Kanada 2018 · 123 min. · FSK: ab 12 Regie: Denys Arcand Drehbuch: Denys Arcand Kamera: Van Royko Darsteller: Alexandre Landry, Maripier Morin, Pierre Curzi, Rémy Girard, Maxim Roy u.a. |
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Die Gang auf dem Weg zum etwas anderen Verbrechen |
Pierre-Pauls Leben ist nicht leicht. Wenn er über die Gnade der Dummheit und die Unzulänglichkeit der großen Geister der Menschheit schwadroniert, ist er kurz vorm Heulen. Eigentlich hat er ein Philosophie-Diplom, doch er arbeitet lieber als Kurierfahrer. Als Dozent müsste er sich ja schließlich diesem ganzen System beugen. Und dann auch noch das: Auf einmal stehen Millionen von Dollars vor ihm.
Für seinen Film Der unverhoffte Charme des Geldes hat der kanadische Regisseur Denys Arcand einen überforderten Intellektuellen ins Zentrum des Geschehens gestellt. Der eigentliche Hauptdarsteller aber ist das Geld. Das Kapital, das jeden Vorgang in unserer Welt steuert. Wie kommt jetzt aber ein Philosoph im Postler-Mantel an eine solche Unsumme?
Nun, indem er zur falschen Zeit am falschen Ort auftaucht. Sein nächstes Ziel ist gerade zum Schauplatz eines Massakers geworden. Zwei Jugendliche haben sich in den Kopf gesetzt, durch einen Überfall ans schnelle Geld zu kommen. Einer von ihnen liegt nun tot auf dem Asphalt, der andere humpelt angeschossen davon. Vor Pierre-Paul (Alexandre Landry) liegt ein Vermögen, verpackt in Sporttaschen. Und dann ist der Gier-Reflex doch stärker als die Ideale, und die Taschen landen im Laderaum. Dumm nur, dass der Zaster einem skrupellosen Verbrechersyndikat gehört. Und nicht nur die haben Interesse am Verbleib der Scheinchen, sondern auch zwei Polizisten, die Pierre-Paul bereits im Visier haben. Zusammen mit dem gerade aus dem Knast entlassenen Finanz-Experten Sylvian (Rémy Girard) und dem Escort-Girl Aspasia (Maripier Morin) – der einzige Luxus, den er sich gönnt – will er den frisch erworbenen Reichtum wieder loswerden.
Denys Arcand ist bereits seit den Sechzigern aktiv. Seine Filme wie Der Untergang des amerikanischen Imperiums (1986) und Die Invasion der Barbaren (2007) persiflieren seit jeher die Rollenspiele der modernen Gesellschaft und die Prozesse, die sie am Laufen halten. Für Die Invasion der Barbaren bekam er in Cannes die Auszeichnung für das beste Drehbuch. Auch im Fall von Der unverhoffte Charme des Geldes ist das Script mehr als gelungen. Als satirischer Thriller funktioniert sein Film wunderbar, dank seiner Unvorhersehbarkeit und verwickelten Handlungsstränge. Auch wenn man dann und wann vor lauter Offshore-Banking- und Finanzstrategien nicht mehr mitkommt. Die Liebesgeschichte zwischen Pierre-Paul und Aspasia wirkt allerdings zwischen all den schwindelerregenden Beträgen manchmal etwas fehl am Platz.
Diese Mängel sind verzeihlich. Die Krux liegt leider woanders. Psychologisch geben seine Figuren nicht viel her. Pierre-Pauls interessantester Moment ist sicher der, in dem er sich instinktiv für den Diebstahl entscheidet. Der große Kapitalismus-Gegner verwandelt sich in sein eigenes Feindbild, einen rücksichtslosen Geldmenschen. Bei diesem Moment bleibt es aber auch. Kein Hadern, keine Zweifel an sich oder den eigenen Überzeugungen. Außer für seine Escort-Affäre gibt er nichts aus – und das Geld ist gut investiert, schließlich kommen sie sich näher. Ansonsten will er die Kohle einfach nur loswerden. Dieser eine Moment, in dem die günstige Gelegenheit triumphierte, wird nicht mehr angesprochen. Dabei hätte man daraus eine vielschichtigere und forderndere Satire bauen können. Wirkliche Tiefe bleibt auch bei den restlichen Figuren höchstens im Ansatz stecken. Arcand bedient sich lieber offensichtlicherer Mittel für seine Systemkritik. Überall platziert er Obdachlose, um dem Zuschauer die Ungerechtigkeit der Verhältnisse plakativ zu verdeutlichen. Nur werden diese Verhältnisse dem bekannt sein, der mit offenen Augen durch die Welt geht. Am Ende sehen sie uns nochmal in Großaufnahme direkt ins Gesicht, für alle die immer noch nicht wissen, dass es Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit gibt. Arcands Film ist zwar spannend und unterhaltsam, geht über eine bloße »Geld regiert die Welt«- Ansage aber leider nicht hinaus.