Und dann kam Dad

About My Father

USA 2023 · 96 min. · FSK: ab 0
Regie: Laura Terruso
Drehbuch: ,
Kamera: Rogier Stoffers
Darsteller: Sebastian Maniscalco, Robert De Niro, Leslie Bibb, Anders Holm, David Rasche u.a.
Erfrischende Weiterentwicklung der romantischen Komödie...
(Foto: Leonine)

Familie als Mantra

Laura Terrusos Culture, Class und Family-Clash-Komödie mit Robert De Niro und Stand-Up Comedian Sebastian Maniscalco überzeugt mit exzellentem Timing, gelungenem Slapstick und brillanten Dialogen

Gute Komödien sind Balsam für der Seele. Und sie sind noch einmal besser, wenn sowohl Erwar­tungs­hal­tungen erfüllt als auch gebrochen werden. So wie in der Verfil­mung von Sebastian Manis­calcos Erin­ne­rungen an seinen eigenen Vater; Erin­ne­rungen, die es als Buch zwar nicht gibt, die Mani­sa­calco aber schon seit Jahren dabei unter­stützt haben, sein „nost­al­gi­sches“ Stand-Up-Comedy-Programm zu gestalten, in dem es fast immer um die persön­li­chen Fami­li­en­er­leb­nisse mit seinem altmo­di­schen Vater ging, der in seiner frühen Jugend nach Amerika auswan­derte und als Friseur mit eigenem Salon die so gern gesehene ameri­ka­ni­sche Erfolgs­ge­schichte schrieb, im Herzen und in seinen Äuße­rungen aber weiterhin Sizi­lianer blieb.

Manis­calco hat sich zwar in den letzten Jahren von dieser Rolle eman­zi­piert, hat sich als Schau­spieler in Green Book und in Martin Scorseses The Irishman erfolg­reich profi­liert, doch für Und dann kam Dad die alten Comedy-Schnipsel zu einem bündigen Drehbuch verklebt und Robert De Niro, den er auch im Podcast Behind the Irishman an seiner Seite hatte, als seinen Vater ins Boot geholt und die Regie an die junge, Komö­dien­er­fah­rene Regis­seurin Laura Terruso (Good Girls Get High) abgegeben.

Das funk­tio­niert auch deshalb so gut, weil Robert De Niro nicht die viel­leicht zu erwar­tende Rolle spielt, die er in seinem bekannten Komödien Triplet – Meine Braut, ihr Vater und ich, Meine Frau, ihre Schwie­ger­el­tern und ich und Meine Frau, unsere Kinder und ich – an der Seite von Ben Stiller verkör­perte. Zwar erinnert Manis­calco gerade durch seine Rolle als unsi­cherer, nicht gender-konformer Mann an Stillers Rolle und ist auch das Horror-Szenario eines Hoch­zeits­an­trags im Haus der Schwie­ger­el­tern aus Meine Braut, ihr Vater und ich sattsam vertraut.

Doch De Niro gibt hier nicht den künftigen Stief­vater, sondern den Vater selbst, einen Vater, der fast wie die späte Wieder­gurt von Robert De Niros Rolle mit Koch­künsten als Jimmy in Scorseses Good­fellas aussieht. Aber es ist auch ein Vater, für den sich Sebastian inzwi­schen schämt und den er nur wider­willig und sizi­lia­ni­scher Fami­li­en­tra­di­tion wegen dazu einlädt, ihm am 4th of July-Woche­n­ende zu seinen künftigen Schwie­ger­el­tern zu begleiten. Sowohl seine Freundin Ellie (Leslie Bibb) als auch sein Vater Salvo nehmen das selbst­ver­ständ­lich hin, obwohl schon schnell klar wird, dass hier nicht nur zwei unter­schied­liche Gesell­schafts­schichten, zwei konträre Fami­li­en­mo­delle, sondern auch zwei Kulturen aufein­an­der­treffen – auf der einen Seite die inzwi­schen wohl­ha­benden, „migran­ti­schen“ Nach­fahren der Mayflower, auf der anderen der erst in diesem Leben einge­wan­derte und so eini­ger­maßen assi­mi­lierte Sizi­lianer.

Terruso und Manis­calco spielen diese Gegen­sätze auf mehreren Ebenen souverän aus, gibt es nicht nur großar­tige, fantas­tisch getaktete Slapstick-Szenen, sondern immer wieder auch scharf­zün­gige Dialoge, die das weiße, ameri­ka­ni­sche Selbst­ver­ständnis hinter­fragen und über Ellies Mutter Tigga (Kim Cattrall) als Senatorin gleich auch noch die Doppel­moral ameri­ka­ni­scher Einwan­de­rungs­po­litik auf den mora­li­schen Prüfstand gestellt wird.

Doch Und dann kam Dad variiert und über­rascht auch noch anders­weitig, wird zum einen die Begriff­lich­keit der Dyade klas­si­scher RomCom-Modelle, also Mann/Frau elegant auf Vater und Sohn über­tragen, und dann und vor allem und immer wieder mit dem in ameri­ka­ni­schen Filmen oft kaum mehr zu ertra­genden Mantra über die Bedeutung der Familie kreativ Ping Pong gespielt. Dabei wird dann nicht nur deutlich, dass das italie­ni­sche Familien-Mantra fast noch inten­siver gelebt wird, sondern mehr noch die Frage gestellt, ob die fast schon explosiv aufge­la­dene Bedeutung der Familie nicht auch Resultat eines kaputten, eror­dierten Staates ist, der die Unab­hän­gig­keit der „Familie“ braucht, damit die Familie überhaupt überleben kann. Was sowohl auf die maroden poli­ti­schen Struk­turen des alten Siziliens zutrifft als auch zunehmend auf das neoli­be­rale, sozi­al­staats­ferne Amerika von heute.