Die Sammler und die Sammlerin

Les glaneurs et la glaneuse

Frankreich 2000 · 82 Minuten · FSK: ab 0
Regie: Agnès Varda
Drehbuch:
Kamera: Stéphane Krausz
Schnitt: Agnès Varda, Laurent Pineau

»Les glaneurs et la glaneuse ist ein Wunder an Freiheit und Genau­ig­keit, Neugier und Geduld, Verspielt­heit und Zärt­lich­keit. Die Regis­seurin von Vogelfrei und Cléo von 5-7 beginnt mit François Millets berühmtem Bild von den Kartof­fel­klau­be­rinnen und kommt von dort vom Hundertsten ins Tausendste – oder eigent­lich eher umgekehrt: Sie kommt ihrem Thema immer näher, indem sie es immer weiter fasst und zeichnet am Ende ein Bild unserer (Wegwerf-)Gesell­schaft, das im gleichen Maße poetisch wie politisch ist.
Sie beginnt mit der Erkenntnis, dass Ernte­ma­schinen die mühselige Kartof­fel­ernte von Hand über­flüssig gemacht haben. Aber dann stellt sie fest, dass es das durchaus noch gibt, wenn­gleich in anderem Zusam­men­hang. Abseits der Konsum­ge­sell­schaft gibt es immer noch Leute, die sich bücken und die Reste auflesen. Sie wühlen in den Abfällen der Wochen­märkte, durch­su­chen die Müll­tonnen hinter den Super­märkten, pflücken, was bei der Ernte übersehen wurde. Varda findet ihre Helden auf Obst­plan­tagen, auf Müll­kippen und Schrott­plätzen. Godard hat einmal behauptet, er habe seinen Film auf dem Schrott­platz gefunden – Varda nimmt ihn beim Wort. Mit ihrer kleinen Kamera zieht sie los und liest ihren Film sozusagen von der Straße auf. Das ist keine Sozi­al­re­por­tage, sondern eine Reflexion über eine Gesell­schaft, die von dem lebt, was durch den Rost fällt. Man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus, was für Geschichten sich auf der Unter­seite des Kartof­fel­klauber-Bildes finden – man muss sich nur bücken. Ein Film voller Leben­dig­keit, voller Zuge­wandt­heit zum Leben.« (Michael Althen)

»Searching for gleaners who live on discarded or stray food, Agnès Varda comes upon the most remar­kable people. A bartender used to gather the grain that was left after the harvest, as nothing should be wasted. After the picking, wine­gro­wers are also visited by people that want to take home the scraps that were not gathered. One of those wine­gro­wers turns out to lead a double life as a psycho­ana­lyst, having developed his own anti-ego philo­sophy. A chef with a Michelin star can often be found in the hills, gathering ripe fruit and fresh herbs that he uses in his kitchen the same day. He believes in the idea that we should treat food with respect. Never­the­less, there are many potato growers who throw away piles of spuds because they are too large or malformed. Still, they make great food, a number of floaters think, who also come across a tasty drumstick in a restau­rant container to complete their meal. Agnès Varda films them jocularly and affec­tio­na­tely and does not shrink from following side tracks when she encoun­ters something inte­res­ting. Like the small clock without hands that is perfect in her eyes, because it does not indicate the time. Sometimes, she suddenly dwells on her advanced age with self-mockery or she films her one hand with the other, turning the film into a disguised self-portrait. Filming is gleaning, too.

Produk­tion: Agnès Varda, Ciné-Tamaris, 88 rue Daguerre, 75014 Paris, Frank­reich, Tel. ++43 22 66 00, Fax ++ 43 21 75 00
Urauf­füh­rung: Paris 2000
Welt­rechte: Ciné-Tamaris
Preise: Golden Hugo in Chicago, Publi­kums­preis in Montréal, Golden Alexander in Thes­sa­lo­niki, Special­preis in Kalamata, ›Prix Arte du meilleur docu­men­tarie européen‹ in Paris, ›Prix Meliès‹ in Frank­reich u.a.

BIO-Filmo­gra­phie
Agnès Varda

Geboren 1928 in Brüssel. Studium der Kunst­ge­schichte an der Louvre-Schule und an der Sorbonne. Beginnt sich für Foto­grafie zu inter­es­sieren und wird 1951 offi­zi­elle Foto­grafin des Théâtre National Populaire. 1954 dreht sie ihren ersten Kurzfilm, La pointe courte, und wird in der Folge zu einer der führenden Vertre­te­rinnen der Nouvelle Vague. Ihre Filme sind stark von sozialem und poli­ti­schem Enga­ge­ment geprägt.

Filme (Auswahl):
1954 La pointe courte
1957 Ô saisons, Ô chateaux
1958 Du Côté De La Côté
1961 Cléo de 5 à 7
1963 salut les cubains
1964 Le bonheur
1966 Les creatures
1967 Loin du vietnam
1968 Black Panthers
1969 Lions Love
1970 Nausicaa
1975 Dagu­er­reo­types
1976 Plaisir d’amour en Iran
1977 L’une chante, l’autre pas
1980 Mur murs
1982 Ulysse
1983 Une minute pour une image
1984 Les dites-caria­tides
1985 Sans toit ni loi
1986 T'as de beaux escaliers, tu sais
1987 Jane B. par Agnès V.
1987 Kung-fu Master
1990 Jacquot de Nantes
1992 Vagabond
1992 Les demoi­selles ont eu 25 ans
Les cent et une nuit
1993-95 The Universe of Jaques Demy
1999-2000 Les glaneurs et la glaneuse«

(16. Inter­na­tio­nales Doku­men­tar­film­fes­tival München)