Afrika wie gewünscht |
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L’oeil du cyclone |
Von Axel Timo Purr
Wem immer noch ein wenig bitter aufstoßen sollte, dass der diesjährige Nobelpreis für Literatur an Bob Dylan und nicht an den von allen britischen Wettbüros favorisierten Kenianer Ngugi wa Thiong’o gegangen ist, kann sich in den nächsten Tagen damit trösten, dass wenn auch nicht in Stockholm, so doch wenigstens in München afrikanische Kultur und im speziellen der afrikanische Film gewürdigt wird – und dies nun schon zum sechsten Mal.
Eröffnet werden die Filmtage mit der ersten von drei Dokumentationen, die neben vier Spielfilmen ausgewählt wurden. Sembene! (Donnerstag, 27.10.2016, 18:30 Uhr) dokumentiert die Lebensgeschichte des jungen Senegalesen Ousmane Sembene, der heute als Gründervater des afrikanischen Kinos gilt. Mitte des 20. Jahrhunderts beginnt er als Schriftsteller und Filmemacher die Geschichte und Geschichten Afrikas zu erzählen. Sembene! dokumentiert das Leben und Werk eines Mannes, der zum Sprachrohr der Unterdrückten wurde und dessen emanzipatorischem Wirken auch heute noch gedacht wird – ganz im Gegensatz zu seinen Filmen, die nur mehr einer kleinen Avantgarde von regionalen Filmemachern geläufig sind; den filmischen Alltag nicht nur im Senegal prägen heute die große Serien- und Filmproduktionen aus Nigeria.
Ein Beispiel aus der großen Traumfabrik Nollywood zu sehen wäre auch auf den Filmtagen wünschenswert gewesen, etwa ein Screening des größten Erfolgs der letzten Jahre, der romantischen Komödie 30 Days In Atlanta (2014) etwa, die mit 137 Millionen verkauften Tickets allein in Nigeria nicht nur nigerianische Träume bedient, sondern auch zeigt, dass Afrika nicht nur K-Kontintent (Kriege, Krisen, Katastrophen), sondern es auch einen Alltag gibt, der banaler, normaler nicht sein könnte.
Obwohl die diesjährigen Afrikanischen Filmtage eine Tendenz zur Reproduktion dieses K-Bildes haben, bleiben die ausgewählten Filme allemal sehenswert, lassen sich auch hier Alltag ablesen, aus der Geschichte lernen und neue Einblicke gewinnen. Dazu gehört auch Sékou Traorés L’oeil du cyclone aus Burkina Faso (Donnerstag, 27.10.2016, 20:30 Uhr), der zeigt, wir in einem namenlosen, von einem Bürgerkrieg heimgesuchten afrikanischen Land, die junge, idealistische Anwältin Emma mit der Pflichtverteidigung eines mutmaßlichen Rebellenführers beauftragt wird.
Ein historisches Schmankerl wird am Freitag mit Joe Bullet präsentiert (28.10.2016, 18:30 Uhr), einem der ersten südafrikanischen Filme mit durchweg schwarzer Besetzung, der im Eyethu-Kino von Soweto uraufgeführt wurde. In Zeiten der Apartheid verkörpert der Karate kämpfende, quasi unverwundbare Superheld Joe Bullet die Vision eines »Schwarzen Daseins«, das von der damaligen Realität deutlich abweicht. Nach nur wenigen Vorführungen wird der Film verboten und jahrzehntelang nicht mehr gezeigt. Heute liegt dieses bedeutende Zeugnis afrikanischer (Film-)geschichte in restaurierter Fassung vor.
Nach dem historisierenden Eröffnungsfilm warten die Filmtage mit einem Abgleich mit der senegalesischen Gegenwart auf – The Revolution Won’t Be Televised (28.10.2016, 20:30 Uhr) beschäftigt sichmit dem Jahr 2011, als der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade eine verfassungswidrige, dritte Amtszeit anstrebt. Einige Schulfreunde, darunter die Rapper Thiat und Kilifeu, gründen daraufhin die Widerstandsbewegung »Y’en a marre« (»Wir haben die Schnauze voll«). Wenig später beginnt die junge Filmemacherin Rama Thiaw ein bewegendes Porträt des Protests zu zeichnen, indem sie die fortlaufenden Ereignisse dokumentiert.
Mit Widerstand beschäftigt sich auch der tunesische Film Kaum öffne ich die Augen (Samstag, 29.10.2016, 16:15 Uhr), der das Tunis kurz vor dem Arabischen Frühling zeigt: Die lebensfrohe Farah träumt davon, professionelle Musikerin zu werden. Als Sängerin einer Band lehnt sie sich mit politischen Texten gegen einengende, gesellschaftliche Strukturen auf. Eingebettet in die zeitgenössische arabische Rockszene erzählt dieser Film die Geschichte einer mutigen jungen Frau, die schmerzlich erfahren muss, dass Revolutionen Zeit brauchen.
Wenn Widerstand zwecklos ist, bleibt oft nur noch der Traum von Europa und die Migration. Les Sauteurs (Samstag, 29.10.2016, 18:30 Uhr), zeigt die Realitäten junger afrikanischer Männer, die sich in einem informellen Camp in Marokko, in den Wäldern des Bergausläufers Gurugu, aufhalten. Immer wieder versuchen sie, die hochgesicherte Landgrenze zwischen Nordafrika und Spanien zu überqueren, um ins vermeintliche Eldorado Europa zu gelangen. Der Großteil der Aufnahmen stammt von Abou Bakar Sidibé, dem Regisseur des Film, der selbst Bewohner dieses Camps war. Er ist sowohl Kameramann als auch Protagonist. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, den Grenzzaun zu bezwingen, beginnt er, den Alltag im Camp und das zermürbende Warten auf den nächsten »Sprung« filmisch festzuhalten. Abou Bakar Sidibé wird bei dieser Vorstellung zu Gast sein.
Einen Blick auf moderne Antihexereibewegungen in Afrika wirft The Cursed Ones (Samstag, 29.10.2016, 20:30 Uhr): Eine Reihe von Unglücksfällen veranlasst die Bewohner eines westafrikanischen Dorfes, die stumme Asabi der Hexerei zu beschuldigen. Nach und nach gelingt es dem redegewandten Pastor, sogar ihre eigene Mutter gegen sie aufzubringen. Gemeinsam mit dem jungen Dorflehrer versucht der desillusionierte Reporter Godwin, Asabis Leben zu retten. Der Produzent des Films, Nicholas K. Lory, wird anwesend sein.
Im Anschluss an die beiden Filme findet unter der Moderation von Barbara Off (DOK.fest München) ein Filmgespräch mit den Gästen statt.
Die 6. Afrikanischen Filmtage finden vom 27. bis 29.10.2016 statt.