Der Vierer

Deutschland 2024 · 88 min. · FSK: ab 12
Regie: Ivan Sainz-Pardo
Drehbuch: , ,
Kamera: Torsten Lippstock
Darsteller: Florian David Fitz, Julia Koschitz, Friedrich Mücke, Diyar Ilhan, Lucía Barrado u.a.
Der Vierer
Am Ende des langen Weges Ehe...
(Foto: Leonine)

Das Ende als Anfang

Iván Sáinz-Pardo gelingt mit seinem Beziehungsreigen eine der wenigen gelungenen romantischen Komödien aus deutschem Haus. Das liegt nicht nur an der spanischen Vorlage, sondern auch an einer überzeugenden Ensembleleistung

Wer sich am vergan­genen Sonntag die neueste Episode des Traum­schiffs mit Ziel Argen­ti­nien angesehen hat, konnte sich darüber freuen, dass gleich alle drei Erzähl­stränge – das klas­si­sche drama­tur­gi­sche Prinzip dieses TV-Klas­si­kers – roman­ti­sche Komödien waren, die sich auch noch erfreu­lich vonein­ander unter­schieden. Gleich­zeitig offen­barte diese Folge jedoch derartige erzäh­le­ri­sche und schau­spie­le­ri­sche Abgründe, dass einem die Guilty-Pleasure-Freude immer wieder gefror und sich in blankes Entsetzen über einen selbst verwan­delte, diesen Schwa­nen­ge­sang deutscher Fern­seh­kultur auch noch bis zum bitteren Ende ansehen zu wollen.

Diese Scham ist natürlich auch bei zahl­rei­chen deutschen Komödien, die ins Kino kommen, omni­prä­sent, obgleich es hier tatsäch­lich noch viel schlimmer kommen kann (sicher auch, weil man mehr erwartet) und die Erschüt­te­rung bisweilen so massiv ist, dass nicht einmal der verwerf­liche Wunsch bleibt, bis zum Ende durch­halten zu wollen. Liest man den kurzen Pres­se­text über Iván Sáinz-Pardos Der Vierer, scheint das Schicksal, einen weiteren Schrecken ohne Ende dieser Art sehen zu müssen, fast schon unaus­weich­lich. Doch es kommt anders. Über­ra­schend anders.

Erinnern die ersten Momente von Sáinz-Pardos Komödie noch an glatteste, sterilste TV-Ästhetik, eman­zi­piert sich der Film mit jeder Minute mehr davon, genauso wie seine Prot­ago­nisten, die hier in ein Bezie­hungs­expe­ri­ment geworfen werden, das alles und jeden ändern soll: die in die Jahre gekommene Ehe von Sophie (Julia Koschitz) und Partner Paul (Florian David Fitz) und die fest­ge­fah­renen Single-Singu­la­ri­täten der mit dem Paar befreun­deten Mia (Lucía Barrado) und Lukas (Friedrich Mücke), die endlich einmal ändern wollen, was sich sonst niemand traut zu ändern. Dafür haben sie sich zu einem gemein­samen Vierer verab­redet, denn ein Zweier wäre natürlich zu wenig und ein Dreier oder eine Orgie unserer woken Gegenwart politisch nicht mehr korrekt.

Hört sich diese Konstel­la­tion viel­leicht im ersten Moment nach dem üblichen komö­di­an­ti­schen Klum­per­quatsch­kla­mauk an, gewinnt das Drehbuch von Iván Sáinz-Pardo und Florian David Fitz trotz einiger Platt­heiten mehr und mehr an scharfer Kontur und entwi­ckelt zusammen mit den Haupt­dar­stel­lern ein Kammer­spiel über den Sinn von Liebe, den Spiel­arten des Begehrens und ein erfri­schend offenes und konflikt­be­reites Aushan­deln darüber, was ein moderner Mann sein könnte. Denn beide Männer sind in diesem Film Antipoden des klas­si­schen Männer­bildes – der eine intro­ver­tiert und vorsichtig, der andere ein bis zu diesem Abend so über­zeugter wie gepei­nigter Hausmann, der seine Frau stets in ihrem Karrie­re­streben unter­s­tützt hat. Erinnern die sexuellen Konfron­ta­tionen, die hier ausge­spielt werden, immer wieder an die in der Schweiz sehr erfolg­reiche Komödie Die Nachbarn von oben von Sabine Boss, driftet der Film hier immer wieder auch in den Klamauk und einen immerhin gut getimeten Slapstick ab, überzeugt Sáinz-Pardo jedoch am meisten mit der Konse­quenz, mit der er seinen Film mehr und mehr in Richtung einer ernsten roman­ti­schen Komödie überführt. Ernst und Komödie müssen sich ja tatsäch­lich nicht ausschließen, sondern können sich vielmehr anein­ander reiben, um ein noch über­ra­schen­deres Potential zu entfalten.

Und genau das gelingt Der Vierer, der am Ende nichts mehr mit dem Plakat oder dem Verleih­text zu tun hat und vor allen nicht mit den üblichen deutschen Rohr­kre­pie­rer­komö­dien, sondern seine geschun­denen, von zu viel Wahrheit fast gebro­chenen Held:innen in eine kluge Zärt­lich­keit ziehen lässt, die es so im deutschen Kino viel zu selten gibt. Das mag natürlich auch daran liegen, das Sáinz-Pardo und Fitz ihr Drehbuch unter signi­fi­kanten Ände­rungen dem spani­schen Original Amor En Polvo von Suso Imbernón entlehnt haben, doch das sehr über­zeu­gend und mit Schau­spie­lern, die mit der Film­wirk­lich­keit so nach­haltig verwachsen wie in einem anderen und ähnlich über­zeu­genden Remake, Sönke Wortmanns Contra.