen, denn es sind die Weißen, die hier bluten müssen, endlich. Wie in »Inglou­rious Basterds« nahezu alle Deutschen Schweine waren, gilt hier: nahezu alle Weißen sind Schweine. Vor fast auf den Tag genau 60 Jahren (am 15.Januar 1953) erlebte »Vom Winde verweht« seine Deutsch­landspre­miere. Jetzt schafft Quentin Tarantino in seiner bewährten Ästhetik der Über­zeich­nung, die Old South-Klischees Holly­woods zu über­winden. Viel­leicht ist »Django Unchained« überhaupt sein bester Film

Western­my­then

Etwa nach einer guten halben Stunde ist die Grund­kon­stel­la­tion etabliert, und es kommt zu ein paar Sekunden reinen, von aller Narration völlig losgelösten Bewe­gungs­kinos: Die zwei Haupt­fi­guren, Dr.King Schultz, eine ehema­liger Zahnarzt und Titelheld Django, ein von Schultz befreiter Neger­sklave, die sich im Winter 1858/59, »zwei Jahre vor dem Bürger­krieg« zum Kopf­geld­jä­ger­män­ner­bund zusam­men­ge­schlossen haben, und zugleich von der moralisch höheren Mission erfüllt sind, im Frühjahr die Verbre­cher­jagd hinter sich zu lassen, und in Missis­sippi die Frau Djangos um jeden Preis gleich­falls aus der Sklaverei zu befreien, diese beiden Helden von Quentin Taran­tinos neuem Film schwingen sich auf Pferd, reiten neben­ein­ander aus einer schlam­migen Stadt weit heraus, und hinein in die Natur, genauer gesagt: In eine mythische Western­land­schaft. Es kostet nur einen mit Über­blen­dung kombi­nierten Kame­ra­schwenk, da sind sie aus der Stadt weit heraus, und auf dem Weg hinein in eine hitze­flir­rende Wüste, in deren Hinter­grund man ein schnee­be­decktes hohes Gebirge sieht. Binnen weniger Sekunden reiten sie dann im immer gleichen gemäch­li­chen aber bestimmten Schritt­tempo ihrer Pferde durch einen Wald, eine tiefe Schnee­land­schaft, an einem See vorbei. Archai­sche Schönheit unberührter Natur, kombi­niert mit der Schönheit der eleganten Kame­ra­be­we­gung, perfekter Film­schnitte, und der nost­al­gi­schen Musik – eine ästhe­ti­sche Einheit, die den klas­si­schen Western beschwört, und sich doch seines Endes völlig bewusst bleibt, die Bilder des Spaghetti-Western ebenso zitiert wie New Holly­woods aufge­klärte Western-Revivals, etwa Robert Altmans »Mc Cabe & Mrs. Miller«.
Die Schönheit dieser Szenen zweier Männer in Bewegung über­trifft noch einige andere, nicht weniger gelungene, nicht weniger filmisch perfekte Momente in diesem Film. Immer wieder gönnt Tarantino sich und seinem Publikum Augen­blicke solcher Losgelöst­heit und gibt, obwohl er doch erkennbar an die Worte und Dialoge glaubt, seinen Film hin an die Macht der Bilder.

Karl May trifft Sergio Leone und die Nibe­lungen

Diese beiden Haupt­fi­guren, soziale Außen­seiter, um die herum Tarantino einmal mehr ein reich­hal­tiges Arsenal eindrucks­voller in wenigen Bildern und Sätzen präzis charak­te­ri­sierter Figuren versam­melt, sind im Grunde sich selbst genug. »Django Unchained« ist ihre Geschichte; die Geschichte dieser zwei Indi­vi­duen, die sich zusam­mentun für eine gemein­same Reise, in der der eine zum Lehrer des anderen wird, und in der sie beide, auf ganz unter­schied­liche Art, am Ende Befreiung und Erlösung finden werden. Sie werden Schurken treffen und besiegen, wie den Skla­ven­halter Calvin Candy (Leonardo Di Carpio in einem abgrün­digen Auftritt), wie eine ganze Gang von Ku-Klux-Klan-Rassisten, an geführt von »Big Daddy« (Don Johnson).
Der eine der beiden ist Django selbst, gespielt von Jamie Foxx: Ein schwarzer Sklave, der die Sünde beging, zu lieben und zu heiraten – was die der Züchtung immer besseren »Menschen­ma­te­rials« verpflich­tete Biopo­litik der rassis­ti­schen US-ameri­ka­ni­schen Skla­ven­hal­ter­ge­sell­schaft tatsäch­lich verbot –, und, schlimmer noch in den Augen seiner weißen Besitzer: zu denken. Zur Strafe wurden er wie seine Braut verkauft. Und jetzt hat dieser Django nur das Ziel, die Frau, die er liebt, aus den Händen der Rassisten von Missis­sippi zu befreien und sich an denen zu rächen, die sie und ihn gequält haben. Das Frau­en­bild ist diesmal übrigens das schwächste aller Tarantino-Filme: Es gibt hier keinerlei wehrhafte, »starke« Frauen, sondern tradi­tio­nelle Mäuschen. Und die »Southern Belle« des Films, Schwester des Schurken, eine früh gealterte, innerlich kindische, zum Schweigen bei Männer­ge­sprächen verur­teilte Witwe, verbindet mit ihrem Bruder ein offen inzes­tuöses Band.

