12.02.2016
66. Berlinale 2016

Oh Mamma, where are you?

Mum's Favorite
Mum’s Favorite – leider geschlossen...

Berlinale-Big-Mäc-Menu statt Chia-Steak mit Kresseragout und Tofu-Gnoccis: Essen und Trinken jenseits des Kulinarischen Kinos – Berlinale-Tagebuch, 4. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Es war »der« Treff­punkt bei der Berlinale, nicht nur weil er extrem günstig lag, in einer Ecke des Cinenmaxx-Komplexes am Potsdamer Platz, wo ganz viele Filme laufen, sondern auch weil die Bedi­e­nungen nett sind, die Preise nicht unver­schämt, weil man da auch mal drei Stunden sitzen durfte und weil es Steck­dosen für die Gäste gibt: Das Mum’s Favorite am Potsdamer Patz war auch der Favorit vieler Berlinale-Besucher.
Jetzt ist das Restau­rant geschlossen.
Man baut um, über viele Wochen. Was für eine Schwach­sinns­idee, das denke nicht nur ich, das ausge­rechnet während der Berlinale zu tun, wo das Restau­rant endlich mal voll ist. Wenn keine Berlinale ist, ist das hier nämlich ein wüstes Land.
Was aber daran das eigent­lich Inter­es­sante ist: Es kümmert die Verant­wort­li­chen nicht. Die Berlinale findet in ihren Köpfen einfach gar nicht statt. Sagt ja auch was über »das Publi­kums­fes­tival«.

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Nil, Film­kri­ti­kerin aus der Türkei, hat mir schon gestern gemailt: »Ist Mum’s Favorite geschlossen? Was werden wir machen?«

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Der Potsdamer Platz ist ja eine schreck­liche Wüste. In 15 Jahren seit dem Umzug vom Ku-damm und den Kinos zwischen Zoopalast und Inter­con­ti­nental, seit dem Ende der West­ber­liner Berlinale also, haben wir uns daran gewöhnt. Das heißt aber nicht, dass ich irgendwen kenne, der es hier schön, oder gar toll findet. Man schickt sich in die Gege­ben­heit, wie man das bei einem schlechten Film­pro­gramm ja auch tut. Über­stehen ist alles.
Das ist schlecht, denn Menschen wie wir Kritiker müssen 12 Tage am Potsdamer Platz alles tun außer schlafen – manchmal sogar das, nämlich im Kino, wenn der Film schlecht ist.

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Zur Eröffnung heute Abend gibt es, weil der Festi­val­di­rektor nicht nur beken­nender Vege­ta­rier ist, sondern auch Fress­pre­diger, der allen anderen seinen Geschmack aufzwingen möchte, so etwas wie »Chia-Steak mit Kres­se­ra­gout und Tofu-Gnoccis«. Macht nix, ist gesund, im Krieg ham wir ganz andere Sachen gegessen, Sesam ist schließ­lich auch Vogel­futter. Und Chia haben wir unserem Hansi auch immer verfüt­tert – das heißt ja noch nicht, das es ungesund ist. Der Wellen­sit­tich ist zwar längst tot, aber der Junge leitet heute ein Film­fes­tival...

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Wir werden einige der nettesten Gespräche des Eröff­nungs­emp­fangs dann wahr­schein­lich wieder beim McDonalds gegenüber dem Berlinale-Palast haben, wo sich über Stunden jene Empfangs­gäste tummeln, denen Fleisch­ver­zicht oder viel­leicht auch nur der von Außen aufer­legte Zwang dazu zu blöd ist. Einige Auto­gramm­jäger haben das übrigens auch so raus, und bekommen so ihr ganz persön­li­ches Berlinale-Big-Mäc-Menu.