11.02.2021

Hurra, hurra, die Berlinale fällt aus!

Berlinale
(Foto: artechock)

Bedeutungsverlust: Morgen Kinder, wird’s nix geben – das wichtigste deutsche Filmfestival wird zur »Hybrid«-Ausgabe, denn im Gegensatz zur Konkurrenz kann sie es sich nicht leisten, komplett auszufallen

Von Rüdiger Suchsland

»Das ist neu, das ist neu/
Hurra, hurra, die Schule brennt/
Sie stehen zusammen/ Dicht bei den Flammen/ Bis die Sonne untergeht/
Oh, die Feuerwehr/ Hat es doppelt schwer/ Weil der Wind sich dreht
Und sie singen...
Das ist geil, das ist geil/ Hurra, hurra, die Schule brennt.«
Extra­breit

»Sie liebte den roten Teppich am meisten.«
Ex-Berlinale-Chef Dieter Kosslick, in seinem Erin­ne­rungs­büch­lein über Monika Grütters

Wir ahnten es längst: Corona hat auch sein Gutes. Wie Halloween, Nikolaus und Karneval ist auch die Berlinale ein mittel­eu­ro­päi­scher Brauch, auf den zu verzichten man sich eigent­lich nicht vorstellen und Berliner Jour­na­listen-Kindern eigent­lich nicht zumuten kann.
Weil in diesem Jahr aber alles anders ist, wird uns allen das Opfer dennoch abver­langt. An diesem Donnerstag wäre sie eröffnet worden. Doch dann kam Corona. Nun soll die Berlinale in anderer Form statt­finden – als soge­nannte »Hybrid-›Veran­stal­tung, mit vielen Unbe­kannten.‹«

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Einmal, ein einziges Mal in meinem Leben wenigs­tens, wird es keine Berlinale im Februar geben! Super!!

Einmal keine Berlinale-Pickel, keine Berlinale-Erkältung. Keine zwei Wochen schlechtes Essen am Potsdamer Platz und Veganer-Terror bei der Eröff­nungs­feier.

Ein einziges Mal kein auslän­di­scher Freund oder Kollege, dessen kopf­schüt­telndem Gesicht man erklären muss, was man selber sich nicht erklären kann: Warum die Berlinale so unmöglich viele Filme zeigt, warum viele dieser Filme so schlecht sind, warum die Sektionen so chaotisch sind, warum es in diesem ganzen dschun­gel­haften Einerlei noch nicht mal ein paar Schneisen gibt, auf denen man sich bewegen kann, und ein paar Holzwege, auf denen man sich inter­es­sant verirren kann, warum alles eigent­lich einfach nur ein grauer brauner Matsch ist.

Einmal nicht die Erfahrung, dass einem die Berlinale-Orga­ni­sa­tion lauter klit­ze­kleine Steinchen in den Weg legt, die einem dann die ganze Festival-Erfahrung so schwer machen und fort­wäh­rend im Kleinen so verleiden und so erkennbar völlig unnötig und undurch­dacht sind, dass sie viel mehr nerven, als wenn es irgendein einziger großer Klotz wäre, um den man dann halt herum­läuft.

Einmal kein langes Anstehen für Presse-Karten, die man dann nicht bekommt. Einmal kein Kotau bei der Berlinale Pres­se­ab­tei­lung. Einmal kein subal­terner Berlinale-Mitar­beiter, der elemen­tare Festival-Dinge nicht versteht, dem man sie dann aber erklären muss, weil Höflich­keit bei der Berlinale keine Tugend ist, und auch nicht das Vertrauen in die Akkre­di­tierten, sondern weil man hier die Presse und auch viele andere akkre­di­tierte Gäste so behandelt wie ein notwen­diges Übel, ohne das es nun mal leider auch nicht geht.

Einmal kein Musical-Palast, der als Festival-Kino maskiert wird. Einmal kein roter Teppich, der bergab führt. Einmal kein Berlinale-Gutmen­schen-Film, von dem dann wieder niemand außer denen, die ihn wirklich gesehen haben, versteht, warum man den verreißt – worauf man statt­dessen den Autor für einen schlechten Menschen hält, obwohl ich doch gar nichts gegen Menschen­rechte habe, sondern im Gegenteil für ein Menschen­recht auf gutes Kino eintrete.

