»Ich mache Filme, wie sie noch nie einer gemacht hat« |
||
Love and Death in the Afternoon – Teil 1 der römischen Trilogie von Eckhart Schmidt |
Und schwer seufzend sprach ich zu mir selber: »Es ist ja ganz unvermeidlich, daß auch die holdseligste Beatrice einmal sterben muß.« Und da ergriff mich eine so heftige Wirrnis, daß ich die Augen schloß und es in mir zu toben begann, wie wohl ein Mensch im Fieberwahnsinn tut, und daß ich Wahnbilder schaute, in der Art, daß mir zunächst, da meine Phantasie in die Irre zu schweifen anfing, Gesichter von Frauen mit verwirrtem Haar erschienen, die also zu mir sprachen: »Auch du wirst sterben!« Und dann, nach diesen Frauen erschienen mir andere Gesichter, gar seltsam und schauerlich anzusehen, die zu mir sprachen: »Du bist tot.« Und wie meine Phantasie so ins Irre zu schweifen begann, kam es so weit, daß ich nicht mehr wußte, wo ich mich befand, und es schien mir, als sähe ich weinende Frauen des Weges kommen, mit verwirrtem Haar und in solcher Trauer, daß es ganz wundersam war. – Dante, La vita nuova
Ein kerniger Kerl, das ist er, der Eckhart Schmidt. Schmidt ist gelebte Filmgeschichte, er war Filmkritiker der »Süddeutschen Zeitung« und begann in der Zeit des Jungen deutschen Films selbst mit dem Filmemachen. Schmidt opponierte gegen Alexander Kluge und die Oberhausener und wurde eine Art Vater der Münchner Gruppe, die andere Wege gehen wollte. Nicht um Sozialkritik sollte es gehen, sondern um Genre, Sex und Mädchen. Ende der siebziger Jahre brachte er das Punk-Magazin
»S!A!U!« heraus, heute ein hochbegehrtes Zeugnis einer anarchischen Zeit, in dem er Rainer Werner Fassbinder, Herbert Achternbusch und Werner Schroeter ein Forum gab. Als Achternbusch in der »ZEIT« erwähnt wurde (es war mit Atlantikschwimmer), stellte er gemäß der Wette, die er mit ihm geschlossen hatte, augenblicklich die Publikation ein. Jahrzehnte lang saß er
im Gremium der bayerischen Filmförderung. Furore machte er als Filmemacher vor allem mit vermeintlichen Skandalen: Die eigentlich weichgezeichnete TV-Moderatorin Désirée Nosbusch war minutenlang nackt in dem kannibalistischen Liebesfilm Der Fan (1982) zu sehen, Loft – Die neue Saat der Gewalt (1985) ist ein blutiger Genrefilm aus dem Reich des Horrors. Trotz aller Abseitigkeit schrieb »Der Spiegel« 1984: »Schmidt ist der einzige deutsche Filmemacher, der sich am Massenpublikum orientieren will.« Eckhart Schmidt platzt gleich zu Beginn mit einer tollen Nachricht heraus: Der Fan kommt jetzt in einer restaurierten Fassung neu in die Kinos. Am Osterwochenende stellt er im Münchner Werkstattkino seine soeben fertiggestellte »Römische Trilogie« vor: Love and Death in the Afternoon, Mein schönster Sommer und Princess – Voices from Hell. Im Münchner Stadtcafé erzählt er von der Philosophie, die ihn zum Filmemachen antreibt.
Das Gespräch führte Dunja Bialas, im Beisein von
Werkstattkino-Betreiber Bernd Brehmer.
Eckhart Schmidt: Nach 35 Jahren kommt Der Fan jetzt wieder ins Kino! Es ist toll, dafür endlich Anerkennung zu bekommen.
artechock: Der Fan war doch damals schon ein sehr erfolgreicher Film!
Schmidt: Ja, sehr erfolgreich. Der Film war international ein gigantischer Erfolg. Aber die deutsche Kritik war nur negativ. Heute habe ich Kritiken, die sind sensationell.
artechock: Sie waren immer verschrien als Enfant terrible und wurden von vielen nicht gemocht. Wie kam es dazu?
