Elfi Mikesch, Chronistin des Verborgenen |
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Alles begann mit Exekution A Study of Mary... (1979) | ||
(Foto: Deutsche Kinemathek) |
Von Dunja Bialas
»Ich kann sagen, ich bin ein Schwebeteilchen … Als Schwebeteilchen geboren zu werden heißt, vielgestaltig zu sein, während einer nicht unbedingt messbaren Zeit.« – Elfi Mikesch
Die seit Urzeiten in Berlin lebende Elfi Mikesch ist vor allem als Kamerafrau der queeren Szene bekannt. Eng hat sie mit Rosa von Praunheim gearbeitet, den sie in den frühen 1960er Jahren in Frankfurt am Main kennenlernte und der die gebürtige Österreicherin nach Westberlin nahm. Ihr erster gemeinsamer Film war Leidenschaften (1972), für den sie zusammen auf Weltreise gingen, sicherlich eine Initiationsfahrt, das sie wegführte von ihrem Leben als Fotografin an der Seite von Fritz Mikesch, dem österreichischen Maler, der aber wie sie noch den Absprung nach Berlin gemacht hatte. Über Praunheim lernte Mikesch bald auch Werner Schroeter kennen und übernahm für zahlreiche seiner Filme die Kamera, darunter für Malina (1991), einem seiner bekanntesten Filme.
Ihr Filmschaffen führte sie auch zu Monika Treut, der Avantgardistin des New Queer Cinema. Mit ihr gründete sie 1984 die Hyäne I/II-Filmproduktion. In Co-Regie entstanden die sadomasochistische Phantasie Verführung: Die grausame Frau (1985) mit Udo Kier in der Hauptrolle, zahlreiche Arbeiten als Kamerafrau und Produzentin folgten.
Weniger bekannt ist, dass Elfi Mikesch, die Fotografin und Kamerafrau, auch eigene Film gemacht hat. Letztes Jahr kam von ihr Krieg oder Frieden ins Kino, wo etliche Ausschnitte von ihrem vierteiligen Werkzyklus Gefährliche Orte (1994-1996) zu sehen waren. UNDERDOX nimmt die thematische Aktualität – wie auch den 85. Geburtstag der am 31.5.1940 geborenen Steyerin – zum Anlass, zwei Filme der Tetralogie bei der „Halbzeit“ zu zeigen, begleitet von Gesprächen mit der Ikone des feminstisch-queeren Films.
Gefährliche Orte besteht aus vier Kurzfilmen, gedreht an Orten, die im Zweiten Weltkrieg Kriegsschauplätze waren und noch heute die Spuren der militärischen Handlungen tragen. „Gefährlicher Ort“ ist eine Klassifizierung im Polizeirecht, der von einer Gefahrenlage aufgrund der Menschen, die sich an ihm aufhalten, ausgeht. Meist wird da an Drogensüchtige, Kleinkriminelle und andere Halbweltler gedacht. Mikesch erteilt der urbanen und zivilen Definition eine Absage und denunziert sie auch als inadäquat, wenn sie in ihrem Zyklus den Begriff auf die historisch-politische Gefahrenlage erweitert, sich auf einem ehemaligen Minenfeld oder Übungsplatz zu befinden. Die Schauplätze ihrer vier Filme sind ehemalige militärische Sperrzonen nahe Berlin, die allmählich von der Natur zurückerobert werden und sich auch als Abenteuerspielplatz eignen.
Im Werksteil Gefährlicher Ort (1994) erzählt ein Junge seine Geschichte, der mit seinen Eltern in der Nähe einer Fabrik lebt, in der im Zweiten Weltkrieg chemische Kampfstoffe entwickelt wurden und hebt die Welt an einem heißen Sommertag ins Surreale. Im Teil Soldaten Soldaten (1994) ist ein Kasernengelände der Schauplatz. Militärische Präsenz hat hier die Landschaft geprägt und erinnert als verlassener Ort an ein unsichtbares Museum. Auch hier gewinnt die Natur langsam die Oberhand zurück, die Gebäude verfallen. Beide Filme sind nun bei der UNDERDOX Halbzeit zu sehen und machen die Aktualität dieser Blickweise deutlich, in historischen Orten das Abwesende in der Erinnerung wieder hervorzuholen. Und die besondere Begabung von Elfi Mikesch, eine Chronistin des Verborgenen zu sein – so hat UNDERDOX auch seine Halbzeit übertitelt.
Zentral im eigenständigen Werk von Elfi Mikesch sind auch ihre Foto-Filme, die sie auch unter dem Pseudonym „Oh Muvie“ realisierte, zurückgehend auf den Titel eines Fotobuchs, das sie 1969 zusammen mit Rosa von Praunheim veröffentlichte: „Oh Muvie, eine anarchistische Fotogeschichte“.
Alles begann mit Exekution A Study of Mary (1979), eine Studie zu Maria Stuart. Bilder der Leidenschaft, Macht, Liebe, Schmerz und Tod.
Trivialisierung der königlichen Geschichte, die Widersprüchlichkeit und Vielfalt des Maria-Materials. Elfi Mikesch schreibt dazu: »Drama einer Frau, die in einer Umbruchszeit eine Art von liberaler Emanzipation versuchte, sich aber in den Fallstricken der Männer verfing.«
UNDERDOX halbzeit: Elfi Mikesch – Chronistin des Verborgenen
Donnerstag, 05.06.2025, 19:00 Filmmuseum München
Elfi Mikesch ist zu Gast!
Tickets (5 Euro)