Der andere, die fraglos komple­xere Figur der beiden ist der kalblütig-zynische Kopf­geld­jäger Dr. King Schultz, der Django zunächst befreit, weil er ihn braucht, um eine lukrative Beute aufzu­spüren, der bald aber sein »Natur­ta­lent« erkennt, und ihn den Beruf des Kopf­geld­jä­gers lehrt. Schultz, gespielt von Christoph Waltz als in Gestus und elabo­rierter, hoch­ex­plo­siver Sprech­weise ähnliche, ethisch aber ins Positive gewendete Version seines oscar­prä­mierten Auftritts als »Juden­jäger« Hans Landa in Taran­tinos »Inglou­rious Basterds«, wirkt wie einem Karl-May-Roman entstiegen: Ein Deutscher, Zahnarzt, der im Wilden Westen zum perfekt schießenden Kopf­geld­jäger geworden ist, aber immer noch am liebsten deutsches Bier trinkt und am Lager­feuer das Nibe­lun­gen­lied nach­er­zählt – ein Mensch, unter dessen kalt-zynischer Schale sich ein roman­ti­sches, gutes Herz verbirgt.
Ihm ist Django sympa­thisch und im Zuge dieser wach­senden Freund­schaft verändert sich Schultz selbst: Er taut sozusagen emotional auf. »Ich habe nie jemandem die Freiheit geschenkt, darum fühle ich mich für Dich verant­wort­lich.« sagt er bald. Und wenn dieser deutsche Doktor aus dem talen­tierten Schwarzen eine perfekte Killer­ma­schine formt, ihn dabei das Leben als freier Mann lehrt, und dieses Geschöpf sich zugleich verselbstän­digt, und seinen Schöpfer verändert, fühlt man sich mitunter an die Geschichte von Doktor Fran­ken­stein und seinem Geschöpf erinnert. Auch andere Mythen zitiert der Regisseur: Djangos Braut wurde von ihren deutschen Skla­ven­hal­tern auf den Namen Brunhilde von Shaft getauft – das ist nicht nur ein billiger Witz des germa­no­philen Tarantino, und seine Anspie­lung auf den Blax­ploi­ta­tion-Helden »Shaft«, Schultz enthüllt auch die tiefere Bedeutung, als er Django den Nibe­lun­gen­my­thos erzählt, und in ihm einen neuen Siegfried entdeckt, der durch die Hölle gehten muss um seine Brunhilde aus der Gefan­gen­schaft zu befreien.

Derart ließen sich noch viele der unzäh­ligen Dialog­pas­sagen des 165-Minuten, also auch in seiner epischen Dimension an Taran­tinos eines Vorbild Sergio Leone ange­lehnten Films in ihren zweiten und dritten Bedeu­tungs­ebenen entfalten. Quentin Tarantino begann als smarter Fanboy, dessen intel­li­gentes und bedeu­tungs­rei­ches Spiel mit Refe­renzen aus Hoch- wie Popkultur faszi­nierte, und ihm bereits 1994 eine Goldene Paslme einbrachte. Doch Taran­tinos siebter Film ist 19 Jahre nach »Pulp Fiction« noch weit mehr, als ein intel­li­gentes und bedeu­tungs­rei­ches Spiel mit Refe­renzen aus Hoch- wie Popkultur. »Django Unchained« ist Dialog­kino im gewohnten, zwischen Komödie, Genrekino und seriösem Auto­ren­film ange­sie­delten Stil dieses Regis­seurs. Es ist zugleich Bewe­gungs­kino mit rasanten Action­pas­sagen, elegi­schen Kame­ra­fahrten und -perspek­tiven. Wieder ebnet Tarantino auch diesmal die Ebenen ein: »Django Unchained« zitiert selbst­ver­s­tänd­lich die einfluss­reiche »Django«-Reihe und mit ihr die Tradition des Spaghetti-Western und des 60er-Jahre-Kinos, wie des »Blax­ploi­ta­tion«-Films der frühen 70er, und über­schreitet sie doch auch von Anfang an.