Schmidt: Mein Hauptproblem war von Jet Generation, meinem ersten Film, an, die Schönheit. Dass ich immer dafür plädiert habe, schöne Filme zu machen. Deswegen bin ich jetzt für ein Jahr nach Italien gegangen und habe dort meine Trilogie gedreht. In Deutschland ist ja Schönheit immer mit Schein und Oberflächlichkeit verbunden. Motto: Wenn man was Wahres erzählen will, darf es nicht schön sein. Hässlichkeit ist wahrer als Schönheit, was natürlich absurd ist. In Italien sieht man das ganz anders. Schönheit ist mit Wahrheit kombiniert. Antonioni hat wahnsinnig schöne Filme gemacht, und die waren trotzdem wahrhaftig. Über die Psyche der Frau zum Beispiel. Visconti hat jedes kleinste Detail im Hintergrund in Sachen Schönheit inszeniert. Der Leopard ist ein wahnsinnig schöner Film und trotzdem ein wahrer Film. In Deutschland hat mich von vorneherein gekillt, dass Hässlichkeit wahrer sein soll als Schönheit. Ich habe immer schöne Filme gemacht. Filme, die an der Oberfläche schön sind und glamourös und die trotzdem eine Wahrheit erzählen. Das war immer mein Problem mit der deutschen Kritik.
artechock: Was wäre denn die Wahrheit von Loft? Hier verirrt sich ein Pärchen auf eine Vernissage, treibt es im Nebenzimmer und wird dann von den Gastgebern in eine blutrünstige Falle gelockt…
Schmidt: Die Wahrheit von Loft ist: Die Leute gehen in die Galerien, um sich zu treffen und Party zu machen, um was zu trinken, um was zu essen, und ignorieren die Bilder. Die Idee von Loft ist: die Bilder verkörpern sich, schlagen zurück und sagen: diese Typen, die hierher gekommen sind, um uns zu ignorieren, die mischen wir jetzt mal auf. Und am Ende verlieren die Bilder wieder. Weil die Spießer stärker sind als die Kunst, die sich verkörpert hat.
artechock: Kunst hat in Ihren Filmen immer eine große Rolle gespielt. Und daneben gibt es die Trash- und Genre-Elemente. Die Kombination von beidem ist ziemlich interessant.
Schmidt: Ja, das interessiert mich immer, weil ich was Extremes machen will. Ich liebe extreme Sachen! Die Idee von Der Fan war: Ich hab dich zum Fressen gern. Das habe ich wörtlich genommen. Andererseits hat der Star auch den Fan gerufen. Der ist gekommen, und dann wurde er missbraucht. Also tötet der Fan den Star, frisst ihn auf und bringt ihn neu zur Welt. Darüber hinaus ist der Film, und das haben die Leute damals überhaupt nicht bemerkt, eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Der Star geht los mit dem SS-Zeichen auf seiner Tasche, in der Wohnung sind Gemälde von den olympischen Spielen von 1936, sie schlafen in einem Bett mit den Nationalfarben, wahnsinnig viele Anspielungen. Hat kein Mensch gemerkt! Die Fan-Rufe waren »Heil«-Rufe aus dem Archiv. Die Fotos zeigen Deutsche, die Hitler zujubeln, und die Leute haben’s nicht kapiert!
artechock: Wie konnte die Kritik das damals nicht sehen?
Schmidt: Die waren blind. Heute steht’s in jedem Text drin. Auch meine jüngsten drei Filme, meine »Römische Trilogie« sind voller Anspielungen. Princess – Voices from Hell ist eine Auseinandersetzung mit dem Faschismus und mit unserem System der Kontrolle, das ich auch für faschistisch halte. Je weiter die Kontrolle voranschreitet, desto weniger können Sie sagen, was Sie denken! Vielleicht hört das einer und hängt Sie rein! Die ganze Kontrolle, der wir ausgesetzt sind, ist für mich demokratischer Faschismus, der sich etabliert, angeblich, um uns zu schützen, aber in Wirklichkeit, um uns auch zu überwachen. Die hat wieder zwei Seiten, die Medaille! Mir gefällt das nicht, also zeig ich in einem Film das Problem. Cecilia, die Protagonistin, wird terrorisiert von einer Stimme, die 2000 Jahre alt ist und von einem Imperator entsendet wird. In der Vergangenheit war sie nicht willens, sie war Tempeltänzerin, er wollte mit ihr schlafen, sie ist entflohen. Er hat das Gesetz gebrochen, denn im alten Rom durfte man Tempeltänzerinnen nicht anrühren, die waren wie Heilige. Er kann das nicht verwinden. Dreht sich in seinem Grab, seit 2000 Jahren, und hat ihre Nachkommen gesucht. Cecilia ist die Nachfahrin derer, die ihn sozusagen verraten hat. Die Davongelaufene. Er will sie jetzt tyrannisieren und in den Selbstmord treiben, bis sie in seinen Sarg kommt.
