68. Festival de Cine de San Sebastián 2020
Die baskische Croisette |
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Der fast perfekte Eröffnungsfilm: Woody Allens Rifkin’s Festival | ||
(Foto: Press Service SSIFF 2020) |
Seit seiner Gründung vor über 60 Jahren zählt das Filmfestival im nordspanischen San Sebastián zu den bedeutendsten Filmfestivals der Welt. In zwei Jahren feiert es sein 70. Jubiläum. Am Anfang gegründet auch als kulturelles Manifest des Widerstands gegen Gleichschaltung, war es seit jeher auch eine Institution der symbolischen wie kulturellen Selbstbehauptung der Eigenständigkeit des Baskenlands im repressiven Franco-Spanien. Inzwischen hat es sich wie alle anderen Filmfestivals aus den politisch-kulturellen Besonderheiten seiner Entstehungsgeschichte und den Verwerfungen des 20. Jahrhunderts gelöst und ist in das 21. Jahrhundert, und damit in die politische Postmoderne eingetreten. San Sebastián ist auch deswegen eines der wichtigsten Festivals, weil es die besten Filme, die man in Venedig schon sehen konnte, mit jenen zusammenführt, die im wichtigen amerikanischen Herbstmarkt, in Toronto, ihre Weltpremiere feiern.
In diesem Jahr gehört San Sebastián zudem eindeutig zu den Gewinnern der aktuellen Corona-Situation. Denn das Festival ist nach Venedig das zweite große Kulturereignis der Filmwelt, das tatsächlich stattfindet: Real vor Ort im Kino mit Zuschauern. Natürlich ist vieles nicht wie immer: Es gibt weniger Gäste, die internationalen Stars bleiben aus – denn auch, wer gerade irgendwo dreht, hat Reiseverbote – und im Alltag herrschen die üblichen Auflagen: Abstand und
Maskenpflicht im Kino und regelmäßig Desinfektion. Allemal haben die Coronabeschränkungen in Spanien das Leben stärker als bei uns in Deutschland im Griff. Doch der Begeisterung der normalen Kinofans (hier kann auch jeder Normal-Bürger Karten kaufen, und zwar, ohne stundenlang anzustehen) wie der professionellen Festivalbesucher tut all das keinen Abbruch. Und vor allem sind die Filme gut.
Denn San Sebastián profitiert diesmal auch vom Ausfall des Filmfestivals von
Cannes im Frühjahr. Mindestens zehn jener hochkarätigen Filme, die Cannes eingeladen hätte, laufen jetzt hier und verwandeln die malerische Concha-Bucht in diesem Jahr in eine spätsommerliche Croisette.
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Eröffnet wurde am Freitag mit dem neuesten Film von Woody Allen: Rifkin’s Festival hat zudem den doppelten Charme, in San Sebastián gedreht worden zu sein (woran auch die baskische Tourismusbehörde ihre helle Freude haben dürfte), und zugleich auf einem Filmfestival zu spielen – womit auch der Narzissmus der Filmbranche bedient wird. Auch sonst ist Allens neuer Film ein Lichtblick im Spätwerk des New Yorker Stadtneurotikers. Im Zentrum steht
Rifkin (Wallace Shawn), der zumindest psychologisch eine Art Alter Ego des Regisseurs ist: Ein erfolgreicher Schriftsteller und Filmdozent, aber von Selbstzweifeln gequält. Als Festivalgast verliebt er sich in eine spanische Ärztin, zugleich verfolgt er eifersüchtig seine Frau, von der er vermutet, sie habe eine Affäre mit einem französischen Autorenfilmer.
All das erzählt Allen als virtuoses Spiel mit der Filmgeschichte: Denn fortwährend tagträumt Rifkin sein Leben in
Szenen großer Filmklassiker, die Allen und sein Kameramann Vittorio Storaro dann in so liebevollen wie ironischen Referenzen an Allen Lieblingsregisseure Orson Welles, Ingmar Bergman, Luis Buñuel, Jean-Luc Godard und François Truffaut in Filmbilder fassen. Mit seiner offenen Schwärmerei für die ganz Großen des Autorenkinos, seiner Hommage auf die Kinogeschichte und mit interessanten Darstellern wie Christoph Waltz und Louis Garrel war Rifkin’s
Festival damit der fast perfekte Eröffnungsfilm.
(to be continued)