Ritter gegen Tod und Teufel |
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Schachmatt: Am Ende gewinnt dann doch der Tod | ||
(Foto: imago images / Prod.DB) |
Seine Partie gegen den Tod hat er erst mit über 90 Jahren verloren. Das Schachspiel des Kreuzritters gegen den Tod gehört zu den emblematischen Szenen in der Karriere des Max von Sydow.
In seinem dritten von heute über 150 Spielfilmen war das: 1957, in Ingmar Bergmans Das siebente Siegel, der zum Schlüsselwerk in Sydows Karriere wurde. Von da an war er einer der Darstellerfetische in Bergmans Werk, wohl auch, weil Sydow die seltene Gabe besaß, in seiner Körperlichkeit das Unkörperliche zu transportieren: ätherische Spiritualität, etwas Suchendes, tastend Unsicheres,
das man für »Jenseitigkeit« halten konnte, eine knorrige Stärke, die »archaisch« wirkte und verletzliche Durchlässigkeit, auf die sich Widersprüchliches projizieren ließ: die Glaubenszweifel des Sünders, die Glaubensstärke des Priesters, der entschlossene Mut des Kämpfers, das Zaudern des Sünders, der Adel des Ritters, der Stolz des Bauern. Und eine Kraft, die nicht allein von dieser Welt zu stammen schien.
Das fiel auch Hollywood schnell auf, und so war es ausgerechnet Jesus
Christus, den Sydow in seiner ersten Hollywoodrolle spielte, in George Stevens' Film Die größte Geschichte aller Zeiten.
Sydow war markant: Hager und mit fast zwei Metern viel zu groß, um je zum Actionhelden zu taugen, mit strohblonden Haaren, die auch dann voll blieben, als sie weiß wurden, war Max Sydow eine stattliche Erscheinung und ein Charakterkopf. Am markantesten aber war die Stimme: Kehlig, dunkel, auch sie wie aus einer anderen Zeit, einem anderen Planeten. Wer sie einmal gehört hat, wird sie nicht wieder vergessen, und begreift, dass so gar Tod und Teufel vor ihr kapitulierten.
Geboren in Lund, am 10. April 1929, als Sohn einer deutsch-pommerschen Familie, aber Schwede durch und durch, weil schon der Vater, ein damals berühmter Ethnologe, in Schweden geboren war. Carl Adolf von Sydow, so sein Geburtsname, ging als Angehöriger der katholischen Minderheit im protestantischen Schweden zuerst auf eine katholische Privatschule. Dort bereits spielte er Theater und war nun für alles andere verloren. Nach der Schauspielschule begann er auf der Theaterbühne in Malmö, dort lernten Bergman und er sich kennen. Auf Das siebente Siegel folgte noch im gleichen Jahr Wilde Erdbeeren, kurz darauf Von Angesicht zu Angesicht, Die Jungfrauenquelle und weiteres vom schon früh legendären Bergman.
Immer wieder spielte er Rollen, die etwas mit Religiosität oder ihren Abgründen zu tun hatten. Weltberühmt wurde er auch bei jenen, die keine Bergman-Filme sahen, mit seiner Titel-Rolle als The Exorcist in William Friedkins schnell zum Horrorklassiker gewordener Bestsellerverfilmung. Spätestens von da an hagelte es künstlerisch wie finanziell attraktive Angebote. So etwa der Auftritt in Sidney Pollaks New-Hollywood-Klassiker Die drei Tage des Condor, in Steven Spielbergs Minority Report und in Martin Scorsese Shutter Island oder in Woody Allens Hannah und ihre Schwestern. Er war der Steppenwolf in der Hermann Hesse-Verfilmung, der August Strindberg in Die Augen des Wolfs und »Blofield«, der Gegenspieler von James Bond.
Weil für Amerikaner ein schwedischer Akzent und ein Schwede mit deutschem Namen eigentlich das Selbe sind wie ein Deutscher, spielte Max von Sydow in Hollywood-Filmen immer wieder Deutsche, vor allem welche in der Geschichte: Nazi-Offiziere (in John Hustons skurrilem Fußball-KZ-Film Flucht oder Sieg und in Codename: Emerald), oder Neo-Nazis im West-Berlin des Kalten Kriegs (in dem guten Spionage-Polit-Thriller The Quiller Memorandum, wo sie in der deutschen Fassung zu Kommunisten mutierten), wie aufrechte NS-Gegner (wie den Schiffskapitän in Stuart Rosenbergs leider vergessener Reise der Verdammten über die Irrfahrt der St.Louis), mutige Emigranten und schmierige Opportunisten. Wer das kann, der taugt auch für Russen im Kalten Krieg: So etwa in (nochmal) John Hustons The Kremlin Letter, ein unterschätzter Spionage-Thriller, den Dominik Graf mal als »ein freudvolles, politisch und erotisch unkorrektes Genre-Meisterwerk« gelobt hatte. Oder in Embassy und Citizen X. Oder in den beiden U-Boot-Filmen Hostile Warters und Kursk, Sydows letztem Filmauftritt.
Für Hollywood sah Sydow jedenfalls nicht wie ein Amerikaner aus.
Demgegenüber stehen vergleichsweise wenige europäische Autorenfilme, vor allem in dessen größter Zeit, den 60er und 70er Jahren. Vielleicht trug Sydow für manche zu sehr den Bergman-Stempel im Gesicht, vielleicht hatte er auch mehr auf die Gage geschaut. Jedenfalls blieb über manches Vergessbare nur Cadaveri Eccelenti von Francesco Rosi und Bertrand Taverniers La mort en direct. Erst später dann trat er auch bei Wim Wenders Bis ans Ende der Welt auf und in Bille Augusts Pelle, der Eroberer, und wenn es ihn reizte, in herausragenden Fernseharbeiten, wie der dreiteiligen Joseph-Roth-Verfilmung Radetzkymarsch vom wunderbaren Axel Corti und Hamsun über den norwegischen Dichter und NS-Sympathisanten – von Regisseur Jan Troell, mit dem Sydow nach Bergman die meisten Filme drehte.
Immer wieder sind es Gottsucher und Priester, die Sydow spielte, in allein drei Bibel-Verfilmungen hat er mitgemacht, zugleich aber auch auffallend oft Monarchen gespielt. Oder den römischen Kaiser Tiberius.
Es kam dem Schauspieler neben seinem Können entgegen, dass er keine Berührungsängste hatte, auch vor scheinbarem Trash und »B-Movie«-Abseitigkeiten nicht zurückschreckte, im Gegenteil: Ihm machte das Spielerische solcher Filme erkennbar Spaß. Immer nur Ernst und immer nur dasselbe fand er langweilig. So spielte er in Reinfällen wie John Milius' Flash Gordon und dessen B-Klassiker Conan der Barbar ebenso, wie in scheinbaren Flops, die zu versteckten Klassikern wurden, wie David Lynchs Dune – Der Wüstenplanet, er trat in Star Wars auf und in »Game of Thrones«,
Diese Vielfalt wird von Max von Sydow nicht weniger in Erinnerung bleiben als sein markantes Erscheinungsbild.