05.05.2025

Feuerwerk und Servus

Friendly Fire
Klaus Fried hat mit Julia Albrecht einen Film über den Vater Erich Fried gemacht: Friendly Fire – der Eröffnungsfilm des 40. DOK.fest
(Foto: DOK.fest München | Klaus Fried)

Neue Reihen, femininer Preis, Abschied: 40 Jahre Dokfest – ein Überblick über das DOK.fest 2025

Von Ingrid Weidner

Zum 40. Geburtstag des DOK.fest München lässt es Festi­val­chef Daniel Sponsel noch mal richtig krachen, bevor er im Herbst an die HFF wechselt. Sponsel und sein Team haben aus mehr als 1.400 Einrei­chungen 105 Filme aus 68 Ländern ausge­wählt, die vom 7. bis zum 18. Mai in München gezeigt werden. Wer es nicht in eines der Kinos oder einem der vielen anderen Veran­stal­tungs­orte schafft, kann die meisten Filme auch vom 12. bis zum 25. Mai streamen. Das Festival zeigt 19 Filme in Welt­pre­miere und 49 weitere Filme als Deutsch­land­pre­miere. Außerdem gibt es wieder ein Virtual Reality (VR) Pop-up-Kino im Futuro-Haus auf der Wiese vor der Pina­ko­thek der Moderne. Neu dabei als Spielort ist in diesem Jahr das Bergson Kunst­kraft­werk in Aubing, tief im Westen der Stadt. Außerdem erweitert das DOK.fest seinen Radius und inte­griert Augsburg als weitere Festival-Stadt. Vom 8. bis zum 10. Mai sind dort zehn Filme in den Programm­kinos Liliom und Thalia zu sehen.

Eröffnet wird das Festival am 7. Mai um 20.00 Uhr mit Friendly Fire (Deutsch­land, Öster­reich 2025) im Deutschen Theater. Der Film von Klaus Fried, reali­siert von Julia Albrecht, tastet sich an den Schrift­steller und Lyriker Erich Fried heran. Erich Fried, 1921 in Wien geboren, floh über Belgien nach London und lebte dort von 1938 bis zu seinem Tod im Exil. Bekannt ist Fried vor allem mit seinen von einigen als unbequem wahr­ge­nom­menen poli­ti­schen Gedichten im Nach­kriegs­deutsch­land. Sein Sohn Klaus Fried, 1969 geboren, war 19 Jahre alt, als sein berühmter Vater starb. Klaus Fried arbeitet als Regisseur und Produzent und unter­richtet am London College of Commu­ni­ca­tion. Gemeinsam mit Julia Albrecht setzt er das Leben seines Vaters aus ganz unter­schied­li­chen Puzzle­teilen zusammen, indem er verschie­dene Fami­li­en­mit­glieder, Freunde und Wegge­fähr­tinnen über den Vater befragt. Das so zusam­men­ge­setzte Bild versucht den poli­ti­schen und privaten Menschen Erich Fried näher zu kommen. Friendly Fire ist auch für den Festi­val­preis »Viktoria« nominiert.

Neu ist auch die Programm­struktur zum 40. Jubiläum. Die 105 Festi­val­filme laufen in 16 thema­tisch neu gestal­teten Reihen. Umbenannt wurden zum Jubiläum auch die Haupt­preise des Festivals: »Viktor« verwan­delt sich in »Viktoria«, die Skulptur bleibt aber unver­än­dert. »Die Zeit sei reif«, meinte Festi­val­leiter Sponsel. Stolz sind Sponsel und Co-Chefin Adele Kohout auch auf die ganz ohne Vorgaben erreichte Quote. Von den 105 gezeigten Filmen, führten bei fast genauso vielen Frauen wie Männer Regie, ein Werk stammt von einer diversen Person. Um die drei Haupt­preise konkur­rieren jeweils zehn bis 13 vorab nomi­nierte, reihenü­ber­grei­fende Filme.