Den Film habe ich in faschistischen Dekors gedreht, auf der Piazza Mazzini, die Mussolini gebaut hat. Im Marmorstadion mit den ganzen Statuen, im E.U.R., in der Stadt von Mussolini etwas außerhalb von Rom. Der Film ist voller Auseinandersetzungen mit einem Imperator, der einen Menschen verfolgt. Sie versucht sich dagegen zu wehren. Es ist ein Kampf zwischen einem Imperium und einem Individuum.
artechock: Das hört sich ziemlich komplex an…
Schmidt: Ob’s die Leute verstehen, weiß ich nicht. Für mich ist es so simpel.
artechock: Sie bezeichnen die Filme der Trilogie experimentell. Was an ihnen ist experimentell?
Schmidt: Sie gehen ganz neue Wege. So wurde noch kein Film gedreht. Es sind Filme, die nur mit den Bildern erzählen und die keine Dialoge haben. Im Fall von Princess läuft die Auseinandersetzung über innere Stimmen. Man muss sich auf die Stimmen einlassen. Das Mädchen wird von dieser Stimme terrorisiert, bis sie begreift, wer das ist und was der will. Das gibt ihr die Kraft zu einer eigenen Stimme. Es gibt in ihrem Kopf eine Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Stimmen. Er kann sie physisch zerstören. Wenn sie nicht tut, was er will, kann er sie lähmen, paralysieren. Aber sie hat diesen Widerstand. Am Ende aber tut sie, was er will. Sie sagt sich in dem Moment: Du kannst meinen Körper zerstören, aber meine Seele kriegst du nie! Wenn ich zu dir komme und das Gift nehme, das du für mich vorbereitest hast, wird das dein Problem werden, das wirst du sehen. Im Jenseits, in der Hölle, wo du schmorst, wirst du nicht glücklich sein damit.
artechock: Das erinnert ja ganz schön an Groschenromane. Andererseits aber auch an Mythen, an die Archetypik. Wo sehen Sie das verankert?
Schmidt: In beidem. Ich habe nichts gegen Groschenromane. Sagen wir mal: Ich bin ein Dante-Fan. Mein Lieblingsbuch von Dante ist „La vita nuova – Das neue Leben“, das er noch vor der „Divina Commedia“ geschrieben hat. Das ist gespickt von Elementen, die merkwürdig sind. Es geht los mit einem Traum von Beatrice. Auf der einen Hand hat ein Liebesgott, der ihr im Traum erscheint, die nackte Beatrice, die dreizehn Jahre alt ist, in der rechten Hand hat er das Herz von Dante. Und er beginnt, Beatrice mit dem Herz zu füttern. Sie isst das Herz von Dante! Ist das jetzt ein Groschenroman? Ist es peinlich? Ist es Trash? Es sind tolle Bilder, und es ist eine tolle Idee: Seine erste Vorstellung von Beatrice ist, dass sie sein Herz isst. Das Herz wird ihr für immer gehören, weil es in ihren Körper gegangen ist. Das finde ich eine grandiose Idee!
Wenn ich das heute drehe und nicht dazuschreibe, dass es Dante ist, werde ich bestraft und geschimpft: »Der Schmidt schon wieder, mit seinen nackten Mädchen, und mit seiner Gewalt, mit diesem Herz« und so weiter! Unser lieber Onkel Dante hat’s schon mal geschrieben.
artechock: Wie lassen sich solche Filme realisieren?
Schmidt: Ich will mal sagen: Ich denk nicht drüber nach. Ich mach, was ich lustig bin. Ich hab nie einen Film gedreht, wo mir irgendeiner reingeredet hätte. Jeder Film, auch jeder Dokumentarfilm, den ich gemacht habe, ist ganz frei entstanden.
artechock: Viele Ihrer Filme sind aber doch mit Fernseh-Beteiligung entstanden?