Schluß mit Sweet Lord Jesus und Uncle Tom

Noch viel mehr, als man das auch über manchen »Django«Film und Werke von Sergio Leone (»Zwei Glor­reiche Halunken«, »Spiel mir das Lied vom Tod«) und Sergio Corbucci (»Django«, »Leichen pflastern seinen Weg«) sagen könnte, ist »Django Unchained« hoch­po­li­tisch. Dies ist ein Film den zu sehen Spaß macht, während er läuft – und über der dem Zuschauer spätes­tens im Rückblick viel Stoff zum Nach­denken bietet. Denn dies ist auch ein Portrait der Lage schwarzer Sklaven im 19. Jahr­hun­dert und des bis heute allge­gen­wär­tigen Rassismus in Nord­ame­rika, so enter­tai­ning, wie möglich, aber auch so ehrlich, wie man es im Block­bus­ter­kino noch nicht gesehen hat. Ohne in Betrof­fen­heits­gestus zu verfallen zeigt Tarantino das Blut auf den Baum­woll­fel­dern, die Bruta­lität der gerade auch durch Hollywood allzuoft beschwo­renen Südstaa­ten­idylle. Er zeigt das Leiden der Schwarzen, die unvor­stell­baren Grau­sam­keiten, die die Skla­ven­halter an den Schwarzen begingen und das Übermaß der Strafen: Auspeit­schen für ein zerbro­chenes Ei, Zerflei­schen durch Hunde nach einem Flucht­ver­such – was überdies oft mit einem Spruch aus der Bibel (nicht nur dem Alten Testament) gerecht­fer­tigt wird. Es sind die Bösen, die hier »Sweet Jesus« anrufen,die Auspeit­scher des White Trash, deren Körper mitunter mit Bibel­seiten bedeckt sind. Tarantino klagt auch Bigot­terie und Selbst­ge­rech­tig­keit ein. Er zeigt die Verseh­rung der Körper schon im ersten Bild, das die Narben ausge­peitschter Sklaven in Großein­stel­lung nimmt, die Ketten, Hals­kränze mit Spitzen, metallen Mund­s­tücke und Kopf­schellen – alles hier ist histo­risch.

So auch die Reaktion vieler Weißer auf Django: In einer frühen Szene sieht man Schultz auf seiner Kutsche in eine Stadt fahren, neben ihm der frisch­be­freite Django reitend mit Waffe. Zu Ennio Morri­cones Titel­musik für Don Siegels so frühen wie genialen Spaghetti-Western-Pastiche »Two mules for sister Sara« ist dies natürlich eine erste Feier der Coolness dieser zwei Helden. Es ist aber auch Gele­gen­heit für die weiße Mehr­heits­ge­sell­schaft, sich zu empören darüber, dass ein »Nigger on a horse« in ohre Stadt zu reiten wagt.
Kultur schützt hier vor nichts, im Gegenteil: Im Saloon der Rassisten hängt ein Nachdruck von Goyas »Nackter Maja«, und Calvin Candy, der die Franzosen liebt, und seine Sklaven zum Beispiel D’Artagnan nennt, liest Alexandre Dumas, ohne zu wissen, dass sein Lieb­lings­autor nach seinen Kate­go­rien ein »Nigger« war. Im Haus der Candys wird einmal auch »Für Elise« gespielt, und in diesen Sekunden muss man daran denken, dass Beethoven ja angeblich ein Lieb­lings­kom­po­nist der Nazis war. Der Verweis, der in der Verbin­dung des Schönen mit dem Bösen liegt, ist jeden­falls unüber­sehbar.

