18.05.2019
72. Filmfestspiele Cannes 2019

Look at Me!

Too Old to die Young» von Nicholas Winding Refn
Too Old to die Young von Nicholas Winding Refn
(Foto: Amazon)

Simultanistische Filmkritik: Too Old to die Young von Nicholas Winding Refn

Von Rüdiger Suchsland

Ein einsamer Mann blickt aus dem Fenster. Ein Motel­zimmer, schlecht beleuchtet bei Nacht, ein Vorhang, künst­li­ches Licht von draußen, eine sehr alte Tapete. Das muss ein Film von Nicolas Winding Refn sein. Ziemlich oft blicken einsame Männer in seinen Filmen aus dem Fenster. Die Frau auf dem Bett sagt, und es sind die ersten Sätze des Films: »Look at me! Do you like what you see?« Es könnte ihm gefallen, aber er schaut lieber aus dem Fenster in die Einsam­keit. Dann kriecht er durch das ranzige Motel­zimmer auf allen Vieren auf ihre Füße zu, die in hoch­ha­ckigen roten Schuhen stecken.
Es geht um Porno­gra­phie und Feti­schismus, das machen diese ersten Szenen klar. Refns Kino ist ein Kino der Phan­ta­sien und des Phan­tas­ti­schen. Wenn einem im Folgenden ein einziger anderer Regisseur einfällt, an den das alles erinnert, dann ist es David Lynch – wobei Lynch ungleich mehr Humor hat, und nicht predigt.

Immerhin, das muss man zugeben, hat dieser Regisseur eine ganz spezi­fi­sche unver­wech­sel­bare Ästhetik. Man erkennt sofort, wenn es sich um einen Film von ihm handelt, man erkennt dies am Äußeren, am Stil der Bilder, man erkennt dies auch an den Figuren, den Männern die immer einsam sind, Einzel­gänger, Loner, Bindungs­lose, Männer, die irgend­einen Grimm, einen seltsamen unspe­zi­fi­schen Hass in sich tragen.

Viel Leiden der Männer, viel »male gaze«, viel Apoka­lyptik. Vor diesem Hinter­grund erzählt Refn die Geschichte eines Poli­zisten, der in seiner Freizeit ein selbst­er­nannter Sherrif und Rächer ist an denen, die »die es verdienen.« Eine Art ameri­ka­ni­scher Samurai – der letzte seiner Art. Alle reden so langsam, wie Schlaf­wandler, weil sie eigent­lich Untote sind, Moral-Zombies. Meist hält die reak­ti­onäre Moral alles bleiern am Boden.
Erst am Schluss hebt der Film mal kurz ab, da zeigt Refn was er wirklich kann: Musik und Autos.

Und ich dachte, Refn sollte endlich einen Formel 1 Film machen. Das könnte er wirklich gut.