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Es war, von vielen Filmen und manchen Berlinale-Personen mal völlig abgesehen, immer schon per se uner­trä­g­lich, im Februar ein A-Festival besuchen zu müssen.

Es ist einfach zu schlechtes Wetter, und die Stadt zu hässlich. Dann sollten wenigs­tens die Filme auf irgend­etwas Lust machen.

Aber die Zeiten, als Filme von Tarantino, den Coen-Brüdern, Winter­bottom, Minghella, Kauris­mäki, Ang Lee, Milos Forman, Bertrand Tavernier hier liefen, sind lange vorbei.

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Vor über 20 Jahren, als ich ziemlich neu war als Film­kri­tiker und die Berlinale noch im Zoopalast stattfand und im Hotel Inter­con­ti­nental, und Harald Marten­stein noch ein so gefürch­teter, wie guter Film­kri­tiker beim »Tages­spiegel« war, da konnte ich dieser Februar-Berlinale einiges abge­winnen. Da gab es die Berlinale auch noch im Royal, dem Kino mit der größten Leinwand Deutsch­lands, ein Kino, das längst abge­rissen und durch den größten Saturn von Berlin ersetzt wurde. Damals waren die Retro­spek­tiven noch Regis­seuren gewidmet, Emigranten wie Billy Wilder, G.W.Pabst, den Siodmak-Brüdern und Otto Preminger, sie liefen im Astor und der Ort, der heute »Astor« heißt, hieß damals »Film­pa­last« und es gab Mitter­nachts-Vorfüh­rungen mit Wong Kar-wai und Johnnie To im Delphi.
Das World-Trade-Center stand noch, Political Correct­ness war etwas Rechts­kon­ser­va­tives, ich war jünger, und auch sonst war die Welt eine bessere.

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Es wäre daher glatt gelogen, und das soll man ja nicht, würde ich jetzt hier Kroko­dils­tränen vergießen und irgend­eine Form des Bedauerns heucheln. Tatsäch­lich kugle ich mich innerlich vor Freude. Tatsäch­lich tun mir zwar die Berlinale-Mitar­beiter ehrlich leid, viele einzelne geschätzte Personen, und auch dieje­nigen in den Leitungs­funk­tionen. Es nervt. Es macht keinen Spaß, was da passiert, es ist blöde Zusatz­ar­beit, gar keine Frage. Aber das ist es dann auch. Für die Berlinale könnte dieser erzwun­gene Lockdown der Berlinale auf mittlere Sicht sogar zu einem Jung-Brunnen werden.

Denn wenn die handelnden Personen, wenn das Leitungs­team selbst in doppelter Ausfer­ti­gung nicht in der Lage ist, entschie­dene Entschei­dungen zu treffen, und nicht in der Lage, dieses schwer­fäl­lige Schiff Berlinale wieder flott zu machen, dann müssen es eben die Verhält­nisse von außen tun. Ein Schrecken ohne Ende bei der Berlinale wäre das Schlimmste, was passieren kann, deswegen wäre es besser, wenn es mit dieser alten klas­si­schen Febru­ar­b­er­li­nale nun ein Ende mit Schrecken hat.
Die Berlinale könnte damit tatsäch­lich zum Symbol werden für einiges andere, was man dem Kino hier­zu­lande wünscht: Dass sich nämlich die Dinge ändern – so oder so. Dass alte Struk­turen, alte Behä­big­keit und alte Funk­ti­onärsin­ter­essen zerschlagen werden und zwar so zerschlagen werden, dass sie nicht wieder zu repa­rieren sind.
Das sind keine Gewalt­fan­ta­sien – tatsäch­lich ist es aber eine Art Gewaltakt, den ich dem deutschen Film in vieler Hinsicht wünsche. Aber kommen wir zurück zur Berlinale.

