25.11.2021

Bremsen, blocken, boostern

Test-Station
»Jeder Test ein Fest«
(Foto: privat)

Mit überaus harten Bestimmungen dürfen in Bayern die Kinos und Theater wieder einmal als Sündenbock für die Versäumnisse der Politik herhalten

Von Dunja Bialas

Bayern macht wieder dicht. So wie die Politik sich seit Wochen davor drückt, eine Impf­pflicht auszu­spre­chen, will jetzt Minis­ter­prä­si­dent Söder das L-Wort einfach nicht über die Lippen bringen: Lockdown. Also muss anders vorge­gangen werden, bauern­schlauer. Denn ja, liebe Kino­be­treiber, Ihr müsst nicht schließen, zumindest so lange die Inzidenz unter 1000 liegt. Ihr dürft weiter Filme zeigen, ist das nicht großartig! Vorher aber lassen wir noch einmal die Angst umgehen in der Kultur und rüsten die Kinos und Theater zum Hoch­si­cher­heits­trakt um. Als wenn sie das nicht schon gewesen wären! Zahl­reiche Kino­be­treiber haben die FFA-Corona-Gelder für Umbau-Inves­tionen in Anspruch genommen und ihre Lüftungs­an­lagen aufge­tuned, von der gewis­sen­haften Umsetzung der Corona-Regeln mal ganz abgesehen.

Jetzt heißt die neue Regel: 2G-Plus. In Wirk­lich­keit aber heißt sie: 2G-Plus-Plus. Oder sogar: 2G-Plus-Plus-Plus. Man sieht, wie das 2G (»geimpft, genesen«) in Wirk­lich­keit durch die Zusätze verschwindet, zur Farce wird. Alle, die in Bayern ins Kino wollen, müssen sich jetzt zusätz­lich testen lassen. Müssen zusätz­lich eine FFP2-Maske tragen.

Jetzt weiß ich endlich, was ein Stress­test ist, und was die in vielerlei Hinsicht bemit­lei­dens­werten Nicht­ge­impften in der Vergan­gen­heit durch­ma­chen mussten. Für jeden Kino­be­such muss ich jetzt zusätz­lich Zeit einplanen, um einen Schnell-Test, haha, zu machen. Lange Schlangen vor den Test­sta­tionen, die jetzt aber überall aufpoppen. Pop-up!

Meine Test­sta­tion verspricht »Jeder Test ein Fest«. Noch einmal: Haha!

Wer tut sich das an, um ins Kino zu gehen? Ins Theater, ja gut, da kosten die Karten entspre­chend viel, es gibt Abon­ne­ments und der Vorver­kauf ist Programm. Das Kino wollte immer nieder­schwellig sein, aber jetzt werden extra hohe Hürden errichtet. Übrigens gilt die Testregel nicht für den Besuch eines Cafés oder Restau­rants, obwohl man dort spricht, soziale Inter­ak­tion betreibt und Besteck abschleckt, meine Güte, wie oft haben wir das hier schon ange­me­ckert!

Jetzt aber: Bremsen, blocken, boostern! Mit seiner 3B-Regel will Söder Corona den Marsch blasen. Das Impfen hat er dabei glatt vergessen. Wie auch ein beacht­li­cher Teil seiner Lands­leute. Immerhin ist Aiwanger jetzt endlich geimpft. Der stell­ver­tre­tende baye­ri­sche Minis­ter­prä­si­dent.

Zusätz­lich zum Plus der Tests und dem Plus der FFP2-Maske dürfen die Kino­be­treiber ihre Säle jetzt nur noch zu 25 Prozent auslasten. Man horche auf! Da ist keine Rede mehr von Abständen. Was machen denn nur die Privat­theater oder kleineren Kinos wie zum Beispiel das Maxim in München, das, um sich den Buchungs­stress an der Kasse zu ersparen, Sitz­reihen ausgebaut hat, um bei der Vorgabe von 1,5 Metern Abstand keine Reihe frei­lassen zu müssen? Die also ihre Sitz­plätze unter den Corona-Maßnahmen signi­fi­kant reduziert haben? Wohl dem, der jetzt ein Kino mit vielen Sitz­plätzen hat. Ob das Maxim die Sitz­reihen schnell wieder einbauen kann?

Wenn, dann müssen sie sich sputen. Die Ordnunghüter sind schon unterwegs und machen Stipp­vi­site in den Kinos. Ein Betreiber erzählt mir gestern, dass die Polizei zu ihm ins Kino kam. Alles musste er den Beamten vorlegen, sein Hygiene-Konzept, wo er die Kontakt­daten aufbe­wahrt. Aber müssen die eigent­lich überhaupt noch erhoben werden? War nicht für den Schlam­m­assel verant­wort­lich, in den die Clubs und Bars jetzt rein­ge­ritten wurden, dass nur sie syste­ma­tisch die Corona- und Luca-Apps anwen­deten? Immerhin waren die Ordnungs­hüter nicht unfreund­lich, aber wohl sehr gründlich. Bei Fehlern in der Umsetzung der Corona-Maßnahmen dürfen sie einen Straf­zettel von bis zu 5000 Euro verhängen. Das sind doch mal lohnende Staats­ein­nahmen!

Es ist kaum zu erwarten, dass die Kino­be­treiber unter solchen Umständen noch gute Laune haben.

Und es ist kaum zu erwarten, dass die Kino­be­su­cher unter solchen Umständen das Programm lustvoll nach Filmen durch­forsten, die sie aus dem Wohn­zimmer locken können. Statt locken lock-downen. Herr Söder, wie wär’s?

Down sind sie nämlich, die Cineasten in München, die »Heavy User«, die Kino­be­treiber, die ihre Programme schon lange geplant haben. Bruno Dumont ist am Freitag zu Gast bei der Fran­zö­si­schen Filmwoche im Theatiner und spricht über France. Hoffent­lich kommen ein paar Leute. Nächsten Dienstag beginnen die Lafita, die Latein­ame­ri­ka­ni­schen Filmtage. Hoffent­lich hält sich bis dahin die Inzidenz unter 1000. Am Sonntag kommt Shirin Neshat beim Zwischen­spiel von KINO DER KUNST in die City Kinos, um Land of Dreams vorzu­stellen. Hoffent­lich… Halt, stopp! Ist abgesagt.

Schon wieder: #abgesagt. Wie war das gleich: Bremsen, blocken, boostern. Haha.