10.07.2008

Im Endeffekt ist Kino Gefühl

Michael Althen, Wim Wenders, Helmut Prinzler vor der Kinoleinwand
Michael Althen, Wim Wenders, Helmut Prinzler vor der Kinoleinwand in Auge in Auge
(Foto: 58. Berlinale 2008)

Ein Gespräch mit Michael Althen und Wolfghang Kohlhaase über Schweißgeruch am Film, deutsche Filmgeschichte, Lieblingsfilme und den Film Auge in Auge

Wie zeigt man deutsche Film­ge­schichte? was gehört zu ihr, welche Schätze liegen in der Vergan­gen­heit des deutschen Kinos verborgen? Und was ist überhaupt das Deutsche am deutschen Film?
Dieser hier­zu­lande gern igno­rierten Frage sind jetzt der Film­kri­tiker Michael Althen (früher SZ, heute FAZ, auch gele­gent­lich schon als Filme­ma­cher gemeinsam mit Dominik Graf in Erschei­nung getreten) und der Film­his­to­riker Hans Helmut Prinzler (früher als Direktor der Stiftung Deutsche Kine­ma­thek u.a. verant­wort­lich für das Deutsche Film­mu­seum und die Retro­spek­tiven der Berlinale) nach­ge­gangen.
Ihr Film Auge in Auge – Eine deutsche Film­ge­schichte hat bewußt einen subjek­tiven Zugang gewählt: U.a. stellen zehn „Paten“ ihren „Lieb­lings­film“ in einer Schlüs­sel­szene vor. Einer von ihnen ist der Dreh­buch­autor Wolfgang Kohlhaase (Solo Sunny, Sommer vorm Balkon).

Beim Festival des Deutschen Films in Ludwigs­hafen führten der Deutsch­land­funk-Kritiker Josef Schnelle und Rüdiger Suchsland (artechock), beide auch für die Programm­aus­wahl des Festivals mitver­ant­wort­lich, ein Publi­kums­ge­spräch, mit Michael Althen und Wolfgang Kohlhaase, das im Folgenden doku­men­tiert wird.

Schnelle: Wie ist der Plan zu diesem Film entstanden? Das ist ja wahn­sinnig viel Mate­ri­al­re­cherche. Das geht ja nicht so leicht: Diese kleinen Schnipsel, die in dem Film sind, die muss man ja erst mal finden. Und irgend­wann muss man auch Rechte klären, man muss das Material bekommen – so leicht und spie­le­risch, wie das jetzt aussieht, ist es bestimmt am Anfang nicht gewesen...

Althen: Nee, ist es erstmal nicht gewesen. Am Anfang stand die Frage an mich, ob ich Lust hätte, eine Fern­seh­serie über das deutsche Kino zu machen. Die Frage hat mich total gelähmt, weil ich mir dachte: Um Gottes willen: Deutsche Film­ge­schichte von Anfang bis zum Ende, das alles so Kapitel um Kapitel abzu­ar­beiten...
Und dann habe ich mir, oder haben wir uns dann überlegt: Wie müsste sowas denn ausschauen, damit auch uns das Spaß macht, damit auch wir Entde­ckungen machen können, damit das Ganze einen etwas spie­le­ri­schen Tonfall bekommt.
So kamen wir dann auf die Struktur nach und nach. Zum einen der Wunsch, dass nicht wir beide hergehen und dann sagen: Dies ist die deutsche Film­ge­schichte! Punkt. Sondern das wir das gerne teilen würden mit anderen Leuten – wir haben die Paten genannt – die quasi einstehen mit ihrer Leiden­schaft und Intel­li­genz und Arti­ku­la­ti­ons­fähig­keit für bestimmte Filme, die ja dann auch bestimmte Kapitel der Film­ge­schichte sind.

Schnelle: Wolfgang Kohlhaase, Sie sind ja einer dieser Paten. Was haben Sie denn gedacht, als die Autoren mit dem Projekt zu ihnen kamen?

