Wes Craven präsentiert Dracula

Dracula 2000

USA 2000 · 99 min. · FSK: ab 16
Regie: Patrick Lussier
Drehbuch: ,
Kamera: Peter Pau
Darsteller: Gerard Butler, Justine Waddell, Jonny Lee Miller, Colleen Fitzpatrick u.a.
Zubeißend: Jeri Ryan

Das mit dem Knoblauch wird wohl weiterhin ungeklärt bleiben. Wer sich aber schon immer gewundert hat, weshalb der Fürst der Vampire so aller­gisch auf Silber und Kruzifix reagiert, bekommt in diesem Film eine clevere Antwort. (Schade nur, dass der Deutsch­land­start nicht noch in die Osterzeit fiel, denn da hätte er bestens gepasst...)

Sonst freilich ist der Neuig­keits­wert eher gering – nicht Dracula 2000 sondern Dracula 1980 wäre ein passender Origi­nal­titel gewesen: Wie hier ein Klein­dar­steller nach dem anderen spritzig entleibt wird, erinnert an die Hochzeit des Splatter-Kinos. Das heißt zum Glück, dass uns Scherz, Satire, Ironie (abgesehen von Draculas Satz »I never drink... coffee«) erspart bleiben, die dank Wes Craven (hier Produzent) zuletzt das Horror-Genre durch­seuchten.

Mit der tieferen Bedeutung jedoch ist’s, trotz der Neudeu­tung des Vampir-Mythos, auch nicht arg weit her. Man sieht zwar durchaus gern zu, wie Simon Sheppard (Jonny Lee Miller) den wieder­auf­er­stan­denen Dracula durch’s heutige New Orleans hetzt, und die schon öfters einmal trefflich ausge­reizte Paral­lel­lität des anämi­schen Aris­to­kraten und seines Jägers Abraham van Helsing bekommt hier eine neue Dimension. Als erfah­rener Cutter hat Regisseur Patrick Lussier ein gutes Gespür für Rhythmus, und jeder Film mit dem jüngst Oscar-gekrönten Hong Kong-As Peter Pau (Crouching Tiger Hidden Dragon) an der Kamera lohnt schon wegen der Bilder. Selbst das Product Placement wäre – gäbe es sich nur weniger penetrant – amüsant: Das jung­fräu­liche Objekt der vampi­ri­schen Begierde (Justin Waddell) arbeitet im Virgin Megastore.

Aber für die Königs­dis­zi­plin des Vampir­films reicht’s einfach nicht recht – besonders da im Zentrum der wohl unero­tischste Dracula der Film­ge­schichte steht: Seine drei Vampir­bräute sind durchaus lecker anzusehen, aber Gerard Butler versprüht als lang­zah­niger Verführer den Sex-Appeal eines Home­shop­ping-TV-Mode­ra­tors.

Gigolo aus dem Museum

Europa ist ein nobler Anti­quitä­ten­shop. Allerlei Gerümpel findet sich hier, edle Holzmöbel und kostbare Waffen, die Regale in diesem gut gesi­cherten Museum sind ziemlich verstaubt, und die Leute sehr alt. Untote irgendwie.

So ungefähr muss es von Amerika her aussehen, zumindest aus der Perspek­tive Wes Cravens, der in Wes Cravens Dracula als Produzent fungiert, und seinen guten Namen auch gleich für den Titel hergibt. Bei uns wurde er zu Unrecht vor allem durch seine Scream-Trilogie bekannt, zwar die besten Filme des Mode­genres »Teenage-Horror« (schwach­sin­niger Name, als ob das nicht immer ein Horror wäre, aber dies nur nebenbei), aber längst nicht die besten dieses Regis­seurs. Auch hier, aber noch mehr in früheren Werken wie The Last House on the Left und Nightmare on Elm Street stand Craven für die verbor­genen, unter­grün­digen Seiten seiner Heimat, die Traumata Amerikas nach Vietnam. Seine Leder­ge­sichter und Zombies waren die Über­le­benden der Morde der 60er, die einstigen Anhänger der Kennedy-Brüder und Martin Luther Kings, deren größter Horror ihre geschei­terten Hoff­nungen waren.