Nicht zuletzt aber gilt sein mitunter grober Rund­um­schlag auch der Kolla­bo­ra­tion einiger Schwarzer. Die von Samuel L. Jackson gespielte geradezu dämo­ni­sche Figur des Stephen reprä­sen­tiert jene Mitschuld an dem Geschehen, das in den USA von manchen gar als »Black Holocaust« beschrieben wird. Auch dies ist gerade ange­sichts des mitunter selbst­ge­fäl­ligen Libe­ra­lismus des Obama-Amerika alles hoch­po­li­tisch – und wird in den USA auch so debat­tiert. Das ändert nichts daran, das Tarantino vor allem dem weißem Amerika den Spiegel vorhält, vorführt, was die Weißen den Schwarzen einst antaten.

Macht kaputt, was Euch kaputt macht

»I couldn’t resist« sagt Dr.Schultz irgend­wann. Bilder visua­li­sierten kurz zuvor seine Erin­ne­rung an das Zerflei­schen eines Schwarzen durch Hunde – es war das entschei­dende Erlebnis für diese Figur, sein Trauma. Jetzt erträgt er alles nicht mehr. Er trägt den Zorn in sich. Gefühle verraten in diesem Film und bringen den Untergang, zugleich sind sie der Ausweis des Mensch­li­chen. Gefähr­lich wird es für diese Helden immer im Augen­blick des Zusam­men­bruchs der Coolness.

Die Nähe zu »Inglou­rious Basterds« ist offen­kundig. Und zu den wenigen Dingen, die sich objektiv gegen den Film einwen­denm lassen, wiegt der Einwand, der Regisseur unter­liege hier einem Wieder­ho­lungs­zwang, vergleichs­weise schwer. Aber dieser Einwand gilt natürlich auch für Hitchcock oder Sergio Leone wie für unzählige andere. Man übersieht mit ihm, dass Tarantino sich in seinen letzten Filmen radikal weiter­ent­wi­ckelt hat, dass er in seinen zwei letzten Filmen zu so etwas wie seiner Methode und zu sich selbst gefunden hat.

Wie »Inglou­rious Basterds« ist auch dieser Film ein Rache­drama, nahe an der Wunsch­phan­tasie. Eine Explosion nach dem ersten Drittel und eine am Ende dient vor allem der mora­li­schen Erbauung: Macht kaputt, was Euch kaputt macht. Von Gewalt, von Expo­lo­sionen und dem Sterben »der Richtigen« verspricht sich Tarantino eine Art ästhe­ti­sche Befreiung, wenigs­tens Erleich­te­rung und Reinigung. Das ist fraglos provo­kativ. Die Kraft der philo­so­phi­schen Frage, die der Regisseur stellt – wann Gewalt, wann Rache mögli­cher­weise gerecht­fer­tigt oder als letzter Ausweg legitim ist – schwächt dieser Befund nicht ab.

Aus Zwieback mach Zweiback

Quentin Tarantino unter­liegt in Django Unchained endgültig dem Fluch der ewigen Wieder­kehr

Es besitzt nun fast schon Seri­en­cha­rakter, was Quentin Tarantino seit Kill Bill – Volume 1 und Kill Bill: Volume 2 bis zum jüngsten Django Unchained produ­ziert hat. Aber anders als in den handelsüb­li­chen Seri­en­for­maten funk­tio­niert Taran­tinos Kurzserie nicht über eine aufge­plus­terte Handlung, sondern über eine aufge­dun­sene Mono­the­matik, die wieder und wieder, aber in immer neuen Töpfen aufge­kocht wird. Rache, prak­ti­ziert und ausge­kostet bis ins feinste Detail. Die Lust, die ausgeübte Rache beim Betrachter erzeugen kann, ist – wie fast jeder irgend­wann einmal erfahren musste und ganz ähnlich den üblichen Seri­en­for­maten – süß und süch­tig­ma­chend und funk­tio­niert als eine der markan­testen Zutaten mensch­li­cher Schwäche dement­spre­chend gut; nicht erst seit dem Grafen von Monte Christo. Hatte Dumas seinen Grafen und die Wirren damaliger Revo­lu­ti­ons­zeiten aller­dings in einem epischen Atemzug abhandeln können, um sich davor und danach thema­tisch immer wieder neu zu erfinden, ist Tarantino diese Gabe offen­sicht­lich nicht beschieden.

