Götter, Spieler und Versehrte |
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Szene aus Megalopolis: In die Filmgeschichte kommt man nur hinein, wenn man übertreibt... | ||
(Foto: Constantin) |
Megalopolis – wenn ein Film schon so heißt, dann muss er etwas ganz Besonderes und ganz Großes sein, Und tatsächlich ist der neue Film von Francis Ford Coppola, der vergangene Woche ins Kino kam, so oder so ein unvergleichliches, einmaliges Stück Kino. Kino, das man, wie die Kritikerin von epd-film schreibt, vielleicht erst in 50 Jahren überhaupt verstehen wird.
Damit
bewegt sich der italo-amerikanische Regisseur in einer langen Tradition des Kinos, vor allem natürlich des US-amerikanischen – von Hollywood. Denn Hollywood wollte schon immer »Bigger than Life« sein, größer als das Leben. Und von Anfang an hat das diese amerikanische Traumfabrik auch geschafft. Schließlich sind Träume auch nichts anderes als gigantische überlebensgroße Ausformungen unseres Unterbewusstseins.
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Alles fing an zu Stummfilmzeiten mit The Birth of a Nation, D.W.Griffith' heute berüchtigtem Vier-Stunden-Film über die Geburt der amerikanischen Nation aus Bürgerkrieg und Sklaverei.
Bald darauf begann die Liebe zu Hollywoods zur Bibel und zu Stoffen von biblischem Ausmaß: Filme wie Greed (Gier) von Erich von Strohheim (der diese Woche in Berlin im Babylon-Mitte zu sehen ist), wie Intolerance über die Geschichte der menschlichen Sünden und Intoleranz im Lauf der
Menschheitsgeschichte, wiederum von Griffith, sind Meilensteine der Kinogeschichte wie unserer Erinnerung an Filmprojekte, die nicht weniger die ganze Welt erzählen wollten, und die sowohl in ihrer finanziellen wieder künstlerischen Anstrengung von Maßlosigkeit geprägt waren.
Zuletzt setzte der Film Babylon von Damien Chazelle dieser Ära ein selbst megalomanes Denkmal.
Das Kino damals wollte alles, und noch viel mehr. Letzte Spuren dieser Stummfilmriesen finden sich noch im Bürgerkriegs Epos von David O Selznick Vom Winde verweht.
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In dieser Lust am Megalomanen und in der übermenschlichen Anstrengung und Machart, die vielen dieser Filme – Riesenerfolgen wie Riesenflops – zugrunde liegt, ist Hollywood nicht nur das Modell für das globale Kino, sondern natürlich auch ein Ausdruck der amerikanischen Seele. Des Unterbewusstseins eines Landes, das letztendlich daran glaubt, dass immer einfach alles möglich ist – wenn man nur richtig will.
Regisseure, die zu viel wollten, und deren Schaffen eine exzessive Note hat, prägen die US-Filmgeschichte. Das Filmgenre dazu heißt »Americana«, es sind wie jetzt Megalopolis große Epen, die die Gesellschaft als Ganze fassen wollen: Orson Welles' Citizen Kane natürlich, The Bad and the Beautiful von Vincente Minelli, There Will Be Blood von Paul Thomas Anderson, die Figuren des selbst megalomanen durchgeknallten Milliardärs Howard Hughes bei Scorsese und Fincher, und als neuestes Beispiel: The Brutalist von Brady Corbet, der gerade in Venedig den Regiepreis bekam.
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Doch immer wieder rissen maßlose Projekte ganze Studios in den Abgrund, und Karriereleichen pflasterten den Weg der US-amerikanischen Filmgeschichte.
Am berühmtesten ist hier natürlich Cleopatra von Joseph Mankiewicz, der letzte jener »Monumentalfilme« über die römische Antike, von denen Ben Hur, eine der aufwendigsten Produktionen der Filmgeschichte, mit seinen elf Oscars der erfolgreichste ist, und Cleopatra nicht nur der teuerste Film aller (damaligen) Zeiten, sondern auch ein monumentaler Flop. 1966 brachte er die 20th Century Fox an den Rand des Ruins und steht heute zumindest symbolisch für den Zusammenbruch des alten Studiosystems Mitte der Sechziger.
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Auch Francis Ford Coppola, in dessen neuem Film ist übrigens offene Anspielungen sowohl auf Ben Hur, wie auf Cleopatra gibt, kann ein Lied davon singen. Schon mit Apocalypse Now sprengte er 1979 jeden möglichen Etat und läutete trotz vieler Preise und Kritiker-Lob das Ende von New Hollywood ein. Kurz darauf dann machte seine eigene Firma »Zoetrope« mit technisch progressiven, aber überkandidelten Projekten wie One from the Heart Bankrott, und Coppola rettete Firma und Karriere nur mit Auftragswerken und seinem hocherfolgreichen Weinhandel.
Vielleicht ist Coppola, ein Regisseur zwischen Genie und Wahnsinn, tatsächlich der letzte lebende Vertreter des alten Hollywood-Geists mit seiner Lust am Ausufernden und am Größenwahnsinn.
Zumindest er weiß: In die Filmgeschichte kommt man nur hinein, wenn man übertreibt.