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Das sind die Reihen des 40. DOK.fest München:

• Retro­spek­tive – Filme aus vier Jahr­zehnten DOK.fest München
• Nie wieder ist jetzt? – Filme über Erin­ne­rung und Wider­stand
• Crossing Boun­da­ries – Gren­zü­ber­schrei­tungen: Filme über Migration und ihre Reali­täten
• Reframing History – Filme darüber, wie die Vergan­gen­heit unsere Gegenwart formt
• Macht euch die Erde untertan? – Filme über die Beziehung zwischen Mensch und Natur
• Empowered – Filme über Aufbe­gehren und Selbst­er­mäch­ti­gung
• This Is America – Filme über die zerris­senen Verei­nigten Staaten
• In guter Gesell­schaft? – Filme über das Leben und Zusam­men­leben
• Coming-of-Age – Filme über Kindheit und Erwach­sen­werden
• Brave New Work? – Filme über Reali­täten der Arbeits­welt
• Family Affairs – Filme darüber, wie wir lieben und streiten
• Stranger Than Fiction – Filme zwischen Realität, Archiv und Essay
• The Sound of Music – Filme über Musiker*innen und ihre Geschichten
• About Art – Filme über Künstler*innen und ihre Welten
• Film­ma­king in Exile – Filme über das Filme­ma­chen fern der Heimat
• African Encoun­ters – Filme und Dialoge über Klima­ge­rech­tig­keit

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Die 40. Ausgabe des DOK.fest München ist auch ein schöner Anlass für eine Retro­spek­tive. Gezeigt werden vier Film-High­lights des Festivals aus vier Jahr­zehnten: den Anfang macht Step Across the Border von Nicolas Humbert und Werner Penzel (CH/DE 1990). Sie bringen die 1990er zurück auf die Leinwand (14.05. um 19 Uhr im Film­mu­seum und 15.05. um 20 Uhr in der HFF). Die Sammler und die Sammlerin (FR 2000) von Agnès Varda lenkt den Blick auf die Dinge, die vielen verborgen bleiben, etwa Menschen, die in Müll­con­tai­nern nach Brauch­barem suchen oder die auf Feldern die aussor­tierten Kartof­feln einsam­meln. Varda (1928-2019) lenkt die Kritik an unserer Wohl­stands­ge­sell­schaft poetisch auf das Schöne, das ignoriert und aussor­tiert wird, weil es nicht der Norm entspricht. Unser Anspruch, dass selbst natürlich gewach­sene Lebens­mittel perfekt sein müssen, setzt Varda ihre subver­sive Poesie entgegen. Aus den 10er Jahren wählte das Festi­val­team den Oscar-prämierten Doku­men­tar­film Citi­zen­four von Laura Poitras (DE/US 2014) aus. Filme­ma­cherin Poitras gelingt es, Edward Snowden ein Stück auf seinem Weg ins Exil zu begleiten. Im Zentrum des Films stehen die Enthül­lungen von Snowden und der Skandal um die soge­nannte NSA-Abhöraf­färe. Der vierte Film der Retro­spek­tive Das Glück zu leben – The Euphoria of Being von Réka Szabó (HU 2019) widmet sich dem Trauma des Holocaust. Éva Fahidi wurde mit 18 Jahren gemeinsam mit ihrer Familie nach Auschwitz depor­tiert und überlebte als Einzige. Die Regis­seurin und Choreo­gra­phin Réka Szabó studierte mit Éva Fahidi und der Tänzerin Emese Cuhorka eine Tanz­per­for­mance ein, die sehr bewegend Episoden aus ihrem Leben erlebbar macht.

Einen Blick zurück wagt auch die Ausstel­lung »40 Jahre DOK.fest München: Eyes Wide Open« im Gasteig HP8. Film­pla­kate und Fotos zeigen die Geschichte und unter­schied­liche Spielorte des DOK.fest München, Menschen und Moden, die viele Festival-Fotograf:innen einge­fangen haben. Die Ausstel­lung entstand in Koope­ra­tion mit der Münchner Stadt­bi­blio­thek und der Münchner Volks­hoch­schule und ist noch bis zum 25. Mai im Gasteig HP8 zu sehen, der Eintritt ist frei.

In diesem Jahr am 8. Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Welt­kriegs zum 80. Mal. Die Reihe »Nie wieder ist jetzt? – Filme über Erin­ne­rung und Wider­stand« greift dieses Thema und die soge­nannte »Stunde Null« in unter­schied­li­chen filmi­schen Werken auf und beschäf­tigt sich mit der Erin­ne­rungs­kultur in Deutsch­land und Europa. Die Reihe wird gefördert von der Stiftung München. Neben den sieben Filmen der Reihe gibt es zwei Podi­ums­dis­kus­sionen: Am Freitag, 9. Mai, 20 Uhr, dem Europatag, geht es in der Podi­ums­dis­kus­sion um die Frage, wie der Dialog über das Ende des Zweiten Welt­kriegs und die Zukunft Europas aussehen könnte. Veran­stal­tungsort der Diskus­sion am Freitag, 9. Mai, um 20 Uhr, ist der Audimax der HFF. Im Anschluss an die Diskus­sion ist dort der Film Soli­da­rity von Davis Bernet (Deutsch­land, Schweiz, 2025) zusehen. Wie Gedächt­nis­kultur 80 Jahre nach 1945 aussieht und welche Heraus­for­de­rungen es gibt, darüber wird am Donnerstag, 15. Mai, um 18 Uhr im NS-Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum disku­tiert. Anschließend ist der Film Das Lied der Anderen von Vadim Jendreyko (Schweiz, 2024) zu sehen.

