Deutschland 2009 · 102 min. · FSK: ab 12 Regie: Lancelot von Naso Drehbuch: Kai-Uwe Hasenheit, Collin McMahon Kamera: Felix Cramer Darsteller: Matthias Habich, Thekla Reuten, Hannes Jaenicke, Maximilian von Pufendorf u.a. |
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Deutscher Beitrag zum Irak-Krieg |
Fünf Leute, eingepfercht in einen kleinen Raum, in dem sich ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten, die Gemütszustände, Interessen und Ansichten immer wieder aneinander reiben, wie in einer Druckkammer aufstauen und in Wortgefechten dann wieder entladen. Das klingt nach einem Kammerspiel und das ist Waffenstillstand, aber nur insofern als auch John Fords Westernklassiker Stagecoach eines ist. Was dort die Postkutsche ist, ist hier ein Geländewagen, statt der Indianer hat man es mit irakischen Aufständischen zu tun und auch hier führt die Reise durch gefährliches Gebiet, nämlich den Irak des Jahres 2004. Nur die Rolle der rettenden Kavallerie kann die US-Armee selbst im Kino nicht mehr so ohne weiteres spielen.
Über den Krieg, und sei es auch nur über den im Irak, ist es schwer noch viel Neues zu sagen. Und auch das Spielfilmdebüt von Lancelot von Naso ist inhaltlich keineswegs originell, zumal man den Münchner Filmhochschulabsolvent, auch das muss hier gleich gesagt werden, nun keineswegs mit John Ford oder auch nur Kathryn Bigelow auf eine Stufe stellen muss. Fords vielgerühmter wortkarger »economy of style«, dem langen Spannungsaufbau, stehen auch hier wie im deutschen Kino allgemein schon die Denkschemata der koproduzierenden Fernsehredakteure entgegen, die angeblich genau wissen, was ihren Zuschauern zuzumuten ist. Andererseits nimmt in diesem Fall einmal ein Regisseur – und das ist ihm nicht hoch genug anzurechnen – den Wettkampf mit dem amerikanischen Kino einmal auf dessen ureigenem Terrain auf: Dem Genrefilm. Waffenstillstand ist ein Roadmovie besonderer Art und ein Kriegsfilm, der weitgehend ohne den üblichen Betroffenheitskitsch auskommt.
Die ungleichen Typen, die hier in einen Jeep gesetzt werden, sind zwei Ärzte und ein deutsches Fernsehteam. Sie nutzen eine Kampfpause um von Bagdad ins umkämpfte Falludscha zu fahren. Die Ärzte wollen Medikamente in ein Krankenhaus bringen, die Kriegsreporter eine gute Story. Schnell ist klar, dass hier jeder auch sein privates Kreuz zu tragen hat: Der von Matthias Habich gespielte ältere Arzt ist durch die Erfahrungen traumatisiert und morphiumabhängig, der junge TV-Korrespondent etwas arg nassforsch, während sein erfahrener Kameramann von Anfang an Zweifel an dem Trip hat, der auch, den Gesetzen der Genreformel folgend, mit allerlei unvorhergesehenen Ereignissen und Gefahren gepflastert ist, die die Lage immer weiter zuspitzen. Von Nasos Film ist dabei kaum ein Werk in der Tradition jener Filme, die wie Peter Weirs The Year of Living Dangerously (1982) ein fernes Land mit den Augen eines unabhängigen Journalistenbeobachters schildern, und zugleich das Terrain jener Reporter in Krisengebieten ausleuchten, ihre merkwürdige Zwischenexistenz zum Thema machen, in der sie täglich Tod und Leid begegnen um ihre Erfahrungen dann abends in der Bar eines Luxushotels mit Kollegen zu ertränken. Stattdessen ähnelt sein Film in Stärken wie Schwächen einer Fahrt in der Geisterbahn. Ähnlich wie in dem israelischen Libanon, der 2009 den Goldenen Löwen in Venedig gewann, bleiben die Hauptfiguren größtenteils in einem vermeintlich sicheren Fahrzeug, und blicken aus diesem auf eine Welt, die an jeder Ecke mit einem neuen Schock oder Todesgefahr aufwartet.
Das ist über weite Strecken spannend und schlüssig, wirkt aber irgendwann auch etwas redundant. Verstärkt wird das zeitweise Unbehagen durch jene Passagen, die die Befindlichkeit der Deutschen ins Zentrum stellen, die am Ende doch alle unzynische Gutmenschen sind, Nachfolger der südwärts ziehenden Romantiker, die mit ihren besten Absichten immer wieder an der schlimmen Wirklichkeit scheitern. Zu wenig fragt der Film danach, ob sie nicht auch das Erbe der Kreuzfahrer und Missionare antreten, die vor allem die feste Gewissheit im Gepäck trugen, Land und Leute notfalls auch gegen deren Willen nach westlicher Facon selig zu machen. Auch stehen die Skrupel und Gefühlsprobleme der Deutschen mitunter in allzu starkem Kontrast zum unmittelbaren Elend der Einheimischen – die hier einmal mehr zu oft nur die Statistenrolle spielen.
Waffenstillstand ist stattdessen immer dann stark, wenn der Film die selbstgebaute Druckkammer verlässt, und nach Außen tritt, wenn der Blick frei wird für Erfahrungen, sinnliche Unmittelbarkeit, kleine irritierende Momente und beiläufige Eindrücke, die gehaltvoller sind, als jeder Einfall aus dem Drehbuchseminar. Das Pflichtprogramm für ein Genrestück aus einem aktuellen Kriegsschauplatz erfüllt Lancelot von Naso allerdings allemal, und wenn man dann noch weiß, dass sein Film mit verhältnismäßig wenig Geld, dafür unter zum Teil unglaublichen logistischen Schwierigkeiten inszeniert wurde, dann ist dies alles in allem ein nicht nur sympathisches, sondern insgesamt sehr respektables, besonderes, auch handwerklich beeindruckendes Debüt, das in seinen eindringlichen Bildern auf die große Leinwand gehört.