USA 2016 · 88 min. · FSK: ab 12 Regie: Todd Solondz Drehbuch: Todd Solondz Kamera: Ed Lachman Darsteller: Keaton Nigel Cooke, Tracy Letts, Julie Delpy, Greta Gerwig, Kieran Culkin, Danny DeVito u.a. |
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Auf den Hund gekommen: der Mensch |
Suburbia. Hier im Speckgürtel der amerikanischen Großstädte, liegt nicht nur der amerikanische Traum begraben, die Alpträume hat man gleich dazu gebettet.
Der faszinierendste unter den Kinopathologen von Suburbia ist Todd Solondz. Seit 20 Jahren widmet sich dieser Hollywood-Independent vor allem den abgründigen Seiten von Suburbia, die er in einen ganz eigenen filmischen Kosmos verwandelt. Sein Happiness war 1998 ein Meilenstein des US-Kinos und nebenbei seinerzeit der Durchbruch für den inzwischen verstorbenen Schauspieler Philip Seymour Hoffman.
Wiener Dog, der Titel seines neuesten, episodisch erzählten Films, bezeichnet im amerikanischen Englisch einen Glatthaardackel. Dessen Geschichte, genauer: die eines weiblichen Exemplars, steht im Zentrum dieses sehr besonderen, merkwürdigen Films. In der ersten Episode wird der Dackel einem kleinen Jungen von seinem strengen Vater geschenkt und daraufhin schnell zum Gegenstand tragisch-komischer, geradezu philosophischer Gespräche:
»You have to
break a dog, break their will, so that they submit to your will«, erklärt da der Vater: »It’s a kind of civilizing. So they act like humans.« – »But when you break a will... Well... What is a will exactely anyway?« – »It’s character, force of character. It’s the thing that makes you you.«
Wie bricht man einen Willen? Und was daran ist zivilisiert, was hingegen gerade eher barbarisch? Eine solche Szene geht natürlich über Erziehungsfragen weit hinaus. In ihrem Sarkasmus, ihrer Doppelsinnigkeit, der Kombination aus Absurdität und Tiefsinn erinnert sie an die Komödien von Woody Allen – als dessen jüngere, schärfere Ausgabe, als die Mittfünfziger Solondz hier mehrfach erscheint.
Noch fester ist dieser Film im eigentümlichen Solondz-Universum verankert, weil »Wiener Dog« auch der Spitzname der Hauptfigur in Solondz allererstem Film Welcome to the Dollhouse war, einer jugendlichen Außenseiterin namens Dawn. Sie taucht auch hier wieder auf, als die nächste Besitzerin des Dackels, und wird gespielt vom Independent-Star Greta Gerwig. Dies ist überhaupt ein Film der Starauftritte: Julie Delpy, Ellen Burstyn, Michael Shaw, und Danny DeVito gehören zum Ensemble.
De Vito spielt den dritten Dackel-Besitzer, einen erfolglosen Hollywood-Drehbuchautor und miserablen Filmdozenten mit dem sprechenden Namen David Schmerz, eine klassische Misanthropen-Figur, der auch zu Tieren ein sadistisches Verhältnis hat und an der Erziehung des Hundes verzweifelt.
So geht es hier um die Abgründe menschlichen Verhaltens sowie um Entfremdung und Trauer inmitten des materiellen Überfluss. Der Blick, den Solondz auf die Wirklichkeit wirft, ist der eines Surrealisten: Die absurden und bizarren Seiten des Alltags werden in seiner Perspektive noch gesteigert.
Der episodische dramaturgische Aufbau, wie auch die Entscheidung, das Urmenschliche aus der Perspektive eines Tieres und des Menschenverhaltens ihm gegenüber zu zeigen, erinnert an den französischen Klassiker Au hazard Balthasar von Robert Bresson. Ungleich kunstvoller als bei Bresson aber ist hier die Kamera von Ed Lachman, der zuletzt die Highsmith-Verfilmung Carol in Bilder fasste.
Wiener Dog ist – wie jedes Werk von Todd Solondz – ein radikaler Film. Reich an Wendungen, an Überraschungen, und an Scherzen die die Grenzen des sogenannten guten Geschmacks ein ums andere Mal durchbrechen, ist dies ein in schwarzen Humor getränkter Film, eine abgründige Psychostudie des alltäglichen amerikanischen Alptraums und hochspannendes Komödienkino für Erwachsene.