Unsere Lehrerin, die Weihnachtshexe

La Befana vien di notte

Italien 2018 · 98 min. · FSK: ab 6
Regie: Michele Soavi
Drehbuch:
Kamera: Nicola Pecorini
Darsteller: Paola Cortellesi, Stefano Fresi, Fausto Maria Sciarappa, Giovanni Calcagno, Giuseppe Lo Piccolo u.a.
Weihnachten hinter Gittern

Werwlixte Weihnachten

Gut, gebongt: die Idee, dass Weih­nachten mal wieder in Gefahr ist, wurde wirklich schon so viele Male durch­ven­ti­liert, wie es das filmische Weih­nachts­fest über­haupt­schon gibt. Greift man etwa nur ein paar Jahr­zehnte zurück, schält sich etwa das herrlich düster-morbide Tim Burton und Henry Selick-Stop-Motion-Musical The Nightmare Before Christmas (1993) aus der Erin­ne­rung heraus und erst letztes Jahr gab den perfide-bösen Anima­tions-Relaunch des Grinch, der uns eindring­lich daran erinnerte, dass es viel­leicht wirklich das Beste wäre, wenn das Weih­nachts­fest mal eine Auszeit bekäme.

Die neueste Variante dieses zumindest unter­be­wusst dring­li­chen Wunsches – und damit auch die sinnvole Recht­fer­ti­gung dieses sich so beständig wieder­ho­lenden Narrativs – kommt aus Italien und erzählt mit eindring­li­chem Lokal­ko­lorit von Paolas (Paola Cortel­lesi) Geheimnis. Während sie tagsüber in der Grund­schule einer kleinen italie­ni­schen Gemeinde in den Bergen unter­richtet, verwan­delt sie sich nachts in die jahr­hun­der­talte Befana, die Weih­nachts­hexe, welche den Kindern die Geschenke bringt. Regisseur Michele Soavi und sein Dreh­buch­autor Nicola Guagli­a­none greifen hier eine alte italie­ni­sche Legende auf, die eben von jener Befana handelt, die den Kindern zum Drei­kö­nigs­fest Süßig­keiten oder Kohles­tücke bringt, also eine zeitlich versetzte Variante des deutschen Nikolaus.

Soavi und Guagli­a­none Grundidee, die Legende in die Gegenwart zu trans­por­tieren zahlt sich vor allem im ersten Teil des Films hervor­ra­gend aus, denn ein Doppel­leben zu skiz­zieren, ist nicht nur für Kinder eine der aufre­gendsten Gedan­ken­spie­le­reien überhaupt. Soavis Film will jedoch unbedingt auch ein Fami­li­en­film sein und führt nicht nur vor, dass Unter­richt an Schulen selbst für Hexen eine Tortur sein kann, sondern das auch Bezie­hungs- und Liebes­leben nicht in den üblichen Bahnen verläuft.

Ist Unsere Lehrerin, die Weih­nachts­hexe bis dahin eine konse­quent durch­ge­spielte Doppel­leben-Komödie mit weih­nacht­li­cher Verpa­ckung, wird mit der Einfüh­rung des Erfinders und Spiel­zeug­her­stel­lers Mr. Johnny (Stefano Fresi) eine Klamau­kebene einge­zogen, die auch in den Pfer­de­filmen der letzten Jahre gern bedient wurde. So wie Hans Kakman bei Bibi & Tina ist auch Mr Johnny das Böse in grotesker Light-Version, das irgend­wann mal trau­ma­ti­siert wurde und sich nun rächen will.

Diese Verblö­de­lung des Bösen nimmt gerade dem so schön zwei­deu­tigen Weih­nachts­gru­sel­kon­text etliches an möglicher Spannung. Und da auch hier wieder einmal die Kinder­vor­zei­ge­moral unserer Zeit brav durch­de­kli­niert wird, nach der man nur zusam­men­halten muss, um zu gewinnen, glaubt man schon das Schlimmste auf sich zukommen zu sehen.

Doch da Regisseur Soavi vor allem als Schau­spieler, Dreh­buch­autor und Regisseur im italie­ni­schen Horror-Film sozia­li­siert worden ist – wartet Unsere Lehrerin, die Weih­nachts­hexe dann doch mit ein paar Über­ra­schungen auf, die es für gewöhn­lich nicht im Vorabend-Programm bei Kika zu sehen gibt. Dies beschränkt sich nicht nur auf grelle Suspense-Effekte und Szenen, sondern zeigt sich auch an einer zunehmend anar­chis­tisch-wilden Drama­turgie, die nie zu weit geht, also den Faden der Handlung nicht zerreißt, aber dennoch die oft nur allzu vorher­seh­baren Kinder­film-Drama­tur­gien unserer Gegenwart wohltuend hinter­fragt.