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Es gibt ein paar Sachen, die ich vermissen werde, ich gebe es zu: Sommer­haus-Essen und VfB Stuttgart gucken mit Jochen und seinen VfB-Freunden – gerade in diesem Jahr. Kölsch mit Arne. Mode­ra­tion mit Lisa. Eröff­nungs­dinner bei Oliver; dann zur »Woche der Kritik«-Eröffnung (die findet ja weiterhin statt, leider aber online). Montag­abend die Verlei­hung des »Preis der deutschen Film­kritik« – letztes Jahr mit wunder­baren Preis­trä­gern wie Mariko und Jan. Der bissige Smalltalk mit Nick. Ein Diner-Besuch mit Nil und Engin. Katharina, Anna, Barbara.

Die paar wirk­li­chen Film-Über­ra­schungen im Forum und im Panorama und letztes Jahr auch bei »Encoun­ters«. Die freund­li­chen Unter­ge­benen der Unfreund­li­chen bei der Pres­se­ab­tei­lung.
Das süffi­sante Lächeln geschätzter Presse-Agenten über die Filme, die sie vertreten müssen, überhaupt die unend­liche Soli­da­rität zwischen den Kollegen, denen, die man kennt, auch denen, die man nicht kennt, und die sich in Blicken äußert, in kurzen kleinen unschein­baren Gesten; eine Soli­da­rität, die auf der Berlinale immer etwas besonders Warm­her­ziges hat. Mir kommt es vor, dass das Verhältnis unter­ein­ander warm­her­ziger ist als in Cannes oder Venedig, wo man sich einfach nur gut fühlt und dann ein gemein­sames tolles Erlebnis hat oder gemeinsam Spaß. Hier aber leidet man gemeinsam. Und Leiden schweißt bekannt­lich noch mehr zusammen.

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»Tatü tataa, tatü tataa/ Die Feuerwehr ist auch schon da
Es brennt so gut / Bald sieht man nur noch Glut/ Wo eben noch die Schule war/
Und sie singen/
Das ist neu, das ist neu/ Hurra, hurra, die Schule brennt
Das ist geil, das ist geil/ Hurra, hurra, die Schule brennt«
Extra­breit

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Sie sind kalt erwischt worden. Lange, viel­leicht zu lange hatten die Verant­wort­li­chen der Berlinale gegen alle Indizien und Inzi­den­zien an der Behaup­tung fest­ge­halten, ihr Festival würde wie ursprüng­lich geplant, als Präsenz­ver­an­stal­tung mit Zuschauern in diesem Februar statt­finden. Dahinter stand, wie man hört, vor allem interner Druck von der Beauf­tragten der Bundes­re­gie­rung für Kultur und Medien (BKM), dem Haupt­geld­geber des wich­tigsten deutschen Film­fes­ti­vals. Gerade im Wahlkampf Jahr 2021 wollte die ehrgei­zige Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grütters (CDU) nicht auf diese öffent­liche Bühne und ihren großen Auftritt verzichten – Pandemie hin oder her.

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Noch Mitte November hatte man mitten im Lockdown die Einla­dungen für den Februar verschickt. Erst kurz vor Weih­nachten wurde die Veran­stal­tung dann abgesagt – was zu diesem Zeitpunkt niemand mehr ernsthaft über­raschte. Da war das Medien­board Berlin-Bran­den­burg (MBB), die regionale Film­för­der­an­stalt, klüger gewesen: Schon Ende Oktober gab das MBB bekannt, die tradi­tio­nelle Berlinale-Party würde diesmal nicht statt­finden.

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Grund für diese verspä­tete Entschei­dung und das schlechte Kommu­ni­ka­ti­ons­ma­nage­ment war offenbar auch, dass es hinter den Kulissen Streit gegeben hatte. Denn über den ganzen fröh­li­chen Post-Lockdown-Sommer, als die Deutschen glaubten, die Pandemie läge bereits hinter ihnen, und Film­fes­ti­vals in der üblichen Präsenz-Form mit moderaten Schutz­maß­nahmen in Venedig und San Sebastian ohne Probleme über die Bühne gingen, hatte sich das Berlinale-Manage­ment relativ reser­viert gezeigt. Erst auf Nachfrage wurde mitge­teilt, man plane parallel fünf verschie­dene Möglich­keiten der Durch­füh­rung – von einer kompletten Online-Ausgabe bis hin zu einer analogen Veran­stal­tung in der üblichen Form. Offenbar aber drängte die BKM darauf, früh­zeitig im Oktober Fakten zu schaffen – als ob sich die Pandemie durch öffent­liche Pres­se­er­klä­rungen fest­na­geln ließe.