Kohlhaase: Es war ein Vorschlag, dass ich zu diesem Film Menschen am Sonntag, der mir nahe steht, etwas sage – das hab‘ ich gern gemacht. Es ist nicht mein einziger Lieb­lings­film. Ich habe eigent­lich überhaupt keine Lieb­lings­filme. Sondern ich mag Filme, und das wechselt auch manchmal... Ich mag einfach gut gemachte, genaue, unver­wech­sel­bare Filme und Menschen am Sonntag, den ich hier vorstelle, war mir insofern nahe, weil ich ja auch auf so ‘ner Alltags­strecke auch immer versucht habe, so etwas zu machen.
Man kann Filme machen über Eisberge oder große Affen, aber es ist auch immer schön, wenn Filme von den Leuten handeln, die im Kino sitzen. Das ist auch eine Säule von Kino – das die Leute, die das Publikum sind, etwas von sich selbst im Kino finden. Also: Es war mir nahe, über Menschen am Sonntag zu reden, der ja ein früher Versuch in diese Richtung ist.
Aber ich will noch drei Sätze sagen zu dem Film Auge in Auge. Als Zuschauer. Es ist eine wunder­bare Arbeit. Was mir so imponiert, ist dass die Akribie der Recherche, der enorme Fleiß, der da drin steckt, immer verschwindet. Es ist kein Schweiß­ge­ruch an diesem Film, sondern er geht leicht, er ist heiter. So soll Kunst ja sein: Die Anstren­gung hat man, aber die muss verschwinden. Und die verschwindet in diesem Film.
Obgleich er soviel Bildendes enthält, ist seine Haupt­ebene eine emotio­nale. Nicht die Infor­ma­tion steht im Vorder­grund, sondern der Film folgt einem Gefühl, und das Gefühl hat, wie auch der Schluß­ge­danke sagt, damit etwas zu tun, dass die Deutschen in der Film­ge­schichte zugleich die Deutschen in der Geschichte sind.
Seit es Kino gibt. Das macht einen sehr nach­denk­lich.
Die große Nachricht dieses Films ist eine Nachricht des Gefühls. Das ist mir sehr angenehm. Denn letzten Endes ist Kino Gefühl. Man kann reden: Kino ist Bild, Kino ist dies, Kino ist das... Im Endeffekt ist Kino Gefühl. Und es funk­tio­niert oder es funk­tio­niert nicht. Ich habe das Gefühl, es ist ein Angebot an das Publikum.
Das Letzte, was ich sagen will, ist, dass mir im Überblick die wunder­bare Welt der Schau­spieler zu Herzen geht. Nicht nur, weil man so viele sieht, die nicht mehr da sind, bis in die jüngere Vergan­gen­heit hinein, sondern, weil Du auch deren unge­heuren Anteil am Film siehst. In den Gesich­tern ist eine ganze Epoche drin. Es gibt so einen schönen Gedanken – ich weiß gar nicht von wem -: Was hat der Film zusätz­lich zu allen anderen Künsten? Er hat etwas, was es außerhalb des Films nicht gibt: Das Entstehen eines Gefühls im Gesicht eines Menschen. Das gibt es nicht auf dem Theater, nicht in der Photo­gra­phie, das ist ungeheuer: Die Land­schaft der Gesichter. Das ist eine besondere Schönheit an diesem Film, das er auch ein Archiv von Schau­spie­ler­ge­sich­tern ist.
Ich rede als Zuschauer, denn meine Teilnahme ist sehr ehrenvoll für mich, aber was habe ich da weiter gemacht? Also: Kompli­ment!

Althen: Danke!

Schnelle: Es gibt ja auch einen Abschied vom Rauchen im Film. Ist der auch persön­lich gemeint?

Althen: Sollte ich es jemals schaffen, aufzu­hören, dann ist es wenigs­tens das Rauchen als Kultur­form aufge­hoben.

Suchsland: Wolfgang Kohlhaase hat es eben schon gesagt: Dass Film etwas Persön­li­ches, etwas Subjek­tives ist, das immer mit dem Menschen zu tun hat, der das guckt, und man ist als Kritiker auch erstmal Zuschauer und Person. Deswegen ist meine Frage jetzt an Michael Althen: Wenn Sie jetzt selber gefragt worden wären, hier Pate zu sein: Welche ganz persön­li­chen Filme hätten Sie sich denn ausge­sucht?

