20.10.2022

Hilfe zur Selbsthilfe

12. Afrikanische Filmtage | Wild Bunch | Haut et Fort
Musik als Selbsttherapie in Haut et fort
(Foto: 12. Afrikanische Filmtage | Wild Bunch)

Unter dem Motto »Bonds« bieten die 12. Afrikanischen Filmtage in München eine kleine Auswahl an Filmen an, die erneut zeigen, dass Afrika nicht mit westlichen Modellen kuriert werden sollte

Von Axel Timo Purr

Der afri­ka­ni­sche Filmmarkt boomt. Nicht nur für Netflix wird inzwi­schen in den Studios und vor den Toren von Lagos, Kapstadt und Nairobi dauer­pro­du­ziert und gedreht, um den Hunger der afri­ka­ni­schen Commu­ni­ties weltweit zu stillen, auch afri­ka­ni­sche Streaming-Platt­formen wie Showmax verzeichnen erstaun­liche Erfolge und adap­tieren inzwi­schen Serien, die in der einen Region Erfolg haben, gleich auch für andere Regionen. Und dann ist da natürlich Hollywood, das nach dem Erfolg von Black Panther (2018) gerade The Woman King gestartet hat, der fast noch einmal riskanter ist, weil er nicht nur ohne Super­hel­den­kon­text auskommen muss, sondern sich auch noch dediziert mit einem eher unbe­kannten Kapitel subsa­ha­ri­scher Geschichte beschäf­tigt.

Von all dem bekommt das im Allge­meinen ja doch eher euro­zen­trisch ausge­rich­tete deutsche Publikum aller­dings kaum etwas mit. Umso wichtiger sind deshalb Film­ver­an­stal­tungen wie die Afri­ka­ni­schen Filmtage, die in München bereits zum 12. Mal statt­finden, diesmal im Inte­rims­quar­tier des Gasteigs HP8 an der Bruder­mühl­straße. Unter dem Motto »Bonds« ist vom 20.-22. Oktober eine kleine, aber feine Auswahl von sechs Filmen zu sehen, denen man sich beden­kenlos anver­trauen kann.

Die Thematik, unter der die Filme vorge­stellt werden, könnte nicht passender und wichtiger sein, hat doch schon der große kenia­ni­sche Schrift­steller und Philosoph David G. Maillu nicht nur mit seiner indigenen afri­ka­ni­schen Bibel gefordert, persön­liche Tragödien, diskri­mi­nie­rende und unter­drü­ckende Gesetze, ökolo­gi­sche Unge­rech­tig­keiten oder schwie­rige Lebens­um­stände eben nicht mit west­li­chen Modellen zu kurieren, sondern aus dem Reichtum indigen-afri­ka­ni­scher Erfah­rungen und Modelle zu schöpfen, um familiäre, part­ner­schaft­liche, kollek­tive oder soli­da­ri­sche Bindungen zu stärken.

Filmisch begeben wir uns dafür aller­dings haupt­säch­lich in die Kultur­räume des nörd­li­chen Afrikas: während im Auftakt­film Guled & Nasra (Donnerstag, 20.10., 19:00 Uhr, Gasteig/HP8) ein Fami­li­en­vater in Djibouti City bereit ist zu sterben, um das Leben seiner kranken Frau zu retten und in (Le Bleu du Caftan, Freitag, 21.10., 18:00 Uhr, Gasteig/HP8) ein Ehepaar in der marok­ka­ni­schen Küsten­stadt Salé heimlich und aus tiefer Zuneigung die Grenzen des klas­si­schen Bezie­hungs­mo­dells sprengt, porträ­tiert der Doku­men­tar­film Marcher sur l’eau (Freitag, 21.10., 20:30 Uhr, Gasteig/HP8) die Bewohner*innen des Dorfes Tatiste im Niger, die versuchen, das bedroh­liche Problem des Wasser­man­gels in ihrer Region – verur­sacht durch den globalen Klima­wandel – zu lösen. Lingui (Samstag, 22.10., 16:00 Uhr, Gasteig/HP8) erzählt hingegen die Geschichte einer 15-Jährigen im Tschad, die in ihrem Wunsch nach Selbst­be­stim­mung über den eigenen Körper sowohl von ihrer allein­er­zie­henden Mutter als auch von Frauen aus der Nach­bar­schaft unter­s­tützt wird, und der von wahren Ereig­nissen inspi­rierte Musi­cal­film Haut et fort (Samstag, 22.10., 18:00 Uhr, Gasteig/HP8) handelt von Jugend­li­chen in Casablanca, die eine vertrau­ens­volle Bindung zu ihrem Lehrer aufbauen und Rapmusik als Möglich­keit entdecken, ihre schwie­rigen Lebens­wirk­lich­keiten auszu­drü­cken.

Abschließend – als einziger aus dem subsa­ha­ri­schen Raum stammende Film – erzählt das in Kinshasa und Brüssel ange­sie­delte Fami­li­en­drama Juwaa (Samstag, 22.10., 20:30 Uhr, Gasteig/HP8) von einer einst engen Bindung zwischen Mutter und Sohn, die durch ein trau­ma­ti­sches Ereignis tief verletzt wird, viele Jahre später jedoch zu heilen beginnt.
Im Anschluss an diesen Film findet unter der Mode­ra­tion von Barbara Off (DOK.fest München) ein Gespräch mit Regisseur Nganji Mutiri statt, dessen künst­le­ri­sches Schaffen äußerst viel­seitig ist: 2009 gründete er die kollek­tive Poetry-Website L’Art d’Être Humain (L.A.E.H.), auf der er selbst zahl­reiche Gedichte veröf­fent­licht. Sein Showreel, bestehend aus Foto­gra­fien, Kurz­filmen, Musik­vi­deos, Repor­tagen und seinem Video­ta­ge­buch In Search Of Freedom, das er 2014 im Kongo drehte, präsen­tiert er auf der Video­platt­form Vimeo. Des Weiteren tritt er als Schau­spieler in Kurz- und Spiel­filmen sowie Thea­ter­s­tü­cken auf.

12. Afri­ka­ni­sche Filmtage
20.-22. Oktober 2022

Gasteig HP8, Kinosaal »Projektor« in der Halle E, Hans-Preißinger-Straße 8, München-Sendling, U-Bahn: Bruder­mühl­straße

Online-Programm­heft
Eintritt: 7 € / 5 € (ermäßigt)

Eine Veran­stal­tung von Filmstadt München e.V.