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Jetzt wird also alles anders und das Festival zu einer »Hybrid«-Veran­stal­tung: Vom 1. bis 5. März sollen »Bran­chen­ver­treter«, Presse und Jurys digital das Programm sehen, das Publikum soll dann im Juni alles nachholen – hoffent­lich in Kinos und unter freiem Himmel. Die Details sind wohl aus kluger Vorsicht immer noch sehr vage gehalten – auch die Berlinale fährt »auf Sicht«.

In der Branche stößt dieses Modell keines­wegs auf einhel­lige Begeis­te­rung: »Ich finde es schade, den Wett­be­werb unter Ausschluss der Öffent­lich­keit im März zu machen, statt ihn im Juni zu veran­stalten«, klagt jetzt Christian Bräuer, als gelernter Bank­kauf­mann seit 2004 der umtrie­bige Chef des Film­thea­ter­ver­bands »AG Kino«. Die Berlinale lebe vom Zusam­men­spiel zwischen Publikum und Branche. »Die Berliner freuen sich natürlich auf die Sommer-Berlinale. ... Aber ob es dieselbe inter­na­tio­nale Wirkung hat?«

Vertrau­lich berichtet der Produzent eines Berlinale-Wett­be­werbs-Films wiederum von ganz anderen, prak­ti­schen Problemen: Man kämpfe hinter den Kulissen mit der Berlinale darum, ob und in welcher Form die Filme überhaupt für Medi­en­ver­treter zugäng­lich würden. Manche Produ­zenten wünschen sich, dass ihre Filme der Presse regulär in Kinos gezeigt werden – mit einer Ausnah­me­ge­neh­mi­gung und natürlich unter Einhal­tung der bekannten Abstands­re­geln. Andere haben auch gegen eine Online-Ausgabe Bedenken. Denn wenn Filme mehrere hundert Mal an Akkre­di­tierte in der ganzen Welt über­tragen werden – wie lässt sich dann noch sicher­stellen, dass nicht wenigs­tens einer von ihnen den Film in seinem Wohn­zimmer herun­ter­lädt und weiter­ver­breitet? Selbst Grund­schüler wissen heute: Alles was im Netz und auf einem Computer erscheint, kann in irgend­einer Form kopiert werden. Und viele wissen auch, wie. Bei einem kleinen Provinz­fes­tival – und auch München oder Saar­brü­cken sind vergleichs­weise Provinz – macht es nichts, wenn Filme kopiert werden. Zum einen hält sich hier die globale Nachfrage in Grenzen, zum anderen wären nicht wenige deutsche Filme­ma­cher heilfroh, wenn sich wenigs­tens auf diesem Weg ein größeres Publikum für ihre Filme inter­es­sieren würde.

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Ganz anders liegen die Dinge bei einem inter­na­tio­nalen »A-Festival« wie der Berlinale. Schon in den letzten Jahren nahm die Tendenz – oder der Wunsch? – der Festivals, auch ihr akkre­di­tiertes Publikum zu kontrol­lieren und wie Schafe entmün­digt von einem Gatter ins nächste zu treiben, deutlich zu. Die Exklu­si­vität der Premieren – das wich­tigste Pfund im Wett­be­werb der Festivals unter­ein­ander – wird durch eine in den vergan­genen Jahren immer schärfer gewordene Absi­che­rung durch Embargos und Sperr­fristen gesichert. Im Idealfall soll die Presse den Film in einer einzigen, voll­be­setzten Vorfüh­rung sehen, und erst danach berichten, um die Premie­ren­stim­mung nicht durch saftige Vorab­ver­risse zu trüben – was gerade bei der Berlinale mit ihrer eher durch­wach­senen Wett­be­werbs­qua­lität nicht selten geschah.

