Es darf gestreichelt werden! |
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El Manguito ist einer der schönsten Filme des Bunten Hundes – leider außer Konkurrenz! | ||
(Foto: Kunsthochschule für Medien Köln / Bunter Hund) |
Von Dunja Bialas
Kaum hat man sich von der Berlinale erholt, geht es auch schon weiter mit dem Festival-Stress. Zumindest für die Bayern. München, Regensburg und Landshut warten in den nächsten zwei Wochen mit ausgefeilten Kurzfilmprogrammen auf, in Bad Aibling geht es ab heute bei der Nonfiktionale mit Dokumentarfilmen zum Thema »Sprechende Bilder« in die 11. Runde. Nein, nicht, was Sie jetzt denken: Sprechende Bilder sind das Gegenteil der verpönten »Talking Heads« – hier sprechen die Bilder für sich, es geht ums dezidiert kinematographische Erzählen im Dokumentarfilm – eine hohe Kunst, die sich leider immer noch nicht durchgesetzt hat. Die Internationale Kurzfilmwoche Regensburg startet dann eine Woche später und zeigt vom 14.-21.3. unter anderem Filme von »Starken Frauen« (Jennifer Reeder und Monika Treut sind zu Gast!). Das Landshuter Kurzfilmfestival startet ebenfalls am 14.3. (bis 19.3.) und wartet mit Rekordzahlen auf: »Insgesamt 1093 Minuten Kurzfilmpower stecken im Kurzfilmwettbewerb, mehr als 18 Stunden beste Unterhaltung. 76 großartige Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilme gibt es in den 11 Programmblöcken zu entdecken, darunter 6 Weltpremieren und 12 Deutschlandpremieren«, heißt es auf der Website. Na, wenn das mal nichts ist!
München aber macht den Auftakt zum bayerischen Kurzfilm-Frühling und lässt ab heute die 19. Ausgabe des Internationalen Kurzfilmfestivals Bunter Hund von der Leine. Anders als man von den Münchnern vermuten würde, ist das Festival in der bayerischen Landeshauptstadt jedoch sehr nahbar und darf als »Bunter Hund« sozusagen sogar gestreichelt werden.
Das Festival heißt, wie sein Programm und sein Team selbst sind: Es folgt der »Diversity« des Filmschaffens, zeigt Dokumentar-, Spiel- und Experimentalkurzformen und wird von einem ebenfalls sehr bunten Team zusammengestellt, das prinzipiell jedes Jahr wechseln kann. Der Bunte Hund ist ein echtes Mitmachfestival (wer Lust hat, bei der Programmauswahl mitzumachen, kann sich beim Team vorstellen), und das geben die vierzehn Macherinnen und Macher (Männerquote: 50%!) an ihr Publikum weiter. Alle, die eines der vier Wettbewerbsprogramme Anders & Artig, Heimat, Helden wie wir oder Liebe & andere Grausamkeiten besuchen, können sich per Abstimmung als Juror für den »Hasso« betätigen. Der Preis mit dem – neben »Bello« – beliebtesten Hundenamen ever (Wikipedia, ganz im Ernst: »Hasso ist ein im deutschsprachigen Raum verbreiteter Name für Hunde«) ist 500 Euro wert, eine Summe, die schon wieder für den nächsten Kurzfilm reichen kann.
Filmtipps zu geben ist in der Vielfalt der Filme und angesichts der noch nicht namhaften Regisseure eine echte Herausforderung. Dennoch sei hier auf drei Werke hingewiesen. Das erste sei empfohlen, weil dessen Macherin eine liebe Mitarbeiterin des Dokumentarfilmfestivals ist, in dessen Team sich früher einmal viele »visuelle Anthropologen« tummelten. Rebecca Zehr ist eine von ihnen und zeigt jetzt im Wettbewerbsprogramm Anders & Artig einen dokumentarischen Film. Er verspricht ästhetischen Anspruch: Der 14-Minüter mit dem Titel Epithese (altgriechisch für »das Aufgesetzte«) wurde in Alain-Resnais-Schwarzweiß gedreht und widmet sich anhand klassischer Statuen dem »Ausgleich von Körperdefekten«. Ein schöner, dekonstruktivistischer Ansatz, bilden die Statuen doch das klassische Schönheitsideal ab – und sind heute gerne mal kopf-, arm- oder beinlos.
Empfohlen sei auch der Kurzfilm des umtriebigen Kuesti Fraun (ja, ein Künstlername!). Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, bei möglichst vielen Wettbewerben einzureichen, umso bedauerlicher, dass er es nur in die mit Trash & Sonderbares übertitelte Schatztruhe des Bunten Hundes geschafft hat, die nicht am Wettbewerb teilnimmt. Omnibussssss zeigt die Fahrt des 612er-Busses, der heute mal wieder extrem lange braucht. Nein, der Film wurde nicht in München gedreht. Ja, der Film ist toll! Kuesti Fraun ist ein noch zu entdeckender Tausendsassa, der in seine Kurzfilme und andere Werke, so zum Beispiel Hörspiele, viel Witz und Philosophie hineinsteckt.
Im Sonderprogramm Doku-Spezial, ebenfalls nicht im Wettbewerb, befindet sich der wunderbare El Manguito, der letztes Jahr bei den Kurzfilmtagen Oberhausen mit dem 3sat-Förderpreis bedacht wurde. Die KHM-Absolventin Laurentia Genske hat sich nach Kuba aufgemacht und das Leben in dem Zwölf-Seelen-Bergdorf El Manguito dokumentiert. Das Dorf liegt abgeschieden in den unzugänglichen Wäldern der Sierra Maestra. Hier steht die Zeit still, und der Kommunismus ist immer noch intakt. Ein Filmod, pardon: Kleinod, das mit großen Überraschungen aufwartet, und das wir uneingeschränkt empfehlen können.
Auch wenn die deutschen Filme unterm Strich überwiegen, ist das Programm auch dieses Jahr schön bunt gemischt, mit einer kleinen Vorliebe für den spanischsprachigen Film. Daneben finden sich – ohne Ranking – Filme aus Frankreich, Tansania, Polen, USA, Großbritannien, Israel, Ungarn, Belgien, Rumänien, Finnland, Russland, Schweiz, Dänemark und Österreich. Und da heute Internationaler Frauentag ist, freuen wir uns darüber, dass Frauen und Männer ebenso paritätisch vertreten sind wie im Auswahlteam selbst.
Jedes der insgesamt sechs Programme, die in den nächsten vier Tagen im Werkstattkino in München in schön kuscheliger Atmosphäre gezeigt werden, wird von einem kleinen Prosagedicht eingeleitet, dessen Refrain die Aufforderung bildet: »Schauen wir uns um.« Da leider im gedruckten Heft unter der Rubrik »Anders & Artig« das Auftaktgedicht zu »Heimat« hineingeraten ist (wohl in freudiger Erwartung aller zukünftigen Heimatminister?), sei es hier noch einmal dokumentiert, als
stimmungsvoller Auftakt in ein buntes Kurzfilm-Wochenende in München:
»Schauen wir uns um: Wie?
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer sind wir, woher kommen wir
und warum gehen wir jetzt nicht einfach?
Hundert Möglichkeiten,
Dein Weg.«
Bunter Hund – 19. Internationales Kurzfilmfestival
8.-11.3.2018, Werkstattkino München
Eintritt: 6 Euro
Das internationale Kurzfilmfestival Bunter Hund ist eine Veranstaltung von Kulturkurzwaren e.V. und ist Mitglied der Filmstadt München e.V. und des Verbands Bayerischer Festivals
e.V.
Gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München