Schmidt: Trotzdem. Ich habe gemacht, was ich lustig war. Ich hatte nie einen Redakteur, der mir gesagt hätte: »Mach’s so oder so.« Es sind immer meine Ideen gewesen. Ich habe 110 Filme gemacht. Wenn ich eine Idee nicht durchkriege, mach ich halt was anderes draus: ein Gedicht, oder ich fotografier sie, vertag sie. Ich war jetzt ein Jahr in Rom und habe drei Filme gemacht.
Bernd Brehmer: Du drehst ja deine Filme heute fast ganz allein. Wann hast du dich denn vom System gelöst?
Schmidt: Die Erkenntnis war vor ein paar Jahren, dass der deutsche Film nicht wirklich funktioniert. Es werden im Jahr so 400 Filme gemacht und im Kino funktioniert dann Matthias Schweighöfer, Til Schweiger, Fack ju Göhte und, was ich übrigens gut finde, Willkommen bei den Hartmanns. Der deutsche Film generell behauptet, eine Industrie zu sein. Das ist das Argument. Die drehen Filme, die kosten 5 Millionen Euro, die machen alle Kompromisse bei der Förderung, weil sie was nicht durchkriegen. Die leben nur von Kompromissen, und dann wundern sie sich, dass das Publikum sagt: »Fuck you!«
artechock: …Goethe.
Schmidt: Da ich in dem System nicht mehr bin und nicht mehr sein will, mache ich jetzt Filme, wie sie keiner macht!
artechock: Sie waren ja selbst mal im System drin und sogar Teil des Systems, als Gremiummitglied der bayerischen Filmförderung.
Schmidt: Ja, ich saß als Produzent beim FFF (Filmfernsehfonds). Das waren nur Beamte. Die haben jemanden gebraucht, der sich beim Kino auskennt. Der ein Drehbuch lesen kann. Das ist heute noch so, der Produzentenverband sitzt in allen Fördergremien mit drin. Fernsehredakteure: sitzen in allen Fördergremien mit drin. Das ist ja auch sinnvoll. Die Frage ist nur: Was kriegt man durch? Welche Kompromisse erzwingen die Leute, die da drin sitzen? Die Fernsehleute erzwingen permanent Kompromisse. Ich habe als erster Achternbusch durchgesetzt, hab Werner Schroeter durchgesetzt.
artechock: Dann waren Sie sehr lange im Gremium und haben währenddessen auch noch für eigene Filme Förderung bekommen?
Schmidt: Ich war Jahrzehnte dabei. Die Frage ist: Was tut man, wenn man da drin sitzt? Bei seinen eigenen Filmen geht man halt nicht in die Sitzung. Was meine Förderung anbelangt, würde ich mal sagen: fünf Prozent von dem, was ich beantragt habe, habe ich gekriegt. Ist halt so. Ich will nicht so tun, als wären meine Filme kommerzielle Filme. Es gibt keine Gesetze, wie man einen Film machen soll, damit er geht. Es braucht mutige Filme, wie zum Beispiel jetzt Wild. Das ist doch eine tolle Love-Story! Da kann man auch sagen: Das ist Trash und pervers. Die anderen machen dieses Kino, das kein Kino ist. Ich hab mir gesagt: Ich mache Filme, die noch nie einer gemacht hat!
artechock: Welche Rolle spielte Ihre Produktionsfirma Raphaela-Film?
Schmidt: Die habe ich gegründet, um Dokumentarfilme zu machen. Ich brauchte als Basis eine GmbH. Da habe ich ein limitiertes Risiko, wenn mal ein Film platzt, und beim Dokumentarfilm hat man immer dieses Risiko. Mir ist das nie passiert, aber man weiß es nicht. Ich habe unglaublich viele Dokumentarfilme in Amerika gedreht und wusste nicht, ob ich Förderung bekomme. Das ist ein Prozess, bei dem man Pleite gehen kann.
artechock: Genre ist ja eigentlich das Gegenteil von Dokumentarfilm. Es gibt Regeln und verlässliche Elemente, anti-dokumentarischen Blutszenen mit Kunstblut…
Schmidt: So viele Blutszenen hab ich nicht gemacht. Sie haben Loft gesehen! Sonst gibt’s keine. In Der Fan gibt es nur ein einziges Blut, das man sieht. Sie nimmt so ein automatisches Messer…
artechock: Moulinex, kenn ich von meiner Mutter…
Schmidt: …und zersägt ihn sozusagen. Dann nimmt sie das Messer, und es sind zehn Bluttropfen drauf. Ansonsten gibt es in dem ganzen Film kein Blut. Nein, das denken die Leute nur immer!
artechock: Ja, ich habe jetzt schon Angst vor diesem Film!