Wenn der Horror­film immer den Schrecken seiner Zeit in verzerrter Form spiegelt, dann muss es uns heute ganz gut gehen. Oder so schlecht, wie noch nie. Denn Patrick Lussiers Neube­ar­bei­tung des Dracula-Stoffes bringt vieles zusammen, ohne eines seiner diversen Motive wirklich zu forcieren. Das ist Stärke wie Schwäche zugleich. In der Diagnose liegt Lussier, bisher lang­jäh­riger Cutter Wes Cravens, jeden­falls ganz richtig: Denn die Jahre sind auch an Dracula nicht spurlos vorüber­ge­gangen. Zwar zeigt das Vampir-Genre erstaun­liche Behar­rungs­kraft, doch der trans­syl­va­ni­sche Untote scheint aus ihm zusehends zu verschwinden. Bedeu­ten­dere Neu-Verfil­mungen, etwas Herzogs Nosferatu oder Coppolas Bram Stoker’s Dracula entwi­ckelten ihre hohe Qualität vor allem aus ihrem Charakter einer (film-)histo­ri­schen Referenz. Wesent­lich Neues hinzu­fügen konnten sie dem Mythos aber nicht. Also versucht Lussier die bekannten Muster zu ergänzen und weiter­zu­er­zählen, indem er sie mit Stil Elementen des Teenage Horrors vermixt.

So wird seine Story in jeder Hinsicht zur Begegnung von Europa und Amerika. Denn schnell ist Dracula im Keller des Londoner Antiquars befreit und aufer­standen, und nach knapp 20 Minuten hat der Graf seine ersten Opfer und der Film seinen eigent­li­chen Plot gefunden: in New Orleans lebt die Tochter des Vampir­jä­gers Van Helsing. Es ist weder Zufall, dass sie Mary heißt, noch dass sie ausge­rechnet im Virgin Store CDs verkauft – was ihr die Möglich­keit gibt, ein wenig zu oft ein T-Shirt mit der Aufschrift »Virgin« zu tragen, bis man es wirklich auch in der letzten Reihe verstanden hat –, vielmehr zeigt sich vor allem gegen Ende, dass alle christ­li­chen Verweise tatsäch­lich Methode haben.

Durchaus unserem biolo­gisch sensi­bi­li­sierten Zeitgeist entspre­chend, wird Mary durch gene­ti­sche Verwandt­schaft zum Objekt des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse. Jene Grenz­li­nien, die in der – im Grunde tragisch-leidenden – Gestalt des uner­lösten Grafen immer schon aufge­weicht wurden, sind diesmal doppelt in Frage gestellt. Denn auch Jäger und wich­tigstes Opfer des Vampirs haben selber zum Teil Vampir­blut in sich; es ist nicht mehr nur das Monster, das tradi­tio­nell immer schon das »Andere«, die Grenze zwischen Innen und Außen, Normal und Pervers markiert, sondern auch seine Gegner.

Die Insze­nie­rung setzt auf bewusste Über­trei­bung und die Verbin­dung pathe­ti­scher Gesten mit zahlreich gestreuten Ironie­ver­weisen. Manche Kame­ra­fahrt zitiert ebenso deutlich Scream wie einzelne Dialoge, etwa das Handy­ge­spräch zwischen Vampir und poten­ti­ellem Opfer: »Where are you right now?« – »Where do you think?«. Zu den Enttäu­schungen gehört die Besetzung der Titel­figur: Gerard Butler verbindet Aussehen und Mimik eines zweit­klas­sigen Gigolo mit den Gesten eines Rockstars aus den späten 70ern. Der Rest der Besetzung überzeugt aber, sowohl die Auftritte von Chris­to­pher Plummer und Jonny Lee Miller, als auch Justine Waddell als Mary.

Der Horror, der hier vorherrscht, ist ein Horror der Geschwin­dig­keit und der plötz­li­chen Über­ra­schung. So erlebt man Schreck­se­kunden, aber kaum Suspense; ebenso wenig wie Entsetzen oder jenes Grauen das sich erst in der Konfron­ta­tion mit dem Unsicht­baren, Unbe­kannten einstellt. Für solche Gefühle ist, was man auf der Leinwand sieht, so gebrochen und vermit­telt, dass es die Bezeich­nung »Horror­film« kaum noch verdient.
Was Wes Cravens Dracula gelingt, ist immer von dem zwei­deu­tigen Charme, aber auch vom Mut eines B-Movie geprägt und verdient am ehesten das Etikett: »Guter Trash«. Subtil spielt der Film mit dem Dracula Thema. Ohne Leerlauf oder über­flüs­sige Wieder­ho­lungen, voller Respekt für das Publikum, eigen­willig, und krude. Am Ende hat man eine durchaus intel­li­gente Pop Phantasie gesehen, musste sich aber durch manch stilis­ti­sche Grobheit durch­ar­beiten.