TKKG

Deutschland 2019 · 96 min. · FSK: ab 6
Regie: Robert Thalheim
Drehbuch: ,
Kamera: Henner Besuch
Darsteller: Ilyes Moutaoukkil, Lorenzo Germeno, Emma-Louise Schimpf, Manuel Santos Gelke, Trystan Pütter u.a.
Entschlackte Geschlechter- und Kriminellen-Klischees

Auf der Suche nach dem eigenen Ich

»TKKG, die Profis in spe. TKKG, die Profis in spe. Wir lösen für Sie jeden Fall, wenn Sie woll’n überall. TKKG!«Intro für die TKKG-Hörspiel-Veröf­fent­li­chungen ab Folge 34

Auch das wäre mal ein Abenteuer für TKKG, für Tim (früher Tarzan genannt), Karl, Klößchen und Gaby gewesen: sich auf die Suche nach Rolf Kalmuczak zu begeben, einen der erfolg­reichsten und gleich­zeitig unbe­kann­testen deutschen Schrift­steller, der unter mehr als 100 Pseud­onymen 160 Jugend­bücher, 2700 Krimi­nal­ge­schichten für Illus­trierte, 36 Dreh­bücher, 170 Taschen­buch-Krimis, 200 Heft­ro­mane und einige Hörspiele geschrieben hatte. Und der sieben Jahre lang wegen eben dieser Schaf­fenswut sogar einen Platz im Guinness-Buch der Rekorde erhalten hatte. Was für eine großar­tige, bizarre Begegnung wäre das gewesen, wenn es TKKG 2007 tatsäch­lich bis nach Garmisch-Parten­kir­chen ans Bett des ster­bens­kranken Kalmuczak geschafft hätten, um sich für ihr eigenes Dasein bedanken zu können: für TKKG-Bücher mit einer Gesamt­auf­lage von 14 Millionen und damit eine der erfolg­reichsten deutschen Jugend­buch­reihen überhaupt, für Hörspiele auf 30 Millionen Kassetten und CDs und jetzt natürlich auf Streaming-Portalen wie Spotify, für zwei Kinofilme, für Comics, Computer- und Konso­len­spiele. Und natürlich eine Serie fürs ZDF, Fern­seh­ra­te­spiele und zwei Kinofilme aus den Jahren 1992 (Ein Fall für TKKG – Drachen­auge) und 2006 (TKKG und die rätsel­hafte Mind-Machine). Und viel­leicht hätte Kalmuczak ihnen als Danke­schön von seiner eigenen Inter­natsszeit erzählt, und warum er für sie das Pseudonym Stefan Wolf ausge­wählt hat und wo sich die vier eigent­lich kennen­ge­lernt haben und wer sie im Herzen eigent­lich sind.

Dieser Geschichte, gewis­ser­maßen dem Prequel von TKKG, hat sich nun Robert Thalheim ange­nommen, der bislang eher durch seine Arbeit am Theater und seine Filme Am Ende kommen Touristen (2007) und zuletzt die Agen­ten­komödie Kund­schafter des Friedens bekannt geworden ist. Und anläss­lich dieser neuer­li­chen Bezwin­gung dieses mons­trösen Berges deutscher Jugend­li­te­ratur hat nicht nur die Film­stif­tung NRW die Produk­tion mit 400.000 Euro gefördert, sondern dürfen auch einige der erfolg­reichsten deutschen Gegen­warts­schau­spieler mit von der Partie sein und sich ihren eigenen Kind­heits­kas­set­ten­t­raum erfüllen: denn sowohl Milan Peschel, Tom Schilling, Laura Tonke und Trystan Püttner sind mit tragenden Rollen dabei.

Das mag sich alles ein wenig des Guten zu viel anhören, doch funk­tio­niert es tatsäch­lich auch gut. Das liegt natürlich nicht nur an den erwach­senen Schau­spie­lern und an den völlig über­zeu­genden Kinder­dar­stel­lern, sondern vor allem an einer souver­änen Regie und einem Drehbuch, das mit den stereo­typen Geschlechter- und Krimi­nellen-Klischees, die in frühen TKKG-Geschichten gern repro­du­ziert wurden, aufgeräumt hat.

Zwar gibt es zahl­reiche Verweise auf die 1980er und die Grün­der­zeit von TKKG, doch im Kern ist TKKG ein Film, der versucht, auch von unserer Gegenwart, dem Deutsch­land von heute zu erzählen. Der die Erben­de­batte in den Raum stellt, denn Klößchen (Lorenzo Germeno) kommt aus einer reichen Familie, der Tim (Ilyes Moutaoukkil) mit migran­ti­schem Hinter­grund zeichnet und ihn als Stipen­diat ans Internat kommen lässt, der Karl (Manuel Santos Gelke) als Mobbing­opfer deutet, das es sogar schwer hat, bei TKKG seine Rolle zu finden, und der endlich mal wieder ein Mädchen, nämlich Gabi (Emma Luise Schimpf) entwirft, das nicht »pfer­de­film­ma­ger­süchtig« durch die Gegend reitet, sondern sowohl gleich­be­rech­tigte Behand­lung von ihrem allein­er­zie­henden Vater als auch den neuen Freunden von TKKG einfor­dert. Also ein Paket, das zwar den Franchise-Irrsinn nicht aus den Angeln hebt, das die Kinder­sparten der Kinos auf Monate verstopfen wird, weil ja inzwi­schen auch der Anteil der erwach­senen Hörer und Leser von TKKG bei zehn Prozent liegt, aber immerhin ein Rund­um­sorg­los­paket, das niemanden verärgern wird.