Schmidt: Loft ist Blut. Da wird Dante zitiert, was übrigens auch kein Mensch gemerkt hat. Ich weiß nicht, wo die Leute ihre Bildung hernehmen. Sind sie in der Gosse großgeworden? Oder an der Uni? Ich weiß es nicht. So einen Dante muss man schon mal irgendwie realisieren können.
artechock: Und jetzt kommt ihre »Römische Trilogie« ins Werkstattkino. Was ist – vermutlich neben Dante – die Idee dazu gewesen?
Schmidt: Meine drei römischen Filme haben das Konzept, dass sie die Geschichte über Bilder erzählen. Der erste Film Love and Death in the Afternoon ist ein Film über meinen Tod. Es ist – bis zu meinem Tod – eine wahre Geschichte. Ich hab ein Mädchen kennengelernt – also kein Sex! –, meine Maestra. Wir waren drei Jahre lang unglaublich intensiv zusammen. Ich hab das dann weitergesponnen. Dass wir ein Verhältnis anfangen und so weiter. Ich sterbe in ihren Armen, sie betrauert mich. Ich will sie im Grunde verlassen, weil sie nicht mehr meine Muse ist. Mit einer Muse schläft man nicht, und ich will sie verlassen. Da sagt sie: Ich bin schwanger. So. Dieser Konflikt löst sich auf, indem ich sage: Wenn du das Kind kriegst, kriegst du alles, was ich besitze. Sie kriegt das Kind, ich sterbe in ihren Armen, sie betrauert mich, sie legt sich über mich. Und ich werde immer kleiner. Und am Ende bin ich verschwunden. Und sie bringt mich neu zur Welt.
artechock: Das ist der Musendeal.
Schmidt: Ja, und magischer Realismus. Der zweite Film Mein schönster Sommer ist im Grunde die Story von einem siebzehnjährigen Mädchen und ihre Begegnung mit dem Tod. Der Junge, der sie nur einmal küsst, und zwar vor einem der berühmtesten Fresken der Welt, »Triumph des Todes«, begeht Selbstmord. Er ist ein Milliardär, der sich der Ausbeutung der dritten Welt durch seinen Konzern, was er nicht ändern kann, entzieht, indem er sich umbringt. Das ist ihre Begegnung mit dem Tod. Sie kehrt aus Palermo nach Rom zurück und erinnert sich an diese ganze Geschichte. Das war ihr schrecklichster Sommer, aber auch ihr schönster Sommer. Sie hat die Liebe erfahren, aber auch den Tod.
artechock: Und was ist mit Rom? Woher kommt die Faszination?
Schmidt: Ich bin ein totaler Fan von Antonioni. Mein Lieblingsregisseur ist Valerio Zurlini. Den kennt kein Mensch. Ein unglaublicher Regisseur. Ich habe viel in Italien gedreht und wollte länger dort bleiben. Ein Dokumentarfilm von mir heißt Cinema Italiano (2014) über die allerletzten Regisseure, die man so findet, bis zur jungen Generation, Matteo Garrone. Was ich da zusammengekriegt habe, ist einzigartig. Die Kritiker haben gesagt, dass ist das beste, was es jemals zum italienischen Film gab. Ich hab die alle im Original: die Kameraleute von Antonioni, Visconti, aus erster Hand die ganzen Geschichten. Ich hatte immer schon eine Liebe zu Italien und zu Rom. Und zu Los Angeles! Da war ich dreißig Jahre lang.
artechock: Was verbindet Ihre Filme?
Schmidt: Alle meine Filme haben einen philosophischen Aspekt. Ich kann nichts machen ohne Philosophie. Ich habe zum Beispiel einen Film über Las Vegas gemacht und ich habe mich gefragt: Was ist die Philosophie dieser Stadt? Die haben keine Religion mehr, aber die haben das Geld. Las Vegas ist der Tempel des Geldes. Mein Film geht über diese Religion des Kapitals.
artechock: Und jetzt sind Sie wieder hier?
Schmidt: Ja, ich habe Rom aufgegeben und bin wieder hier. Und jetzt schaun wir mal.