17.02.2017
67. Berlinale 2017

Rebellion gegen Kosslick!

Back for Good
Einer von 400: Mia Spenglers Back For Good
(Foto: NFP marketing & distribution GmbH / Filmwelt Verleihagentur GmbH)

Hört der Berlinale-Direktor früher auf? Wird Kirsten Niehuus seine Nachfolgerin? Wo ist der Jürgen Klopp der Berlinale? – Berlinale-Tagebuch, Folge 09

Von Rüdiger Suchsland

»Wer sich um ein Amt bewirbt, den gilt es zu verhin­dern.«
Leitsatz der Katho­li­schen Kirche

»400 Filme – das geht doch einfach nicht mehr!« Mehr als eine Person in höheren FFA-Ämtern, also nicht irgend­einer Insti­tu­tion, stimmte ein in das Gespräch, das sich an einem der letzten Abende entwi­ckelte. »Da muss jetzt mal was passieren.« »Eine Rebellion gegen Kosslick, das wäre gut.«
Ja, das würde sogar zu einem Festival passen, das sich als politisch bezeichnet.

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Man muss die Dinge mal beim Namen nennen: Es gibt viele, sehr viele deutsche Produ­zenten, Regis­seure, Filme­ma­cher anderer Gewerke, und Förderer, die die Berlinale entsetz­lich schlecht finden. Die die Qualität bemängeln, die darunter leiden, dass ihre Filme nicht wahr­ge­nommen werden, oder zu wenig, oder die beklagen, dass sie in der »Perspek­tive deutsches Kino« de facto im Ghetto abseits der inter­na­tio­nalen Konkur­renz gezeigt werden – und im Publikum sitzen dann die, die für den Rest keine Karten bekamen, oder mit den Filme­ma­chern befreundet sind und unter all den Deutschen auch noch eine Handvoll Ausländer, die halt rein­müssen.
Es geht so einfach nicht (mehr). Das Festival hat keine Würde. Keinen Begriff von Kino. Keine Wert­schät­zung für Besucher und Publikum.

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Mit V. aus Barcelona und spanische Kollegin spreche ich zunächst über den FC Barcelona. Barca verlor 0-4 gegen PSG in der Cham­pi­ons­le­ague. »A lack of soul« sagt sie. »They need a new coach. It’s like the Berlinale«
Ihre Festi­val­bi­lanz ist hunds­mi­se­rabel: »10 days, 5 films that I liked, and I say like, not a master­piece. Thats not even one film per day. Many colle­a­gues are thinking of not coming back.«
Aber wer könnte diesem untoten Festival wieder Seele einhau­chen? »Where is the Jürgen Klopp of Berlinale?«

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In den vielen Gesprächen am Rande der Berlinale tauchten zwei Gedanken immer wieder auf: Muss Dieter Kosslick als Berlinale-Direktor bis zum bitteren Ende im Jahr 2019 weiter­ma­chen? Warum hört er nicht früher auf? Kann man ihn zwingen, wenn er nicht frei­willig geht?
Warum müssen die Amts­zeiten von Berlinale-Direk­toren eigent­lich die von sowje­ti­schen Partei­funk­ti­onären über­steigen?

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Die zweite Frage: Wer soll es denn machen? Immer wieder genannt werden zwei Namen. Alfred Holighaus, der einzige Ex-Sekti­ons­chef, der unter Kosslick frei­willig den Absprung schaffte, dem ganz offen­kundig die Macht­geil­heit der andern fehlt – er muss nicht auf seinem Pöstchen sitzen, bis man ihn heraus­trägt.
Holighaus, ein char­manter, welt­ge­wandter Mann, der das Kino liebt, nicht nur das Deutsche, hat seitdem zwei Jobs gemacht: Zunächst bei der Film­aka­demie, jetzt bei der SPIO. Er wäre ein guter Berlinale-Chef, aber er kommt nicht wirklich aus der Deckung. Keiner, der mit ihm sprach, oder von seinen Plänen zu wissen glaubt, erkennt den Wunsch, Berlinale-Chef zu werden. Das spricht für ihn: Denn »Wer sich um ein Amt bewirbt, den gilt es zu verhin­dern.« lautet der eherne Grundsatz der Katho­li­schen Kirche.
Der zweite Name, auf den ich bereits allein in Saar­brü­cken gleich von fünf verschie­denen Leuten ange­spro­chen wurde, ist Kirsten Niehuus – die Chefin des Medi­en­biord Berlin-Bran­den­burg. Dass sie diesen Job will, ist für mich seit Jahren offen­sicht­lich. Als ich Niehuus mal vor etwa fünf Jahren darauf ansprach, war ihre Antwort: »Daran habe ich noch nie gedacht. Die Frage stellt sich gar nicht.« Das muss man akzep­tieren. Aber viel­leicht sieht alles fünf Jahre später anders aus?