Althen: Also bei mir wäre sicher die erste Wahl Unter den Brücken gewesen. Weil ich eigent­lich finde, dass der immer noch nicht ausrei­chend bekannt ist. Der ist eigent­lich erst so in den letzten Jahren durch sein Auftau­chen in Christian Petzolds Toter Mann ein bisschen mehr in die Öffent­lich­keit gekommen. Und dann weil der auch etwas hat, was deutsche Kino in jenen Jahren nicht hatte, was ihm in danach auch sofort wieder verloren gegangen ist, was auch Käutner selber danach nicht in dem Maße fort­setzen konnte, wie es sich in diesem Film zeigt. Das ist wirklich ein singulärer Moment in der deutschen Film­ge­schichte: Wie der während Deutsch­land in Schutt und Asche fiel auf den Berliner Flüssen diese Geschichte gefunden und erzählt hat. So unter allem weg. Man hat so den Eindruck: Unter dem Bomben­hagel weg findet der dann noch ein letztes Mal etwas, was es mal gegeben hat, und was dann verloren geht und was dann für immer verloren war. Offenbar. Also der Film kam ja 1944 nicht mehr ins Kino. Er hatte seine Urauf­füh­rung in Schweden 1946. Und wurde dann in Deutsch­land 1946 oder 48 ins Kino gebracht. Ohne großen Nachhall. Die Leute hatten dann auch andere Probleme: Wieder­aufbau und es gab Trüm­mer­kino.
und so blieb der folgenlos. Deswegen würde ich den unbedingt als Erstes wählen.
Den anderen, der auch in Auge in Auge vorkommt, am Anfang: Berlin Chamis­so­platz, auch so ein unter­schätzter deutscher Film...

Suchsland: ...von Rudolf Thomé...

Althen: ...da gibt es am Anfang so eine Kette von Dingen und Ausdrü­cken und Gesich­tern und Momenten. Das endet mit dem Blick auf eine Frau, Sabine Bach ist das nämlich, die da auf dem Sofa sitzt.
Und am liebsten hätte ich den ganzen Ausschnitt gezeigt, weil das nämlich die Szene ist, die ich mir in meinem Leben wohl am häufigsten ange­schaut habe, sicher 70 Mal, 80 Mal. Sie guckt nämlich in diesem Moment, wo sie noch nasse Haare hat, weil sie aus der Dusche kommt, und einen gestreiften Bade­mantel anhat, auf Hanns Zischler. Der sitzt an einem Flügel und spielt ein – übrigens von ihm selbst kompo­niertes – Lied, das sehr Bob Dylan-haft ist, und das wirklich wunderbar ist – das hab ich mir auch auf den iPod geladen – da finde ich, kann man genau das sehen, wovon Sie geredet haben, Herr Kohlhaase, nämlich das Entstehen eines Gefühls auf dem Gesicht einer Schau­spie­lerin. Deswegen ist das der Schluß dieser Kette von Momenten, was das deutsche Kino alles sein könnte.

Suchsland: Sie sind ja haupt­be­ruf­lich Film­kri­tiker, und bleiben das vermut­lich auch. Trotzdem ist das jetzt der vierte Film zumindest als Co-Autor, Co-Filme­ma­cher, den Sie gemacht haben. Auch wenn diese Arbeit jetzt so ein bisschen – ganz viele Filme gucken, die schönsten Momente heraus­su­chen, und anderen Leuten irgendwie zeigen – ja ein bisschen was mit Film­kritik zu tun hat: Trotzdem: Was ist anders? Was ist der Unter­schied? Und was ist auch das Reiz­vollste für den Kritiker dabei?

Althen: Also es stimmt schon: Es ist dem Schreiben nicht so unähnlich. Es geht darum: Man hat etwas gesehen und möchte davon erzählen; man ist von etwas bewegt oder über­wäl­tigt worden und möchte das weiter­geben.
Der größte Unter­schied ist wahr­schein­lich, dass man sich viel vornehmen kann, was man da alles erzählen möchte, dass es aber einen bestimmten Moment gibt, wo das Material sein eigenes Tempo diktiert, seine eigene Erzählung einem aufdrängt. Wir haben es am deut­lichsten daran gemerkt, das sich natürlich kurz vor der Fertig­stel­lung des Schnitts schlimme Tage und Wochen vor einem auftun: Wo einem nämlich auffällt, was alles nicht vorkommt in diesem Film, wer alles über­gangen wurde, vernach­läs­sigt wurde, ignoriert wurde, auch Filme und Schau­spieler, die einem selber nahe sind, und wo man denkt: Ups, den muss ich jetzt unbedingt noch unter­bringen, diesen Film und jenen Moment, den kann man doch hier noch und dort noch rein­fli­cken – es funk­tio­niert aber nicht.
Es lässt sich nicht mehr mit Gewalt der Erzählung aufdrängen. Die hat bereits im Material ihren eigenen Weg gefunden, dieser Fluss.

Suchsland: Aber es geht aber ja auch nicht um einen Kanon in diesem Film...

Althen: Nee...