Im Vergleich mit den Haupt­kon­kur­renten Cannes und Venedig hat gerade die Berlinale ein Problem, wenn sie diese Exklu­si­vi­täts­er­war­tungen nicht erfüllen kann. Denn Verleiher und Welt­ver­triebe geben ihre Filme ja nicht aus selbst­losen Gründen auf ein Festival. Sie verspre­chen sich vom dortigen Markt gute Verkäufe und eine möglichst große Wirkung des Festivals als Werbe­platt­form für den kurz bevor­ste­henden Filmstart. Genau diese Werbe­wir­kung fällt in Corona-Zeiten weg.

Der European Film Market (EFM) in einer gedrängten Online-Version wird nicht dasselbe sei, wie sonst – er ist aber eine wichtige Einnah­me­quelle für die Berlinale. In diesem Jahr, in dem alles im Netz statt­findet, muss der neue EFM-Chef Dennis Ruh Mieten für virtuelle Markt­stände aushan­deln, und eine digitale Infra­struktur aufbauen.

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Dass diese Themen relevant werden, erklären andere länger­fris­ti­gere und struk­tu­relle Mängel der Berlinale: Die Berlinale hat in den letzten 20 Jahren einen Bedeu­tungs­ver­lust erlitten. Egal, ob man hierfür nun die Politik des lang­jäh­rigen Berlinale-Direktors Dieter Kosslick verant­wort­lich macht, oder allge­mei­nere, von einzelnen Personen nicht zu beein­flus­sende Bran­chen­ent­wick­lungen – das Ergebnis bleibt das gleiche: Die Berlinale ist auf dem abstei­genden Ast. Es gibt dort zu wenig Stars, große ameri­ka­ni­sche Produk­tionen bleiben zunehmend weg, das wichtige Autoren­kino bevorzugt nach Möglich­keit den Auftritt an der Croisette in Cannes oder im Spät­sommer auf dem Lido von Venedig. Die wenigen inter­es­san­teren deutschen Filme hat die Berlinale zuletzt durch Unge­schick verpasst, deutsche Dauer­gäste, die mit ihren Filmen offenbar über ein Berlinale-Abon­ne­ment verfügen, öden selbst die Mehrheit der auslän­di­schen Gäste bei allem Wohl­wollen nur noch an.
Was übrig bleibt, sind kleine, soge­nannte »relevante« Filme; Filme, die durch Inhalte glänzen, kaum durch die Filmkunst, um die es doch einem Festival in erster Linie gehen müsste.

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Ablesen lässt sich dieser Bedeu­tungs­ver­lust besonders gut an der inter­na­tio­nalen Karriere der jewei­ligen Preis­träger. Kaum ein Berlinale-Sieger der letzten 20 Jahre wurde zu einem großen Publi­kums­er­folg. Und für nur sehr wenige Preis­träger – allen­falls Fatih Akin und Asghar Farhadi – wurde die Berlinale zum Sprung­brett für eine größere inter­na­tio­nale Karriere. Es gab keine einzige vergleichbar Erfolgs­ge­schichte zu jener des korea­ni­schen Filme­ma­chers Bong Joon-ho, der vor zwei Jahren mit seinem Film Parasite als erster Koreaner überhaupt die Goldene Palme von Cannes gewann – Start­schuss für einen Preis­regen, der in den mehr­fa­chen Oscar-Gewinn ein Jahr später mündete. Oder noch ein Jahr zuvor der japa­ni­sche Gewinner der Goldenen Palme: Hirokazu Kore-eda eröffnete mit seinem nächsten Film die Film­fest­spiele von Venedig. Filme die im Vene­zianer Wett­be­werb laufen, gehören wiederum regel­mäßig zu den Favoriten der kommenden Oscar-Verlei­hung – und nicht selten auch zu den Siegern. Man denke etwa an Alfonso Cuaróns Roma, Filme wie Black Swan, La La Land und Joker. Vergleich­bare Erfolgs­ge­schichten sucht man im Berlinale-Programm der letzten zwei Dekaden vergebens.

Hier liegt vermut­lich auch der eigent­liche Grund, warum die Berlinale selbst inmitten einer noch nicht bewäl­tigten Pandemie statt­finden muss, während sich Cannes und Venedig schon früh klar fest­ge­legt hatten, eine Online-Edition komme für sie nicht in Frage. Im Gegensatz zu diesen Festivals kann es sich die Berlinale schlicht nicht leisten, komplett auszu­fallen.