VR-Pop-up-Kino gibt es in diesem Jahr im Futuro-Haus auf der Wiese vor der Pina­ko­thek der Moderne, und zwar vom 6. bis 18. Mai, täglich von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist zwar frei, doch Inter­es­sierte müssen vorab ein Online-Ticket buchen. Zu sehen sind Cityflow – Loomits München von Carl Amadeus Hiller, Janis Winkler, Sheila Uschkurat und Stefan Göppel. Die Münchner Graffiti-Legende Loomit fährt mit seinem Herren­fahrrad vor, kommt ins Futuro-Haus und erklärt seine Graf­fi­ti­ar­beiten. An einigen Stationen in der Stadt spricht er über die Szene und die Zuschau­enden können ihm beim Arbeiten über die Schulter sehen. Spannend ist auch, wie er den geschicht­li­chen Bogen der Graf­fi­ti­kunst von den Asam-Brüdern in München bis zu den Sprayern spannt. Auch wenn es vermut­lich nicht alle wissen, gibt München als Hotspot der Graffiti-Szene. Wer sich inten­siver ins Thema einlesen möchte, kann die vorge­stellten Origi­nal­schau­plätze besuchen oder sich in die Bücher von Martin Arz vertiefen: „Streetart München: Reise­führer für München“ und „Munich Walls: Urban Art auf Münchens Wänden“. Um Kunst geht es auch in Gerda Leopolds VR-Expe­ri­ence Schiele – Eine Persön­liche Begegnung In Vr. 25 Minuten lang tauchen die Zuschauer:innen in das Leben und die Bilder von Egon Schiele ein. Das Besondere ist, dass sie sich an mehreren Stellen entscheiden müssen, wie das Leben des Künstlers weiter gehen soll, denn es gibt unter­schied­liche Erzähl­stränge. Die Regis­seurin ist mit dem Werk Schieles vertraut, denn ihr Vater war der Kunst­sammler Rudolf Leopold, und sie wollte, wie sie erzählt, nie einen Kostüm­film über Schiele drehen. Mit VR eröffnete sich ihr aber eine Chance, den berühmten Expres­sio­nisten kurz vor seinem Tod über seine Werke und exem­pla­ri­sche Spiel­szenen den Zuschau­enden näher zu bringen. Außerdem ist das VR-Werk Duch­am­piana von Lilian Hess zu sehen, das sich mit Körper­po­li­tiken ausein­an­der­setzt sowie Current von She’s excited, alias Anke Schiemann und /p alias Peter Graf, die eine Expe­di­tion in die magische Tiefsee wagen und diesen Kosmos mit unter­schied­li­chen Darstel­lungs­formen visua­li­sieren.

In diesem Jahr werden zum ersten Mal Filme im Bergson Kunst­kraft­werk in Aubing und im neuen Münchner Volks­theater im Schlacht­hof­viertel gezeigt. Weitere Sonder­spielstätten sind die Pina­ko­thek der Moderne, die Münchner Kammer­spiele, das Ameri­ka­haus, das Lite­ra­tur­haus, das Lenbach­haus, das NS-Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum, das Staat­liche Museum Ägyp­ti­scher Kunst, das Instituto Cervantes, Bellevue di Monaco, Gasteig HP8, Münchner Volks­hoch­schule / Einstein 28 und die Pasinger Fabrik. Neu dabei ist das Kino Solln. An den ersten fünf Festi­val­tagen laufen auch im Deutschen Theater zahl­reiche Filme.

Außerdem gibt es in diesem Jahr auch wieder Open Air Kino, das in Koope­ra­tion mit Ciné Vélo Cité an sechs Abenden an der HFF München als mobiles Fahr­rad­kino umgesetzt wird. Der Eintritt ist frei.

40. DOK.fest München
07.-18.05.2025

@home 12.-25.05.2025

Das komplette Programm und Ticket­bu­chungen für das DOK.fest München sind unter www.dokfest-muenchen.de möglich.
Die Kino­karten kosten 11 Euro (ermäßigt 9 Euro) und für @home 5 Euro. Ein Festi­val­pass kostet für das Kino 80 Euro und für die digitale Leinwand 50 Euro, der duale Kombipass kostet 100 Euro.