Waren bei Kill Bill I und II allerding noch weniger gesell­schafts­über­grei­fende als indi­vi­du­elle Rach­ele­mente domi­nie­rend, kam bei Inglou­rious Basterds eine lustvoll dekon­stru­ierte Zeit­ge­schichte dazu, die als über­ra­schendes Vehikel für die Rachezüge an den vermeint­li­chen Urhebern des NS-Grauens instru­men­ta­li­siert wurde. In Django Unchained begibt sich Tarantino noch ein Stück weiter hinab in die Geschichte extra­hie­render, repres­siver Gesell­schaften. Dieses Mal ist es die Skla­ven­hal­ter­ge­sell­schaft der ameri­ka­ni­schen Südstaaten, die von Tarantino phan­ta­sie­voll umge­schrieben wird. Und selbst­ver­s­tänd­lich wird hier nicht dem passiven und scheinbar inzwi­schen gegen­warts­un­taug­li­chen Wider­stand von Onkel Tom in seiner Hütte gehuldigt, sondern einem Sklaven (Jamie Foxx), der zum aktiven Rache­engel und Western­helden mutiert. Aus seinem terro­ris­ti­schen „Schläfer“-Dasein erweckt wird Django aller­dings von einem Weißen, dem Deutschen Dr. King Schultz (Christoph Waltz), der ihn anfangs als notwen­diges Werkzeug für einen seiner Kopf­geld­auf­träge benötigt, ihm dann aber zu seiner Eman­zi­pie­rung und einer nahezu gleich­wer­tigen Part­ner­schaft im Kopf­geld­jä­ger­ge­schäft verhilft. Das erfolg­reiche Duo belässt es jedoch nicht beim puren Geschäft, sondern tut auch etwas für die Liebe. Denn Djangos Frau Broom­hilda (Kerry Washington) ist bei einer perfiden Rache­ak­tion ihres bishe­rigen Besitzers an einen ausge­sucht fiesen Plan­ta­gen­be­sitzer (Leonardo DiCaprio) verkauft worden, von dem es sie nun zu befreien gilt.

Die simple, schnell vorher­seh­bare Handlung steht klar im Schatten der über­großen, fast zwanghaft ausgeübten Mono­the­matik Rache, wird aber durch Taran­tinos Hand­schrift aufge­fächert und vertieft. Genre­ver­weise auf den Italo­wes­tern jeder Art (bis hin zum Gast­auf­tritt von Ur-Django Franco Nero), direkte Blax­ploi­ta­tion-Bezüge (Broom­hilda), über­deut­liche Nibe­lungen-Andeu­tungen (Broom­hilda), großartig und immer wieder poetisch foto­gra­fierte (Western-) Land­schaften (Robert Richardson) werden mit intel­li­genten Kalauern zu einem munteren Golem verknetet, der die histo­risch durchaus präzisen Fakten geschickt vor sich her jongliert. Dass damit die histo­risch präzisen Fakten für den typischen Tarantino-Stil eher „prosti­tu­iert“ als originär agierend erscheinen, ist neben der flauen Handlung nur die kleinste Schwäche von Django Unchained. Schwerer wiegt die zwar uner­müd­lich und brav dekon­stru­ierte, aber dennoch wie irre zele­brierte Lust am Töten, sank­tio­niert durch das Motiv der Rache.

Gewalt- und Macht­dis­kurse sind im Genre Western nichts Neues, haben aber gerade in den letzten Jahr­zehnten durch Filme wie Heaven’s Gate, Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford oder Meek’s Cutoff erfreu­lich erwei­terte Grenzen gesetzt bekommen, die durch Taran­tinos Urmotiv-Abnutzung in Kombi­na­tion mit seiner Refe­renzwut – die sogar Gore Verbinskis Rango in den Schatten stellt – nun ermüdend zurück­ge­steckt werden müssen.

Mitunter erscheint es dabei fast so, als ob Tarantino hier an einem Punkt in seinem Werk angelangt ist, der in die krea­tivste aller Sack­gassen führt: eines sich immer mehr verzet­telnden Künstlers, dessen Spätwerk nur mehr Einge­weihte und Alters­ge­nossen ganz folgen können. Was durchaus Freude bereiten kann, bei Tarantino genauso wie bei den vielen verwandten Rittern im Geiste, etwa einem Arno Schmidt und seiner treff­li­chen Frage­stel­lung, ob nicht jeder bei Zwieback dann und wann auch einmal an Zweiback denke.