Suchsland: ..es geht nicht um die zehn besten Filme, sondern um zehn Lieb­lings­filme. Und diese Eigen­dy­namik des Auswählen-müssens, das passiert einem beim Schreiben doch auch... Dass man etwas anfängt, und plötzlich merkt: Eigent­lich müsste man von dem Film über den man schreibt, jetzt noch etwas Bestimmtes erzählen – geht aber nicht. Manchmal aus Platz­gründen, aber auch weil es einfach nicht reinpasst...

Althen: Es stimmt auch, es ist dann letzten Endes auch nicht so unähnlich, weil im Grunde ja schon die Sprache selber beim Schreiben auch nicht immer das macht, was man möchte. Manchmal trägt einen ja die Sprache auch irgendwo hin, wo man gar nicht hin wollte, wo es aber trotzdem inter­es­sant ist.
Man ist ja selbst nicht in dem Maße Herr der Sprache, das immer am Ende das dort stünde, was man wirklich sagen wollte. Klingt jetzt so ein bisschen doof – ist aber so. Wer das leugnet... irrt.

Schnelle: Ja, das kennen wir ja auch. Das kennen alle, die über Filme schreiben. Ist das bei Ihnen auch so Herr Kohlhaase? Sie haben so viele Dreh­bücher geschrieben...

Kohlhaase: Ja, ich hab viele Dreh­bücher geschrieben. Aber ich habe auch ein bisschen Prosa geschrieben. Es ist ein gewisser Unter­schied: Wenn man Prosa schreibt, vertraut man sich der eigenen Erfindung an, auch der sprach­li­chen. Und auf eine merk­wür­dige Weise trägt einen eine Tonlage. Aus reiner Neugier hat mich inter­es­siert: Wenn man in guter Prosa die Magie erster Sätze und Magie letzter Sätze unter­sucht: Wie fängt eine Sache an, und wie hört sie auf?
Jeder weiß: Wenn Du eine Seite eröffnest, Du weißt wirklich nicht wo es hingeht, weil die Sprache Dich führt. Du schreibst nicht etwas auf, was Du schon genau weißt, sondern Du versuchst das heraus­zu­finden. Und wenn Du Glück hast, führt Dich das auf Schön­heiten, von denen man am Anfang noch gar nicht wußte.
Im Dreh­buch­schreiben ist ein bisschen mehr Kalku­la­tion. Verein­facht gesagt: Prosa schreibst Du von vorn nach hinten, beim Film musst Du immer auch den Schluß im Gefühl haben. Einen Film machst Du auch von hinten nach vorne.
Du musst wissen: Wo soll das Ding hin? Dann schreibst Du Szenen für Schau­spieler. Denkst also auch: Wie lassen sie sich spielen? Sind sie Angebote für Schau­spieler? Haben sie Zwischen­räume für Schau­spieler? Haben sie Chancen für Schau­spieler? Es gibt Dialoge, die kann man nicht spielen, die lassen sich nur aufsagen. Insofern ist dies merk­wür­dige Kunst die niemand genau und endgültig versteht, Drama­turgie steckt als Kalku­la­tion im Filme­ma­chen stärker drin, als in der Prosa.

Suchsland: Und wieviel Film­ge­schichte steckt im Dreh­buch­schreiben? Denkt man denn, wenn man schreibt auch daran, wieviel andere schon geschrieben haben, wieviel Filme es gibt? Befindet man sich überhaupt in einem Dialog mit der Film­ge­schichte? Regus­seure tun das ja, wollen z.B. etwas machen, das so ähnlich ist, wie Hitchcock oder Truffaut. Denkt man das als Dreh­buch­autor auch?

