05.06.2025

Elfi Mikesch, Chronistin des Verborgenen

Exekution A Study Mary
Alles begann mit Exekution A Study of Mary... (1979)
(Foto: Deutsche Kinemathek)

Die UNDERDOX-Halbzeit zeigt die Foto-Filme der Ikone des queer-feminstischen Films

Von Dunja Bialas

»Ich kann sagen, ich bin ein Schwe­be­teil­chen … Als Schwe­be­teil­chen geboren zu werden heißt, viel­ge­staltig zu sein, während einer nicht unbedingt messbaren Zeit.« – Elfi Mikesch

Die seit Urzeiten in Berlin lebende Elfi Mikesch ist vor allem als Kame­ra­frau der queeren Szene bekannt. Eng hat sie mit Rosa von Praunheim gear­beitet, den sie in den frühen 1960er Jahren in Frankfurt am Main kennen­lernte und der die gebürtige Öster­rei­cherin nach West­berlin nahm. Ihr erster gemein­samer Film war Leiden­schaften (1972), für den sie zusammen auf Weltreise gingen, sicher­lich eine Initia­ti­ons­fahrt, das sie wegführte von ihrem Leben als Foto­grafin an der Seite von Fritz Mikesch, dem öster­rei­chi­schen Maler, der aber wie sie noch den Absprung nach Berlin gemacht hatte. Über Praunheim lernte Mikesch bald auch Werner Schroeter kennen und übernahm für zahl­reiche seiner Filme die Kamera, darunter für Malina (1991), einem seiner bekann­testen Filme.

Ihr Film­schaffen führte sie auch zu Monika Treut, der Avant­gar­distin des New Queer Cinema. Mit ihr gründete sie 1984 die Hyäne I/II-Film­pro­duk­tion. In Co-Regie entstanden die sado­ma­so­chis­ti­sche Phantasie Verfüh­rung: Die grausame Frau (1985) mit Udo Kier in der Haupt­rolle, zahl­reiche Arbeiten als Kame­ra­frau und Produ­zentin folgten.

Weniger bekannt ist, dass Elfi Mikesch, die Foto­grafin und Kame­ra­frau, auch eigene Film gemacht hat. Letztes Jahr kam von ihr Krieg oder Frieden ins Kino, wo etliche Ausschnitte von ihrem vier­tei­ligen Werk­zy­klus Gefähr­liche Orte (1994-1996) zu sehen waren. UNDERDOX nimmt die thema­ti­sche Aktua­lität – wie auch den 85. Geburtstag der am 31.5.1940 geborenen Steyerin – zum Anlass, zwei Filme der Tetra­logie bei der „Halbzeit“ zu zeigen, begleitet von Gesprächen mit der Ikone des femins­tisch-queeren Films.

Gefähr­liche Orte besteht aus vier Kurz­filmen, gedreht an Orten, die im Zweiten Weltkrieg Kriegs­schau­plätze waren und noch heute die Spuren der mili­täri­schen Hand­lungen tragen. „Gefähr­li­cher Ort“ ist eine Klas­si­fi­zie­rung im Poli­zei­recht, der von einer Gefah­ren­lage aufgrund der Menschen, die sich an ihm aufhalten, ausgeht. Meist wird da an Drogen­süch­tige, Klein­kri­mi­nelle und andere Halb­weltler gedacht. Mikesch erteilt der urbanen und zivilen Defi­ni­tion eine Absage und denun­ziert sie auch als inadäquat, wenn sie in ihrem Zyklus den Begriff auf die histo­risch-poli­ti­sche Gefah­ren­lage erweitert, sich auf einem ehema­ligen Minenfeld oder Übungs­platz zu befinden. Die Schau­plätze ihrer vier Filme sind ehemalige mili­täri­sche Sperr­zonen nahe Berlin, die allmäh­lich von der Natur zurück­er­obert werden und sich auch als Aben­teu­er­spiel­platz eignen.

Im Werksteil Gefähr­li­cher Ort (1994) erzählt ein Junge seine Geschichte, der mit seinen Eltern in der Nähe einer Fabrik lebt, in der im Zweiten Weltkrieg chemische Kampf­stoffe entwi­ckelt wurden und hebt die Welt an einem heißen Sommertag ins Surreale. Im Teil Soldaten Soldaten (1994) ist ein Kaser­nen­gelände der Schau­platz. Mili­täri­sche Präsenz hat hier die Land­schaft geprägt und erinnert als verlas­sener Ort an ein unsicht­bares Museum. Auch hier gewinnt die Natur langsam die Oberhand zurück, die Gebäude verfallen. Beide Filme sind nun bei der UNDERDOX Halbzeit zu sehen und machen die Aktua­lität dieser Blick­weise deutlich, in histo­ri­schen Orten das Abwesende in der Erin­ne­rung wieder hervor­zu­holen. Und die besondere Begabung von Elfi Mikesch, eine Chro­nistin des Verbor­genen zu sein – so hat UNDERDOX auch seine Halbzeit über­ti­telt.

Zentral im eigen­s­tän­digen Werk von Elfi Mikesch sind auch ihre Foto-Filme, die sie auch unter dem Pseudonym „Oh Muvie“ reali­sierte, zurück­ge­hend auf den Titel eines Fotobuchs, das sie 1969 zusammen mit Rosa von Praunheim veröf­fent­lichte: „Oh Muvie, eine anar­chis­ti­sche Foto­ge­schichte“.
Alles begann mit Exekution A Study of Mary (1979), eine Studie zu Maria Stuart. Bilder der Leiden­schaft, Macht, Liebe, Schmerz und Tod. Trivia­li­sie­rung der könig­li­chen Geschichte, die Wider­sprüch­lich­keit und Vielfalt des Maria-Materials. Elfi Mikesch schreibt dazu: »Drama einer Frau, die in einer Umbruchs­zeit eine Art von liberaler Eman­zi­pa­tion versuchte, sich aber in den Fall­stri­cken der Männer verfing.«

UNDERDOX halbzeit: Elfi Mikesch – Chro­nistin des Verbor­genen
Donnerstag, 05.06.2025, 19:00 Film­mu­seum München

Elfi Mikesch ist zu Gast!
Tickets (5 Euro)