Salt and Fire

USA/D/Bolivien/F/MEX 2016 · 98 min. · FSK: ab 6
Regie: Werner Herzog
Drehbuch:
Kamera: Peter Zeitlinger
Darsteller: Veronica Ferres, Michael Shannon, Gael García Bernal, Lawrence Krauss, Volker Michalowski u.a.
Macht nicht nur den Darstellern schlechte Laune

»Der Mond ist aufgegangen«

Vor Werner Herzog haben wir Respekt. Zu sehr lieben wir seine Spiel­filme, auch wenn diese, wie Aguirre, der Zorn Gottes oder Fitz­car­raldo bereits 35 oder 40 Jahre alt sind. Denn sie brachten einmalige, vom Schicksal getrie­bene Querköpfe auf die deutschen Leinwände, besessene Einzel­gänger, die nicht nur Wider­spie­ge­lungen ihres Haupt­dar­stel­lers Klaus Kinski waren, sondern auch verkappte Selbst­por­traits ihres Regis­seurs. Zu sehr lieben wir auch die wunder­li­chen Doku­men­tars­tücke wie Grizzly Man oder The Wild Blue Yonder, bei denen man auch nach Ende des Films rätselt, was hier jetzt tatsäch­lich doku­men­tiert, und was viel­leicht doch zu perfekter Täuschung listig erfunden war.

Man muss an all das so breit und ausführ­lich erinnern, um den Abgrund erkennbar zu machen, der Herzogs neuen Film vom größten Teil seines übrigen Werks trennt. Und um zu erklären, warum Respekt nicht bedeuten sollte, seinen Beruf zu verraten, wie dies leider einige Kollegen tun, die diesen Film auf eine Weise bespre­chen, wie sie es nie tun würden, wenn der Film­hoch­schul­ab­sol­vent XY ihn gemacht hätte (vgl. »Cinema Moralia« von heute).

Spätes­tens schon in Queen of the Desert, einer Art Schmalz­ver­schnitt aus billigem Orien­ta­lismus und einer weib­li­chen Lawrence-von-Arabien-Geschichte begann Herzog, seinen Ruf als seriöser Auto­ren­filmer nach­haltig zu beschä­digen. Da aber rettete das Können seiner Haupt­dar­stel­lerin Nicole Kidman noch Teile des Films. Fern­seh­star Veronika Ferres hingegen ist den Anfor­de­rungen des Kino­for­mats in einem ihrer ersten Kinofilme seit langem schlicht nicht gewachsen.

Das liegt aller­dings auch dem öden Rahmen, den Herzog ihr setzt: Eine Europäerin in einer fiktiven latein­ame­ri­ka­ni­schen Salzwüste deren Name »Diablo Blanco« (»Weißer Teufel«) nicht das einzige in diesem Film ist, das klingt, als sei es einem schlechten Kolpor­tage-Roman entsprungen: Ein Terror­an­schlag, ein böses Unter­nehmen, eine Umwelt­ka­ta­strophe, schöne Land­schafts­bilder – all dies und noch viel mehr kommt zusammen zu einem unklaren Verhau von einem Film, in dem gute Darsteller wie Michal Shannon oder Gael Garcia Bernal gemeinsam mit über­for­derten Kollegen wie Ferres hilflos herum­stol­pern und nicht wissen, was sie tun.
Die Insze­nie­rung ist hölzern, amateur­haft, aus der Balance. Als habe hier einer sein Hand­werks­zeug gründlich verlernt.

Warum das alles? Formal betrachtet und nach den Angaben der Presse-Infor­ma­tion ist dies ein Thriller. Aber einen Thrill gibt es nicht. Statt­dessen geht es um eine philo­so­phi­sche Medi­ta­tion, um eine Bildungs­reise von Wohl­stands­men­schen, die von einem reuigen Umwelt­sünder und Firmen­boss erzwungen wird.
Wieso tut Werner Herzog uns und sich selbst das an? Senilität oder Geldgier – schmei­chel­haf­tere Begrün­dungen fallen einem nicht ein. Der Film kidnapped sein Publikum und seine Darsteller.

Irgend­wann sitzt dann Veronica Ferres gemeinsam mit zwei blinden Indio-Jungen auf einer Insel mitten in der Salzwüste und muss spielen, dass sich ihr Leben ändert. Sie sagt Sätze wie: »Das hier ist nicht von unserer Welt.« Früher dachte man so etwas in Herzog-Filmen, aber es wurde nicht in den Dialog geschrieben – und meint doch nicht den Film.
Dann singt sie für die Blinden »Der Mond ist aufge­gangen«, ja Ferres singt »Der Mond ist aufge­gangen« – und das ist leider alles genau so, wie es klingt.
Der ganze Film ist unfrei­willig lächer­lich, ein Film der von allen namhaften Film­fes­ti­vals abgelehnt wurde und nur deshalb ins Kino kommt, weil er es den Gesetzen der Film­för­de­rung gemäß muss, und weil man glaubt mit Namen wie Bernal und Ferres noch etwas Kasse zu machen. Salt and Fire ist kein guter Film, er macht keinen Spaß und bringt einem nichts bei, außer wie es läuft bei großen Namen: Ein bisserl was geht immer.

Immerhin lernt man, seinen Respekt zu verlieren. Ob das aber eine schöne Erfahrung ist?