Kohlhaase: Viel­leicht tut man das. An sich ist dieser Gedanke entmu­ti­gend. Allein, wenn man daran denkt, wieviele Filme jetzt gerade schon wieder gedreht werden, dann fragst Du Dich wirklich: Muss ich dabei sein und auch noch einen machen? Als wenn man sich vor eine Bücher­wand setzt und sagst: Ich schreibe Euch jetzt etwas, das ist da noch nicht dabei.
Aber ande­rer­seits: Dieser Größen­wahn, das Du dem vielen Bekannten eine Seite hinzu­fügen kannst – ohne den geht es ja nicht. Aber ich bin nicht dauernd im Gespräch mit der Film­ge­schichte.
Aber aller Anfang ist Nach­ah­mung. Als ich mal ange­fangen habe, waren für mich die Neorea­listen enorm wichtig. Das war eine neue Film­sprache, auch ein Blick auf Wirtklich­keit. Ohne die hätte ich mich das viel­leicht gar nicht getraut, das für einen Beruf zu halten, den ich mal haben könnte. Also gibt es Erwe­ckungs­er­leb­nisse. Ich denke gern an gute Filme, ich denke auch an Schau­spieler beim Schreiben, und zwar an die, von denen ich weiß: Die kriege ich gar nicht. Die gibt’s auch gar nicht. Weil sie tot sind, oder gar nicht deutsch sprechen. Aber die Vorstel­lung eines bestimmten Schau­spie­lers hilft Dir bei dem Fixieren einer Gestalt. Du machst ja Filme immer aus der Wirk­lich­keit, aus Dir selbst und aus anderen Filmen – diese drei Elemente stecken immer in der Arbeit. Insofern ist das, was andere machen, für mich auch wichtig.
Aber für mich ist dieser Film auch bildend, weil ich eine Unmenge davon nicht weiß, was ich hier so in Kürze erfahre. Also ich bin nicht dauernd mit Filmen zugange. Es gibt zuviel. Vom Schlechten reden wir gar nicht, es gibt zuviel Gutes.

Schnelle: Mag man als Dreh­buch­autor eigent­lich Regis­seure?

Kohlhaase: Mir fällt ein ein Satz von Billy Wilder ein, der ja beides war: »Das Problem mit den Regis­seuren ist nicht, dass sie nicht schreiben können. Das Problem ist, dass sie nicht lesen können.«
Aber: Ich mag Regis­seure, denn es bleibt mir ja gar nichts anderes übrig. Ich mache ja nur die erste Hälfte einer Sache. Das ist ein wichtiges Stück Weg. Ohne die erste Hälfte nicht die zweite.
Aber letzt­end­lich bist Du darauf ange­wiesen, dass Du das, was Du möglichst genau erar­beitet hast, dass Du es jemand anver­trauen kannst. Und Du kannst es nur jemand anver­trauen, mit dem Du versuchst, eine im Sinne der Arbeit offene und freund­schaft­liche Beziehung zu haben. Du kannst ja da nicht jeden Tag rumstehen und aufpassen
Du störst alle anderen, niemand hat‘s gerne und man kommt sich auch dumm dabei vor. Also vertraust Du es den Leuten an, die den Film weiter­ma­chen, allen: dem Regisseur in erster Instanz, aber auch Schau­spie­lern, Kamera... Und wenn es gut geht, dann wird das Drehbuch möglichst ernst genommen, und trotzdem wird im Moment des Drehens alles nochmal... Die sinnliche Erfindung des Augen­blicks muss beim Drehen passieren. Denn was in dem Moment nicht passiert, ist am Ende im Film nicht drin.
Wenn man Glück hat und sich versteht, auch in den Unter­texten, verliert man während des Filme­ma­chens die Übersicht, und auf wunder­bare Weise kommt am Ende etwas heraus, was mit der ursprüng­li­chen Idee zu tun hat. Wenn‘s gut geht.
Part­ner­schaft ist alles beim Kino. Ich habe von Anfang an keine miss­traui­sche Beziehung zu Partnern gehabt, sondern die einzig mögliche, eine Vertrau­ens­volle.
Also: Ich fürchte nicht die Erfindung der Anderen, sondern ich hoffe auf die Erfindung der Anderen. Denn sonst entsteht kein Film.

Schnelle: Michael Althen – es ist ja die normale Situation für einen Film­kri­tiker: Man trifft sich mit einem Regisseur oder Darsteller und redet mit dem über seinen neuesten Film. Haben die sich ganz frei machen können und mit denen mit einer kleinen Distanz über Kino reden können?

Althen: Ja ja. Wir mussten uns natürlich vorher überlegen: Wem trauen wir das zu, dass er von seinem aktuellen Film und auch von sich selbst absehen kann, und Lust hat, über Film­ge­schichte zu reden. Das hat auch etwas unsere Wahl bestimmt. Nicht, dass es nicht noch zehn andere gegeben hätte, die das auch gekonnt hätten. Aber es stand schon bei unserer Wahl im Vorder­grund. Die Vorstel­lung: Der kann es, der hat die Leiden­schaft und kann sie auch arti­ku­lieren. Und darüber hinaus macht es natürlich immer Spaß, mit Leuten über Filme zu reden. Besonders über Lieb­lings­filme, klar.